Polizei geht von Brandstiftung aus
Im brandenburgischen Nauen in Deutschland westlich von Berlin ist eine geplante Notunterkunft für Flüchtlinge in Flammen aufgegangen. Das Feuer an der Sporthalle hatte sich bei seiner Entdeckung Dienstag am frühen Morgen bereits auf das gesamte Gebäude ausgebreitet, wie die Polizei in Potsdam mitteilte. Die Feuerwehr habe sich deshalb dazu entschlossen, die Halle kontrolliert abbrennen zu lassen.
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Verletzt wurde nach ersten Angaben niemand. Die Polizei ging nach den bisherigen Erkenntnissen von Brandstiftung aus. Ein technischer Defekt sei höchst unwahrscheinlich, hieß es. In Nauen hatte es in diesem Jahr mehrfach Demonstrationen gegen die geplante Aufnahme von Asylbewerbern gegeben. Der Landkreis hatte im Juli angekündigt, dass die Halle der vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen dienen soll.

APA/AP/Ferdinand Ostrop
Die Feuerwehr ließ die Halle ausbrennen
Bürgermeister: Rechtsextremistische Hetze
Der Bürgermeister von Nauen, Detlef Fleischmann (SPD), zeigte sich tief betroffen. „Wenn es Brandstifter sind, sind es für mich Verbrecher“, sagte er am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. In der Stadt gebe es immer wieder rechtsextremistische Hetze in den Sozialen Netzwerken. In den vergangenen Wochen sei es aber eher ruhig gewesen, nachdem zwei Täter nach mehreren Anschlägen auf Parteibüros der Linken und der SPD gefasst worden seien.
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Die Polizei ermittelt
Die Polizei geht bei dem Feuer in Nauen von Brandstiftung aus. Bereits zuvor war es laut dem Bürgermeister in Sozialen Medien zu rechtsextremistischer Hetze gekommen. (iptv.ORF.at)
In der Stadt gebe es aber auch Widerstand gegen Rechtsextremisten, betonte Bürgermeister Fleischmann. Erst in der vergangenen Woche hätten sich mehrere Verbände zusammengeschlossen, um gegen Fremdenfeindlichkeit vorzugehen.
Brand in Weissach
Erst vergangene Nacht hatte ein Feuer eine geplante Unterkunft für Asylbewerber in Deutschland im baden-württembergischen Weissach im Tal zerstört. Die Beamten richteten eine spezielle Ermittlungsgruppe ein, auch Staatsschutzbeamte sollten wegen der Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Anschlags eingebunden werden. Das ältere leerstehende Gebäude sollte den Angaben zufolge saniert werden, um als Unterkunft für Flüchtlinge zu dienen. Das hatte der Gemeinderat von Weissach im Tal vor einigen Wochen beschlossen. Die Arbeiten hätten allerdings noch nicht begonnen. Die Ermittler erklärten weiter, dass das Haus an das Stromnetz angeschlossen gewesen sei, weshalb auch ein technischer Defekt als Ursache denkbar sei.
Merkel besucht Heidenau
In Deutschland hatte es in den vergangenen Monaten schon diverse Brandanschläge auf neue Flüchtlingsunterkünfte gegeben, bevor Bewohner dort einzogen. Vor einer Notunterkunft für Flüchtlinge im sächsischen Heidenau ist es am Wochenende gleich mehrmals zu schweren Krawallen gekommen, nachdem zunächst rechte Demonstranten gegen die Flüchtlingsunterkunft auf die Straße gingen. Polizisten wurden mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen, es gab Dutzende Verletzte.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am Mittwoch die Flüchtlingsunterkunft in Heidenau besuchen. Dort werde die Kanzlerin Gespräche mit Flüchtlingen, haupt- wie ehrenamtlichen Helfern und Sicherheitskräften führen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag in Berlin mit.
Scharfe Worte von Merkel und Gabriel
Merkel hatte am Montag mit scharfen Worten auf die zunehmende rechte Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte reagiert. Deutliche Worte fand bei einem Besuch im sächsischen Heidenau und damit dem Schauplatz der fremdenfeindlichen Ausschreitungen vom Wochenende auch Vizekanzler Siegmar Gabriel (SPD).
„Jedem, der so handelt, treten wir mit der gesamten Härte des Rechtstaates entgegen“, hatte bereits zuvor zudem Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) gesagt, der nach den Vorfällen von Heidenau proklamierte: „Null Toleranz gegenüber Rassismus.“ Am Montag reagierte schließlich auch Merkel - zunächst über ihren Sprecher Steffen Seibert - auf die jüngste Gewalteskalation: „Die Bundeskanzlerin und die gesamten Bundesregierung verurteilen die gewaltsamen Ausschreitungen und die aggressive fremdenfeindliche Stimmung auf das Schärfste.“ Am Abend sprach Merkel unmittelbar vor einem Treffen mit Frankreichs Präsident Francois Hollande in Berlin von erschreckenden Bildern. Sie verurteile die gewalttätigen Ausschreitungen „aufs Schärfste“.
