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„Faire Verteilung“ gefordert

„Wir sind keine Verfechter von Grenzzäunen. Wir glauben auch nicht, dass Grenzzäune am Ende das Thema Migration lösen werden.“ Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag zum Auftakt der zweiten Westbalkan-Konferenz in Wien deutlich gemacht, dass mit Maßnahmen wie Grenzzäune keine Lösung in der laufenden Flüchtlingskrise zu erwarten sei.

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Vielmehr forderte Steinmeier erneut eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union. Alle EU-Mitgliedsstaaten müssten bei der Problembewältigung ihre Hausaufgaben erfüllen, so Steinmeier weiter: Ohne eine „faire Verteilung“ der Flüchtlinge setze Europa die Akzeptanz der Bevölkerung in den Ländern, die derzeit den Großteil der Flüchtlinge aufnähmen, aufs Spiel. EU-Kommissar Johannes Hahn kündigte in diesem Zusammenhang einen neuen Vorstoß für ein Verteilsystem von Bürgerkriegsflüchtlingen auf die EU-Länder an.

Außer einer gerechten Verteilung seien laut Steinmeier aber auch vergleichbare Standards bei der Unterbringung nötig. Es müssten „menschenwürdige Standards“ eingehalten werden, mahnte der deutsche Außenminister. Dazu gehöre auch eine finanzielle Unterstützung betroffener Länder. So sollte etwa Serbien und Mazedonien von der EU finanziell stärker unter die Arme gegriffen werden. Genannt wurde von Steinmeier in diesem Zusammenhang die Summe von einer Million Euro. Steinmeier zufolge müssten aber auch Anreize geschaffen werden, damit die Migranten in ihrer Heimat bleiben wollten.

Kurz gegen Alleingänge

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte mit Blick auf den umstrittenen ungarischen Grenzzaun, dass einzelne staatliche Maßnahmen nicht hilfreich seien - vielmehr brauche es eine gemeinsame Antwort der EU. Die Wiener Konferenz solle nun dazu genutzt werden, einen stärkeren europäischen Ansatz in der Flüchtlingspolitik einzufordern. Das beginne schon in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, gehe über die Grenzsicherung bis zur Verteilung der Flüchtlinge. „Wenn es uns nicht gelingt, eine europäische Antwort zu geben, werden immer mehr Staaten versuchen, diese Krise alleine zu lösen.“ So wie Steinmeier sprach sich auch Kurz für eine faire Verteilung der Flüchtlinge aus.

Konferenzsaal

APA/Außenministerium/Dragan Tatic

Das Außenministertreffen fand im Rahmen der Westbalkan-Konferenz statt

Kurz bezeichnete es mit Blick vor allem auf Griechenland zudem als „beschämend“, dass aus einem EU-Staat Flüchtlinge in benachbarte Nicht-EU-Staaten weitergeschoben würden. Kurz warf Griechenland vor, das sogar noch zu beschleunigen, weil mit staatlicher Förderung die Fähren die etwa auf den griechischen Inseln aus der Türkei ankommenden Flüchtlinge extra an Häfen an der mazedonischen Grenze brächten.

Deutliche Worte aus Serbien und Montenegro

Mit deutlichen Worten forderten schließlich auch die Außenminister von Serbien und Mazedonien die EU zum Handeln in der andauernden Flüchtlingskrise auf. Die Transitländer seien mit der „größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert“, sagte der serbische Außenminister Ivica Dacic. Von den Transitländern werde ein „Aktionsplan erwartet“, sagte er. Das sei aber ein „Problem der Europäischen Union“, daher müsse zuerst die EU einen Plan vorlegen.

Außenminister Kurz, der deutsche Außenminister Steinmeier, der mazedonische Außenminister Poposki, EU-Erweiterungskommissar Hahn und der serbische Außenminister Dacic

APA/Dragan Tatic

Kurz, Steinmeier, Poposki, Hahn und Dacic im Gespräch in der Wiener Hofburg

Der mazedonische Außenminister Nikola Poposki äußerte sich ähnlich. „Wir werden diese Aufgabe nicht mit den 90.000 Euro schaffen, die wir erhalten haben“, sagte er. Auch mit der zugesagten Million Euro werde es wohl nicht zu schaffen sein, den Ansturm zu bewältigen. „Solange es keine europäische Antwort auf das Problem gibt, sollte sich niemand die Illusion machen, dass das gelöst wird.“ Er hoffe daher auf ein Ergebnis der Konferenz in Wien.

