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Abschiebungen angekündigt

Eine Registrierung für alle Flüchtlinge, die nach Ungarn kommen: Das kündigte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto am Dienstag an. Die ungarische Regierung reagierte damit auf Vorwürfe anderer EU-Staaten, Flüchtlinge einfach Richtung Westen durchgewinkt und sich der eigenen Verantwortung entzogen zu haben.

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Ob die Registrierung auch jene Flüchtlinge betrifft, die sich bereits in Ungarn aufhielten, aber noch um kein Asyl angesucht haben, ließ Szijjarto offen. Doch auch so kommt auf die ungarischen Behörden, so sie die Ankündigung des Außenministers durchsetzen, eine schwere Aufgabe zu. Es wird erwartet, dass - Ungarns Grenzzaun zum Trotz - in den kommenden Tagen eine Vielzahl von Flüchtlingen in Ungarn und Budapest ankommen.

Flüchtling überqueren die Grenze zu Ungarn

APA/AP/Darko Bandic

Am Dienstag kamen weitere Flüchtlinge aus Serbien in Ungarn an

Mazedonien als weiteres Transitland auf der Balkanroute warnte erst am Dienstag vor einem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen. Man könne nur 2.000 Flüchtlinge täglich Richtung serbischer Grenze transportieren, hieß es vonseiten der mazedonischen Regierung. Auch UNO-Vertreter rechnen mit einem Anstieg der Flüchtlingszahlen an der griechisch-mazedonischen Grenze.

Überfüllte Aufnahmelager

Doch Ungarns Aufnahmelager gelten schon jetzt als überfüllt. In den vergangenen Tagen waren immer mehr Asylwerber zu den Bahnhöfen in Budapest gekommen, da ihnen das offenbar überforderte Einwanderungsamt keine Lager mehr zuwies. Am Montag stoppte die ungarische Polizei dann ihre Kontrollen und erlaubte Tausenden Flüchtlingen, Züge Richtung Österreich und Deutschland zu besteigen. Mehr als 3.000 Flüchtlinge kamen so bis Dienstagfrüh allein auf dem Wiener Westbahnhof an.

„Last können wir nicht stemmen“

Ungarn musste sich für dieses Vorgehen reichlich Kritik gefallen lassen. Vor allem Österreich und Deutschland verurteilten das Vorgehen der ungarischen Behörden scharf. Am Dienstag vollzog Budapest dann die Kehrtwende. Die ungarische Polizei räumte den wichtigen Budapester Ostbahnhof Keleti, während rund 500 Flüchtlinge gerade versuchten, einen Zug nach Wien zu besteigen, und sperrte ihn für zwei Stunden. Danach wurde der Zugsverkehr wieder aufgenommen - auch Richtung Deutschland. Flüchtlingen wurde der Zugang allerdings verweigert.

Bahnhof in Budapest für Flüchtlinge wieder gesperrt

Tausende Flüchtlinge warten vor dem Ostbahnhof in Budapest, seit die Polizei ihn wieder abgeriegelt hat. Einsteigen dürfen nur mehr Reisende mit gültigem Pass und Schengen-Visum.

Tausende Flüchtlinge - je nach Angaben zwischen 1.500 und 4.000 - warten nun vor dem wichtigen Budapester Ostbahnhof Keleti-Bahnhof auf eine Weiterfahrt. Am Dienstagabend sei es vor dem Bahnhof zu Protesten gekommen, so die ungarische Nachrichtenagentur MTI. Viele Flüchtlinge hatten zuvor mit einem Hungerstreik gedroht, sollte ihnen keine Weiterreise ermöglicht werden. Dass ihnen diese gestattet wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Laut dem ungarischen Klubradio warten Busse auf dem Platz neben dem Bahnhof, um die Flüchtlinge abzutransportieren und den Bahnhof und die Unterführung zu räumen. Auch am Mittwoch blieb der Bahnhof für Flüchtlinge gesperrt.