Kritik an Merkels Schweigen
Zuvor war Merkel ob ihres Schweigens von der Opposition, aber auch vom Regierungspartner SPD zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Auch im Internet wurde die bisherige Vorgangsweise der deutschen Kanzlerin in der laufenden Flüchtlingsdebatte etwa auf Twitter mit #Merkelschweigt zuletzt zunehmend kritisiert.
Die wiederholten Ausschreitungen und die nach wie vor angespannte Lage in Heidenau bezeichnete Merkel nun als „beschämend“. Es sei „abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, ihre dumpfen Hassbotschaften zu verbreiten. Wer so handelt wie die Gewalttäter von Heidenau, stellt sich weit außerhalb unserer Rechtsordnung.“ Beschämend sei es laut Merkel aber auch, wie Bürger und sogar Familien mit Kindern durch ihre Teilnahme an den fremdenfeindlichen Demonstrationen „diesen Spuk unterstützen“.
Deutschland sei ein Land der Mitmenschlichkeit und lasse nicht zu, dass Flüchtlinge „hier von hasserfüllten Parolen oder von alkoholisierten Schreihälsen empfangen werden“. Unabhängig davon, ob der Einzelne Asylgründe habe, habe jeder das Recht, „würdig und respektvoll“ behandelt zu werden.
„Euch wollen wir hier nicht“
Deutliche Worte fand am Montag auch Vizekanzler Gabriel bei einem Besuch in der ungeachtet der Proteste doch eröffneten Flüchtlingsunterkunft in Heidenau. Gabriel forderte ein entschlossenes Vorgehen gegen rechtsextreme Gewalttäter: „Man darf den Typen, die sich da rumtreiben, keinen Millimeter Raum geben.“ Auf fremdenfeindliche Ausschreitungen könne es Gabriel zufolge „nur eine Antwort geben: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir erwischen, auch das Gefängnis“.

Reuters/Matthias Rietschel
Gabriel besuchte am Montag das Flüchtlingsheim in Heidenau
„Euch wollen wir hier nicht“, so Gabriel laut „Welt“ weiter: „Pack, würde man zu Hause sagen“, so der SPD-Chef: „Das sind Leute, die haben mit Deutschland nichts zu tun.“ Es müsse „auch den Aufstand der Zuständigen geben“. Zudem müsse sich „die Mitte der Gesellschaft dagegenstellen, dann kriegen wir das in den Griff“, so Gabriel weiter, der gleichzeitig die Bevölkerung zu mehr sozialer Verantwortung aufrief. Auch die Bevölkerung dürfe „nicht wegschauen, wenn solche Typen rumrennen“.
Gabriel räumte in Heidenau ein, dass die große Zahl der Flüchtlinge in Deutschland auch Verunsicherung hervorrufe: „Viele Menschen haben Sorgen, dass sich ihr Leben durch die Flüchtlinge verändert.“ Deutschland müsse die Zugezogenen integrieren, habe aber auch „eine Integrationsaufgabe gegenüber der eigenen Bevölkerung“ - etwa beim Wohnungsbau, der nicht nur den Flüchtlingen zugutekommen solle, sondern allen.
Verstärkte Polizeipräsenz
Als Folge der rechten Randale hatte die Polizei am Sonntagabend einen Kontrollbereich rund um die Asylunterkunft in Heidenau eingerichtet, der unter anderem Platzverweise ermöglicht. In der Nacht auf Montag blieb die Situation nach Angaben eines Polizeisprechers deutlich ruhiger. Dennoch kam es zu Auseinandersetzungen unter anderem zwischen linksgerichteten Demonstranten und der Polizei.
Die sächsische Polizei richtete sich zudem auf einen weiteren nächtlichen Einsatz vor der Flüchtlingsunterkunft ein. Zu Art und Umfang wollte sich ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden am Montag aber nicht äußern. „Sie können aber sicher sein, dass wir nach den Geschehnissen der letzten Tage nicht abziehen.“
Zentralrat der Juden fordert NPD-Verbot
Unterdessen hat der Zentralrat der Juden in Deutschland vor dem Hintergrund fremdenfeindlicher Ausschreitungen in Sachsen seine Forderung nach einem Verbot der rechtsextremen NPD bekräftigt. Rechtsradikale Organisationen, „insbesondere die NPD, zeigen bei den Protesten in Sachsen ihr wahres Gesicht“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe).
Ein Verbot werde deshalb „umso dringender“. Es sei „erschreckend, mit welchem Hass und welcher Aggression gegen Menschen polarisiert wird, denen kein anderer Ausweg blieb, als aus ihrer Heimat zu fliehen“, sagte Schuster. Die NPD hatte dem Bericht zufolge unter anderem zu Demonstrationen gegen ein Flüchtlingsheim im sächsischen Heidenau aufgerufen. In dem Ort nahe Dresden hatte es am Wochenende in zwei Nächten in Folge schwere Krawalle vor einer Asylbewerberunterkunft gegeben.
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