Konkurrenzkampf der Abkommen
Die beiden Abkürzungen TTIP (Transatlantisches Freihandelsabkommen) und TPP (Transpazifisches Freihandelsabkommen) lassen sich leicht verwechseln. Hinter den ähnlich klingenden Namen verbergen sich aber zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die beiden Wirtschaftsabkommen befinden sich im Konkurrenzkampf – auch um die Gunst der USA – um die Vorherrschaft in der internationalen Wirtschaftsordnung. Während das umstrittene TTIP den Freihandel und Investitionsschutz zwischen der EU und den USA regeln soll, handelt es sich beim nicht weniger umstrittenen TTP um ein umfassendes Freihandelsabkommen, an dessen Verhandlungen die beiden Schwergewichte USA und Japan und weitere zehn Länder aus dem asiatisch-pazifischen Raum beteiligt sind.
EU-Exporte könnten schwieriger werden
„Das Abkommen, das die höchsten negativen Effekte für die EU haben dürfte, ist die Transpacific Partnership (TPP)“, so der Experte Axel Berger vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) im Gespräch mit ORF.at. Dadurch, dass die USA, Japan und andere Länder die Zollschranken untereinander senkten, förderten sie den intraregionalen Handel. Das bedeute aber, dass es Exporteure von außen, also auch Länder der EU, deutlich schwieriger hätten, mit diesen Ländern zukünftig Handel zu betreiben, so Berger weiter.
„Umfassende Änderungen“ in Welthandelsordnung
Bei TPP würden aber nicht nur Zölle abgebaut, sondern auch Standards und Regeln angeglichen, so Hanns Günther Hilpert, Asienexperte, in einem Bericht der Deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Vertrag greife tief in die wirtschaftspolitische Souveränität der potenziellen Signatarstaaten ein. Das Abkommen regle die Bereiche Investitions- und Niederlassungsrecht, Wettbewerb, Dienstleistungen und geistige Eigentumsrechte. Das könne Auswirkungen auf die künftige Entwicklung von überregionalen Wirtschaftsstandards haben, so Hilpert.
„Da die WTO (Welthandelsorganisation, Anm.) die internationalen Handelsregeln in diesen Bereichen multilateral – also die Regeln mehrerer Staaten betreffend – nicht weiterentwickelt, wären die Abkommen im Falle eines Abschlusses auch ordnungspolitisch richtungsweisend. Sie würden die Ausgestaltung der künftigen Welthandelsordnung maßgeblich prägen“, schreibt Hilpert.
Problemkind WTO
Für die WTO werde es immer schwieriger, zu einer Einigung zu kommen. Ihre Mitgliedschaft ist auf 160 Länder angewachsen, und einige Schwellenländer wie Brasilien, Indien und China sind wirtschaftlich stark gewachsen. „Gegen den Widerstand dieser Länder bei Verhandlungen lässt sich nichts mehr durchsetzen“, erklärt Berger, „daher sollte die WTO einige althergebrachte Verhandlungsmodi überdenken. Bisher mussten immer alle Länder einer Einigung zustimmen, dieses Prinzip könnte aufgeweicht werden.“
Einzelne Länder sollten die Möglichkeit haben, voranzugehen und in bestimmten Bereichen Abkommen zu schließen, so Berger. „Solche plurilateralen - also verschiedene Abkommensabschlüsse einzelner Länder untereinander - Verhandlungen gibt es bereits in den Bereichen Umweltgüter, Dienstleistungen und öffentliche Beschaffungswesen. Wichtig wäre es aber, diese plurilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO zu erleichtern.“
Alte Partner
Noch ist die EU handelspolitisch nach wie vor der wichtigste Partner der USA. Der Handel zwischen den beiden Staatengemeinschaften entspricht etwa 40 Prozent des globalen Handelsvolumens. Die Vereinigten Staaten sind das wichtigste Exportland der EU noch vor der Schweiz. Auch für die USA ist die EU wichtigster Handelspartner, vor Kanada und China.
Die EU wirbt für TTIP mit dem Argument, das Abkommen könnte in der EU wie ein Konjunkturpaket wirken und einen Wachstumsschub von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erbringen. Ebenso würden die Kosten der transatlantischen Geschäftsbeziehungen gesenkt werden – EU-Berechnungen zufolge könnte allein diese Tatsache für die EU und die USA Zuwächse in Milliardenhöhe bringen.
