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Warnung vor Entsolidarisierung

Angesichts der steigenden Zahl an Kriegsflüchtlingen in Europa und Österreich fordert der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO), Karl Aiginger, eine sofortige Asylstrategie von der heimischen Regierung. Die „Grundpfeiler“ müssten sobald als möglich bei einem Gipfel beschlossen werden, sagte Aiginger am Rande des Forum Alpbach am Dienstag.

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Die Flüchtlinge sollten rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden, und die Kinder der Flüchtlinge müssten alle die Schule in Österreich besuchen, betonte Aiginger. Frühpensionierte Lehrer sollten mit „kleinen Incentives“ dazu motiviert werden, einen Tag in der Woche Flüchtlingskinder zu unterrichten. Es sei „durchaus möglich“, 70.000 Einwanderer in die österreichische Wirtschaft und Gesellschaft zu integrieren, zeigte sich der WIFO-Chef zuversichtlich.

Für Europa würden die Zuwanderer wirtschaftlich ein große Chance darstellen, da es sich in Europa um alternde Gesellschaften handle. Es gebe Jobchancen für Flüchtlinge, etwa als Facharbeiter und in Dienstleistungsberufen, so Aiginger. Der WIFO-Chef warnte die Bundesregierung eindringlich davor, in der Flüchtlingsthematik nicht sofort aktiv zu werden. Wenn nichts passiere, könnte es zu einer Entsolidarisierung der österreichischen Gesellschaft kommen. Und gewisse politische Kräfte würden dann österreichische Arbeitslose gegen Flüchtlinge ausspielen.

FPÖ-Kritik an Hundstorfer

Angesichts der am Dienstag veröffentlichten Arbeitslosenzahlen vom August schwang die FPÖ auch bereits die Asylkeule - diesmal in Richtung Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Seit Jahren gebe es „eine starke Zuwanderung über die Asylschiene, und seit dem Ende der Übergangsfristen wird unser Land auch von Osteuropäern mehr oder weniger überrannt“, hieß es von FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl in einer Aussendung.

Die FPÖ kritisierte, dass Hundstorfer eine sektorale Schließung des österreichischen Arbeitsmarktes für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger ablehne. „Jetzt fehlt nur noch, dass Hundstorfer als eine Art Abschiedsgeschenk zusätzlich Zehntausenden Asylwerbern in den nächsten Monaten eine Arbeitserlaubnis in Österreich beschafft - dann spielt’s aber Granada“, so in einer FPÖ-Aussendung.

Bisher sprach sich Hundstorfer freilich immer gegen eine Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber aus, wie sie etwa in Deutschland bereits teilweise durchgeführt wurde. Der Sozialminister argumentierte dabei auch mit Zahlen des WIFO. Noch Anfang Juli hatte das Institut in einer Studie prognostiziert, dass eine Erleichterung des Arbeitsmarktzuganges für Asylwerber zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen würde.

Wirtschaftlicher Beitrag durch Arbeitsmarktzugang

Dass Flüchtlinge - also Menschen mit einem positiven Asylbescheid - schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten, ist unter Experten kaum umstritten. „Wir brauchen Integration von Anfang an“, sagte etwa der Demograf Rainer Münz im Rahmen einer vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) geleiteten Arbeitsgruppe beim Forum Alpbach.

Dazu gehöre auch, die Potenziale von Migranten und Flüchtlingen anzuerkennen. „Wenn das gelingt und wir Menschen den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erleichtern, dann können jene, die neu zu uns kommen, bald einen wirtschaftlichen Beitrag leisten. Das fördert auch ihre gesellschaftliche Integration“, so der Immigrationsexperte.

Kurz arbeitet an „Anerkennungsgesetz“

Auch Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete in Alpbach die „einfache und rasche Anerkennung“ von Bildungsabschlüssen und Berufsausbildungen als wichtigen Schritt für die Integration. Deshalb werde zurzeit intensiv an einem „Anerkennungsgesetz“ gearbeitet. „Menschen kommen mit vielfältigen Qualifikationen nach Österreich. Die einfache und rasche Anerkennung ihrer Bildungsabschlüsse und Berufsausbildungen ist ein wichtiger Schritt für ihre Integration und unser erfolgreiches Zusammenleben, weshalb wir derzeit intensiv an einem Anerkennungsgesetz arbeiten.“

Projekte, die Flüchtlingen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt helfen sollen, sind bisher in Österreich allerdings noch Mangelware. Beim Arbeitsmarktservice Wien (AMS) Wien startete vergangene Woche ein Pilotprojekt zur Integration anerkannter Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt für vorerst 1.000 Menschen. Das Angebot werde sehr gut angenommen, hieß es vom AMS Wien.

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