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Knopfaugen, X-Nase und lange Ohren

Von der Gutenachtgeschichte zum Kinderbuch- und Merchandising-Star: Vor 60 Jahren hat der niederländische Künstler Hendrik Magdalenus Bruna (genannt Dick) das Hasenmädchen „Nijntje“ erfunden, um seinem Sohn Sierk eine Freude zu machen. Als er die Abenteuer der minimalistisch gezeichneten Figur im Verlag der Familie publizierte, wurden sie schnell, für den fremdsprachigen Markt in „Miffy“ umbenannt, zum internationalen Erfolg.

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Nicht nur in den Niederlanden, sondern in ganz Europa, den USA und vor allem in Asien erfreut sich das „Miffy“-Universum, in dem auch der Hund „Schnuffy“ und das Bärenpärchen „Boris und Barbara Bär“ sowie das Schwein „Poppy Pig“ leben, größter Beliebtheit. Die 32 Bücher wurden mittlerweile in rund 50 Sprachen aufgelegt und bringen dem Bruna-Unternehmen gemeinsam mit „Miffy“-Merchandising jährlich 267 Mio. Euro ein.

Miffy the Bunny bei einer Parade

AP/Charles Dharapak

„Miffy“ feiert Geburtstag

In ihrem runden Jubiläumsjahr wird die Comicfigur heuer in der ganzen Welt gefeiert. Mit einer Parade in Brunas Heimatstadt Utrecht, Veranstaltungen in ganz Holland, einer Sonderschau in Japan und einer „Miffy“-Zugsgarnitur in China, wo das Hasenkind seit Jahrzehnten Millionen Kinder begeistert. Das Rijksmuseum Amsterdam widmet dem Schöpfer der Figur eine Ausstellung. Im Mittelpunkt steht dort daher nicht „Miffy“, sondern das Werk des 1927 geborenen Grafikdesigners und Künstlers, welches in einem internationalen kunsthistorischen Kontext beleuchtet werden soll.

Weiße Tauben als Vorbild für den weißen Hasen

Die weißen Tauben von Pablo Picasso und Henri Matisse seien etwa maßgebliche Inspirationsquellen für ihn gewesen, so Bruna selbst über seine Vorbilder. Die Collagen und Cut-outs von Matisse hätten ihn, weil sie „so sauber, so wunderbar und so einfach“ seien, immer ganz besonders beeindruckt. Die Bilder seiner Vorbilder hatte Bruna als junger Mann in London und Paris kennengelernt, wo er ursprünglich das Verlegerhandwerk lernen sollte, um dann den familieneigenen Verlag A.W. Bruna & Söhne zu übernehmen.

Dick Bruna im Rijksmuseum in 2011

Rijksmuseum

Dick Bruna im Rijksmuseum in Amsterdam

Weil ihm die kaufmännische Seite des Verlagsgeschäfts so gar nicht gefallen wollte, verzichtete er zu Gunsten seines Bruders auf die Firmenleitung - und betätigte sich stattdessen als Illustrator. Schon bevor er „Miffy“ erfand, illustrierte er Hunderte Bücher, von Shakespeare-Ausgaben bis Krimiromanen.

Kein Platz für Überflüssiges

Als „Kunst des Einfachen“ wird der minimalistische Stil Brunas oft beschrieben. „Die Zeichnung ist wie eine Erinnerung. Ich sehe die Dinge nicht jetzt, sondern wie ich sie erinnere“, so der Künstler. Seine piktogrammartigen Bilder konzentrieren sich auf die wesentlichen Eigenschaften eines Gegenstandes oder Lebewesens und lassen alles Überflüssige weg, was seine Zeichnungen schon für kleine Kinder interessant macht. Charakteristisch sind ebenso das quadratische Format der Bücher sowie die leuchtenden und lebendigen Farben Rot, Blau, Gelb und Grün.

Miffy the Bunny mit Kind

Reuters/Carlos Barria

„Miffy“ ist auch in Asien ein großer Star

Dass „Miffy“ ein Mädchen und kein Bub ist, hat einen ganz einfachen Grund: Er zeichne eben lieber Kleider als Hosen, so der mittlerweile 87-jährige Bruna, der bis heute jeden Tag zeichnet und malt.

Zahlreiche Preise für Bruna

Minimalistisch ist aber nicht nur das Äußere „Miffys“, sondern auch das, was sei in den Büchern erlebt: Sie zeichnet, sitzt in einem Zelt oder spielt mit einem Ball auf einem Rasen. Bruna behandelt aber auch sensible Themen wie körperliche Behinderung oder den Tod der Großmutter. Seine Bücher spenden Trost und zeigen Kindern, wie sie schwierige Situationen bewältigen können.

Für seine einfühlsame Sprache erhielt er 1997 den Preis Silberner Griffel. 1990 wurde er als bester Illustrator für Kinderbücher mit dem Goldenen Pinsel ausgezeichnet. Er gestaltete zahlreiche Poster für Wohltätigkeitsorganisationen und bemalte viele Wände in Kinderkrankenhäusern. Sein soziales Engagement für UNICEF, World Vision, das Rote Kreuz, den Tierschutz und die Umwelt ist ihm seit vielen Jahren ein wichtiges Anliegen.

Gütliche Einigung in Plagiatsstreit

Selbst ein Plagiatsstreit mit der japanischen „Hello Kitty“-Firma Sanrio endete 2011 in der heilen Bruna-Welt versöhnlich: Statt sich vor Gericht über die Ähnlichkeit zwischen „Miffy“ und „Hello Kittys“-Hasenfreundin „Cathy“ zu streiten, spendeten die beiden Unternehmen gemeinsam 150.000 Euro für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Japan.

Zuvor war ein Amsterdamer Gericht im November sogar zu dem Schluss gekommen, dass „Cathy“ zu stark „Miffy“ nachempfunden ist und untersagte Sanrio, die Hasenfigur in den Niederlanden, in Belgien und in Luxemburg weiter zu produzieren und zu verkaufen. Sanrio hatte gegen die Gerichtsentscheidung Berufung eingelegt.

Hinweis

„Dick Bruna. Künstler“ ist im Amsterdamer Rijksmuseum von 27. August bis 15. November zu sehen.

Ungeachtet der Größe des globalen Millionengeschäfts, das Bruna mit „Miffy“ und seinen anderen Kinderbüchern macht, stammt nach wie vor jede Zeichnung aus seiner eigenen Feder. Anders als etwa bei Jean de Brunhoffs Elefant „Babar“, der nach dem Tod des Zeichners von dessen Sohn weitergeführt wurde, hat Bruna verfügt, dass „Miffy“ nach seinem Ableben keine neuen Abenteuer mehr erleben soll.

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