„Ich wollte immer frei sein“
Ingrid Bergman wäre am Samstag 100 Jahre alt geworden. Die schwedische Schauspielerin, dreifache Oscar-Preisträgerin und vierfache Mutter war in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Gesellschaftliche Konventionen waren ihr gleichgültig. Dafür wurde sie gleichermaßen gefeiert und verschmäht.
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Bergman kam am 29. August 1915 in Stockholm auf die Welt. Ihre Mutter starb nur drei Jahre später, als Dreizehnjährige verlor sie auch ihren Vater und lebte von nun an bei ihrem Onkel. 1937 heiratete sie Petter Aron Lindström, einen Zahnarzt. Ein Jahr danach wurde die gemeinsame Tochter Pia Friedal geboren. 1949 verliebte sich Bergman in den Regisseur Roberto Rossellini, mit dem sie in Rom den Film „Stromboli“ drehte. Daraufhin verließ sie Lindström, wurde schwanger und heiratete kurz darauf Rossellini, der ebenfalls davor schon verheiratet war.

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Archivbild aus dem Jahr 1953: Ingrid Bergman und Ehemann Roberto Rossellini gemeinsam mit den Kindern Robertino, Renzo (aus Rossellinis erster Ehe), Isabella und Isotta Ingrid
In den sieben Ehejahren bekamen Rossellini und Bergman drei Kinder: Sohn Roberto Ingmar wurde 1950 geboren, die Zwillinge Isotta Ingrid Frieda Giuliana und Isabella Fiorella Elettra Giovanna zwei Jahre später. 1957 wurde die Ehe geschieden. Grund war Rossellinis Beziehung zu einer anderen Frau. 1958 heiratete Bergman den Produzenten Lars Schmidt. Auch diese Ehe wurde zwölf Jahre später wieder geschieden.
„Ich war ja nicht eine gute Mutter“
Bergman sagte einmal: „Wurzeln interessieren mich nicht. Ich wollte immer frei sein.“ Diesem Wunsch blieb sie treu, aber natürlich stieß ihr Lebensstil und insbesondere die Trennung von ihrem ersten Ehemann, bei dem sie ihr Kind zurückließ, auf hasserfüllte Ablehnung. Ganz besonders in den USA, wo zum Boykott ihrer Filme aufgerufen und die Ehe mit Rossellini sogar im US-Kongress angeprangert wurde. Auf der anderen Seite wurde sie für den Mut und die Willensstärke, genau so zu leben, wie sie es wollte, verehrt und gefeiert.
Sie wurde zu einem Symbol der „freien Liebe“ und brach ganz bewusst mit Konventionen, indem sie ihre Familie, Männer und Kinder ihrem Leben und ihrer Karriere unterordnete. „Ich war ja nicht eine gute Mutter, aber ich habe vier wunderbare Kinder, die mich jetzt lieben und verstehen. Sie versuchen zu verstehen“, sagte die frühe Feministin in einem Interview. Affären mit Männern wie dem Fotografen Robert Capa und dem Schauspieler Gary Cooper taten das Ihre, den Ruf Bergmans als Femme fatale zu festigen.
Image- und Lebenswandel
Zu Beginn ihrer Karriere war ihr Image ein anderes: Hollywood liebte „die blonde Unschuld“, Bergmans natürliche Schönheit und speziell die Figur der treuen und fürsorglichen Ehefrau und Mutter. Die rund 50 Filmprojekte, in denen Bergman mitspielte, sprechen für sich. Sie stellte ganz unterschiedliche Frauenrollen dar, verwandelte sich stets ganz und gar in die jeweilige Figur. Bereits in den 30er Jahren feierte sie erste Erfolge, ihr Durchbruch folgte 1936 mit Gustaf Molanders „Intermezzo“.

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Humphrey Bogart musste Plateauschuhe tragen, um so groß wie Bergman zu sein
1942 spielte sie an der Seite von Humphrey Bogart in Michael Curtiz’ „Casablanca“. 1948 begeisterte Bergman das Publikum mit ihrer Darstellung der Johanna von Orleans. Zu diesem Zeitpunkt war sie eine der bestbezahlten Schauspielerinnen in Hollywood. Neben vielen anderen Auszeichnungen wurde Bergman zudem dreimal mit dem Oscar ausgezeichnet: als beste Nebendarstellerin in „Mord im Orient-Expreß“ und als beste Hauptdarstellerin in „Das Haus der Lady Alquist“ sowie in „Anastasia“. Mit „Anastasia“ 1956 konnte sie sich schließlich auch wieder ihr Publikum in den USA zurückerobern.
Von Hollywood zum Neorealismus
Obgleich sie große Erfolge in Hollywood feierte, faszinierte sie bereits Ende der 40er Jahre der italienische Neorealismus. Die ungeschminkte Wirklichkeit dieser Filme, das Aufzeigen von Armut, Leid und Unterdrückung waren es, was Bergman so spannend fand.
Sie schrieb in einem Brief an Rosellini: „Werter Herr Rossellini! Ich sah Ihre Filme ‚Offene Stadt‘ und ‚Paisa‘ und erfreute mich sehr daran. Wenn Sie eine schwedische Schauspielerin brauchen, die sehr gut Englisch spricht, ihr Deutsch nicht vergessen hat, deren Französisch nicht sonderlich verständlich ist und die im Italienischen nur ‚ti amo‘ kennt, so bin ich bereit, zu kommen und einen Film mit Ihnen zu drehen.“ Sie spielte daraufhin in fünf seiner Filme mit: „Stromboli“, „Europa 51“, „Reise in Italien“, „Wir Frauen“ und „Angst“.
Legendärer Clinch mit Ingmar Bergman
Diese Filme blieben kommerziell erfolglos, das ohnedies schwierige Zusammenleben mit Rossellini wurde dadurch nicht einfacher, sodass sie schon bald wieder amerikanische Filmangebote annahm. Wieder stellte sie sich neugierig und mutig Herausforderungen und ging ihren eigenen Weg. Bergman konnte mit ihrer eigenwilligen Interpretation der Figuren, die sie darstellte, Regisseure in den Wahnsinn treiben. Legendär - und für eine Dokumentation aufgezeichnet - sind ihre Debatten mit Ingmar Bergman bei den Dreharbeiten zum Film „Herbstsonate“ (1978).
1974 wurde Bergman mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Die Behandlungen hatten zwar Erfolg, zehn Jahre später brach die Krankheit jedoch erneut aus. 1982 drehte Bergman, bereits von ihrer Krankheit schwer gezeichnet, noch den Film „Eine Frau namens Golda“, in dem sie die ehemalige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir spielte. An ihrem 67. Geburtstag schließlich erlag Bergman ihrem Krebsleiden.
Lena Eich, ORF.at
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