„Sie werden diesen Zaun durchbrechen“

Außer Frage stellte Mazedoniens Vizeregierungschef Vladimir Peshevski bereits im Vorfeld „dass ein Zaun an einer einzelnen Grenze (...) das Flüchtlingsproblem nicht lösen wird“. „Schließlich und endlich werden die Flüchtlinge eine alternative Route nehmen, oder sie werden diesen Zaun durchbrechen“, prognostizierte Peshevski. „Sie werden sich nicht durch einen Zaun stoppen lassen.“ „Wir werden niemals irgendwelche Zäune oder Mauern errichten“, sagte bereits am Mittwoch zudem der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic, der den ungarischen Grenzzaun ebenfalls scharf kritisierte.

Serbien liegt wie Mazedonien liegt auf der Strecke, die täglich Tausende Flüchtlinge aus der Nahost-Region von Griechenland nehmen, um weiter über Ungarn in Zielländer wie Deutschland und Österreich zu kommen. Noch können laut Peshevksi die mazedonischen Behörden - die Polizei, die per Ausrufung des Ausnahmezustands an den Grenzen auf den Plan gerufene Armee und die Sozialämter - gerade noch die hohe Zahl an Flüchtlingen, die das kleine Balkan-Land durchqueren, bewältigen. Jedoch steige deren Zahl täglich und wohl durch den ungarischen Grenzzaun noch zusätzlich, warnte der Vizeregierungschef: „Der Druck, der auf Mazedonien lastet, wächst.“

48.000 Flüchtlinge seit Juni in Mazedonien

In Mazedonien sind seit 19. Juni knapp 48.000 Flüchtlinge, darunter rund 7.400 Kinder, angekommen. Das berichteten mazedonische Medien unter Berufung auf offizielle Angaben am Donnerstag. Ein Großteil der Asylsuchenden - rund 39.000 - kommt aus Syrien. Wie das mazedonische Innenministerium mitteilte, passierten von Mittwochfrüh bis Donnerstagfrüh 1.288 Flüchtlinge die griechisch-mazedonische Grenze. Durch eine Gesetzesänderung am 19. Juni erhalten Schutzsuchende im Zuge der Registrierung bei den Behörden das Recht, sich drei Tage lang im Lande legal aufzuhalten. Die Mehrheit setzt die Reise sofort zur mazedonisch-serbischen Grenze fort.

Von Serbien führt die Route schließlich nach Ungarn, wobei an der serbisch-ungarischen Grenze seit Tagen neue Rekordzahlen an Flüchtlingen registriert werden. Nach rund 2.000 Flüchtlingen am Montag und 2.500 am Dienstag überschritten am Mittwoch 3.241 Menschen die Grenze von Serbien nach Ungarn. Polizeiangaben zufolge sei das die bisher höchste Zahl an einem Tag.

Die meisten Flüchtlinge überschritten die Grenze nahe Röszke. Der Grenzabschnitt nahe der südungarischen Ortschaft ist der letzte, der noch nicht vollständig blockiert ist. Der Grenzzaun, den die Regierung derzeit errichten lässt, soll am Montag zumindest provisorisch geschlossen und dann bis November mit einem 3,5 Meter hohen Maschendrahtzaun zusätzlich abgesichert werden.

Grenzzaun in Ungarn

Reuters/Laszlo Balogh

Der umstrittene Grenzzaun an Ungarns Grenze zu Serbien

Der ungarische Minister für Humanressourcen, Zoltan Balog, verteidigte den Bau des Grenzzauns. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen habe man sich gezwungen gesehen, eine „provisorische Sperre“ aufzubauen, erklärte Balog am Mittwoch in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Die Herausforderung Ungarns sei, dass in einem relativ kleinen Land viele Menschen illegal die Grenze überquerten, erklärte Balog unter Verweis auf die insgesamt bereits über 100.00 Flüchtlinge im Jahr 2015. Das EU-Land hätte dabei keinerlei Möglichkeit zu entscheiden, wen es aufnehmen könne und wolle.

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