Flüchtling zeigt seinen Pass

APA/EPA/Zoltan Balogh

Auch Flüchtlinge mit einem syrischen Pass dürfen nicht zu den Zügen

Die Lage für Flüchtlinge in Ungarn dürfte sich nun noch einmal erneut verschärfen. Neben der Registrierung der Flüchtlinge kündigte Szijjarto am Dienstag auch an, alle Asylbewerber, die aus wirtschaftlichen Gründen ins Land kämen, wieder zurückzuschicken. „Diese Last können wir nicht stemmen“, sagte er. Ein EU-Quotensystem, das Ungarn möglicherweise entlasten könnte, kommt für die Regierung laut Szijjarto aber weiterhin nicht infrage.

EU-Kommission will permanente Verteilung

Die EU-Kommission hält weiterhin an einem Verteilungsschlüssel fest. „Wir brauchen ein permanentes System“, sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Zunächst müssten sich die EU-Staaten aber grundsätzlich auf die Verteilung von Flüchtlingen einigen. Der frühere Verteidigungsminister Griechenlands äußerte sich optimistisch, dass das trotz der Vorbehalte unter anderem aus osteuropäischen Staaten gelingt.

Wie konkret der Widerstand jener Staaten überwunden werden könnte, sagte Avramopoulos nicht. Am 9. September will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Grundsatzrede im EU-Parlament halten, bei der er auch die Pläne der Brüsseler Behörde konkretisieren dürfte. Am 14. September beraten die EU-Innenminister auf einer Sondersitzung über mögliche Maßnahmen.

Einschränkungen innerhalb des Schengen-Raumes der EU schloss Avramopoulos aus. „Schengen muss geschützt werden“, betonte er. Stattdessen setze er auf die neuen Erstaufnahmezentren („Hotspots“), die in Griechenland und Italien zur Registrierung von Migranten und Flüchtlingen entstehen. Auch für Ungarn sei eine Einrichtung möglich, wenn die Regierung darum bitte.

EU-Spitze trifft Orban

Am Donnerstag soll ein Krisentreffen zwischen Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz stattfinden. Die EU-Kommission hatte zuvor mitgeteilt, die Lage zu beobachten. Ungarn stehe in der Pflicht, EU-Recht anzuwenden und Flüchtlinge bei ihrer Ankunft zu registrieren. Wenn Ungarn Schwierigkeiten habe, seine Außengrenzen zu überwachen, könne die Regierung in Budapest dafür Hilfe beantragen.

Deutschland hatte aber betont, trotz der Dublin-Regelung keine aus Österreich und Ungarn ankommenden Flüchtlinge zurückzuschicken. Eine rasche Klärung der Situation sei aber notwendig, betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.

Kritik an Österreich

Auch Österreich musste sich Kritik gefallen lassen, die Flüchtlinge nicht zu kontrollieren. Der deutsche CDU-Politiker Gunther Krichbaum forderte die EU-Kommission auf, Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und Österreich zu prüfen. „Es ist skandalös, dass Flüchtlinge nun ungeprüft und ohne Ausweiskontrolle nach Deutschland kommen“, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des deutschen Bundestages. „Es handelt sich ganz offensichtlich um einen Bruch der Dublin-Vereinbarung. Und die EU-Kommission muss als Hüterin der Verträge aktiv werden“, sagte Krichbaum.

Polizeisprecher Roman Hahslinger wies die Kritik zurück, betonte aber, dass man nicht lückenlos kontrollieren könne. Am Dienstag hieß es nach Angaben der Wiener Polizei, dass die in Zügen aus Budapest ankommenden Flüchtlinge nicht kontrolliert würden. Aufgrund von Personalmangel sei eine Kontrolle auch künftig nicht vorgesehen, berichtete Reuters.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wies am Dienstag den Vorwurf zurück, dass Österreich nicht kontrollieren und Asylwerber nach Deutschland weiterschicken werde. Der Vizekanzler wird sich am Freitag mit Juncker in Brüssel treffen. Dabei sollen die Lage im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen sowie der Kampf Österreichs gegen Schlepper besprochen werden, hieß es am Dienstag.

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