„Gewinn würde gerade einmal Verlust ausgleichen“
Befürworter und Kritiker von TTIP überschlagen sich mit unterschiedlichen Berechnungen zu den Wachstumsprognosen für die EU, wenn TTIP kommt. Neben TTIP müsse man bei den Berechnungen aber auch das TTP berücksichtigen, sagt Berger. „Berechnungen zeigen, dass die Zugewinne für die EU durch TTIP gerade einmal die Verluste durch TPP ausgleichen würden. Diese Verluste sind teilweise Folge von Handelsumlenkungseffekten, die auftreten, wenn eine Gruppe von Ländern Zollschranken untereinander senken und hiermit den intraregionalen Handel fördern.“
Es wird für die EU immer schwieriger werden, einen Fuß in die Tür am wirtschaftlich dynamischen asiatischen Raum zu bekommen. Deswegen hat kürzlich auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ auf ein rasches Vorankommen der TTIP-Verhandlungen gepocht. „Mir ist es wichtig, dass der transatlantische Freihandel mit dem pazifischen Schritt hält“, sagte Merkel im Interview. Das Transatlantische Abkommen solle noch in der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama verabschiedet werden, so Merkel.
Verhandlungskarussell dreht sich munter
Merkel weiß, worum es geht: Neben dem Transpazifischen Freihandelsabkommen gibt es noch ein weiteres Freihandelsschwergewicht: Das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP). Es umfasst auch die zehn ASEAN-Mitglieder, eine internationale Organisation ostasiatischer Staaten, also auch die Länder Südkorea, Australien, China, Indien, Japan und Neuseeland. Das Abkommen würde rund 40 Prozent des Welthandels umfassen.
Und es ist sozusagen das Pendant zu TTIP und auch ein Konkurrenzspiel zwischen den USA und China. Die USA wollen mit dem TTP-Abkommen Chinas wirtschaftlichen Einfluss in Asien begrenzen, aber auch hohe Standards beim wirtschaftlichen Abkommen sicherstellen, wie auch das Magazin „The European“ analysiert.
China hingegen hat sich mit den RCEP-Verhandlungen bereits positioniert und sich seine Stellung im multilateralen Verhandlungskarussell gesichert. China führt auch gleichzeitig Gespräche mit Japan und Korea über ein trilaterales Abkommen. So kommt es, dass zum Beispiel Japan gleichzeitig mit den USA, aber auch mit China über unterschiedliche Abkommen verhandelt. Die EU könnte im hochdynamischen asiatischen Raum in Zukunft höchstens durch Tochterfirmen als Player mitmischen.
Taktgeber Asien
Und Asien könnte bald tonangebend werden: Bei 81 der 263 bilateralen Freihandelsabkommen, die aktuell bei der Welthandelsorganisation notifiziert sind, ist mindestens ein asiatisch-pazifisches Land Vertragspartner, wie es in dem Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik heißt. Ändern sich dadurch auch soziale und Umweltstandards?
Davon ist so eher nicht auszugehen, erklärt Berger: „Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien haben tatsächlich in der Vergangenheit versucht, die Integration von Umwelt- und Arbeitsstandards zu verhindern.“ Diese Regelungen sind in den Freihandelsabkommen, die diese Länder mit anderen Entwicklungsländern abgeschlossen haben, schwächer ausgeprägt. China habe aber erkannt, dass es die umwelt- und sozialpolitische Performanz seiner Unternehmen im Ausland verbessern muss, und daher entsprechende Gesetze auf den Weg gebracht. Auch das Interesse der USA, die hohen Standards mit TTP und TTIP aufrechtzuerhalten, dürfte eine Senkung der Regelungen eher nicht fördern.
EU im Abseits
Fasst man alle asiatischen Abkommen zusammen, so ergibt sich einer der dynamischsten Wirtschaftsräume der Zukunft. Die multilateralen Abkommen im asiatischen Raum wurden schon 2010 von den pazifischen Staats- und Regierungschefs auf ihrem APEC-Treffen als Vorstufen auf dem Weg zu einem asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommen (Free Trade Area of the Asia-Pacific, FTAAP) offiziell anerkannt, wie Hilpert im Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt.
Was lässt sich dem vonseiten der EU noch entgegensetzen? In Zukunft werde es für die EU nicht gerade leichter werden, mit diesen Ländern Handel zu betreiben, wie Berger erklärt. Er sieht multilaterale Abkommen als einzige Chance für die EU, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. „Am Ende sollte der TTIP-Text eine Klausel enthalten, die es Drittländern ermöglicht, dem Abkommen beizutreten. Es geht um die Regionalisierung der Handelspolitik der EU. Am Ende macht es doch keinen Sinn, dass die EU ähnliche Abkommen individuell mit Kanada, den USA und Mexiko abschließt. Diese nordamerikanischen Länder sind so eng miteinander verwoben, dass die EU sich für einen regionalen Ansatz einsetzen sollte.“
Manuela Tomic, ORF.at
Links: