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Sprengstoffexperten im Einsatz

Zu 99 Prozent: So sicher ist sich der polnische Vizekulturminister Piotr Zuchowski, dass in einem Stollensystem nahe der Stadt Walbrzych (Waldenburg) tatsächlich ein Zug aus der Nazi-Zeit versteckt liegt. Gänzlich sicher können sich die Behörden aber erst sein, wenn die offiziellen Grabungen Erfolg haben.

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Zuchowskis Überzeugung beruht zurzeit auf Georadarfotos, die einen über hundert Meter langen und unter der Erde vergrabenen Zug zeigen sollen. Auf den Fotos soll auch erkennbar sein, dass der Zug gepanzert und mit Aufbauten versehen sei. „Die Tatsache, dass es ein gepanzerter Zug ist, legt nahe, dass es in seinem Inneren Objekte von Wert geben kann", schloss Zuchowski deshalb am Freitag. In dem Zug könnten „Kostbarkeiten, Kunstwerke, sogar Archive sein, von deren Existenz wir wussten, ohne dass sie gefunden wurden“.

Entdeckt worden sei der Nazi-Zug nun, weil eine Person „auf dem Sterbebett“ Informationen zum Versteck des Zuges weitergegeben und dazu eine Skizze angefertigt habe, so Zuchowski. Seiner Ansicht nach hatte seit dem Zweiten Weltkrieg „niemand Zugang“ zu dem Zug. Somit auch nicht jene beiden Schatzsucher, die den Fund Mitte August bekanntgaben. Die beiden Männer - ein Pole und ein Deutscher - ließen über ihren Anwalt ausrichten, stichhaltige Beweise für die Existenz des Zuges zu haben. Den genauen Fundort wollten die Schatzsucher aber erst bekanntgeben, wenn ihnen von der polnischen Regierung zehn Prozent Finderlohn zugesichert worden sei.

Genauer Ort geheim

Das ist mittlerweile offensichtlich geschehen. Den beiden Findern des Zuges stünden zehn Prozent Finderlohn zu, erklärte der Vizekulturminister. Laut Zuchowski würden nun Spezialisten damit beginnen, sich zu dem unterirdischen Zug vorzuarbeiten. Das lokale Fernsehen zeigte Bilder, auf denen Grabungswerkzeug zu sehen war. Der genaue Ort der Grabungen ließ sich aus diesen Bildern aber nicht erschließen. Das liegt ganz im Sinne der polnischen Behörden, die sich in einem Wettlauf mit privaten Schatzsuchern befinden.

Unterirdisches Stollensystem in Polen

Przykuta unter cc by-sa

Zahlreiche Stollen durchziehen den Untergrund nahe Walbrzych

Das Gebiet nahe der tschechischen Grenze übt bereits seit Jahrzehnten eine starke Anziehungskraft auf Schatzsucher aus. Dort gibt es eine Reihe unterirdischer Stollen, die die Nazis unter dem Codenamen „Riese“ hatten bauen lassen. Geschützt vor Luftangriffen der Alliierten sollten dort ursprünglich Waffen produziert werden. In der Gegend sollen aber am Ende des Zweiten Weltkriegs auch zwei Sonderzüge der Nazis verschwunden sein. Seit Kriegsende halten sich Gerüchte, sie seien mit Gold und Schmuck beladen gewesen.

Warnung vor „gefährlichen Gegenständen“

Die Meldung des angeblichen Sensationsfundes Mitte August gab privaten Glücksrittern neuen Antrieb. Laut Zuchowski seien seither zahlreiche „Sammler“ in der Gegend aktiv geworden. Laut der Nachrichtenagentur AFP waren am Freitag Dutzende Neugierige entlang der Gleise bei Walbrzych unterwegs. Im Rundfunksender „Radio Wroclaw“ erklärte ein Lokalhistoriker am Donnerstag, er habe gesehen, „dass am Wochenende Leute aus ganz Polen gegraben haben“.

Der Vizekulturminister und zugleich oberste Denkmalschützer Polens, appellierte an die privaten Schatzsucher, sich zurückhalten. Sie würden riskieren, sich selbst zu verletzten, so Zuchowski. „Das ist ein Aufruf, alle weiteren Untersuchungen einzustellen, bis wir die nötigen offiziellen Arbeiten zur Sicherung der Stätte beendet haben“, erklärte der Minister. Noch sei nicht nur offen, was sich in dem Zug befindet. Es sei auch nicht geklärt, ob er vermint sei oder „gefährliche Gegenstände“ an Bord habe. Die Behörden würden nun Spezialisten einsetzen, darunter auch Sprengstoffexperten der Armee.

Frage der ursprünglichen Besitzer

Was diese tatsächlich im Inneren des Zugs finden werden, musste auch Zuchowski offen lassen. Er hob hervor, es gebe bisher keine „überprüfbaren“ Informationen zur Ladung des Zuges. Die Geschichtsexpertin Joanna Lamparska hatte zuvor der Nachrichtenagentur AFP gesagt, dass die zwei Entdecker des Zuges bei den polnischen Behörden angegeben hätten, in dem Zug befänden sich „Edelmetalle, Wertgegenstände und Industriematerialien“.

Sollten tatsächlich Wertgegenstände gefunden werden, wird zu klären sein, wem diese tatsächlich gehören. Der jüdische Weltkongress (WJC) hielt bereits fest, dass Gold oder andere wertvolle Gegenstände an Bord des Zugs ursprünglich polnischen Juden gehört haben könnten. „In Anbetracht der Tatsache, dass alle Gegenstände, die nun in Polen entdeckt werden, Juden gestohlen worden sein könnten, bevor sie in Todes-, Konzentrations- oder Arbeitslager geschickt wurden, müssen alle Maßnahmen unternommen werden, sie ihren rechtmäßigen Besitzern oder deren Erben zurückzugeben“, so WJC-Präsident Robert Singer.

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