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Von höchsten Kreisen gedeckt

Ein aktueller Bericht des Magazins „Nature Climate Change“ wirft ein denkbar schlechtes Licht auf die Machenschaften rund um die 1997 eingeführten Klimazertifikate. Russische Firmen sollen jahrelang Millionen mit erschwindelten CO2-Einsparungen verdient haben, wie die die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“, Onlineausgabe) aus dem Bericht zitiert.

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In Russland und der Ukraine sind in den letzten Jahrzehnten massenhaft Treibhausgase einzig zu dem Zweck produziert worden, um mit ihrer anschließenden Reduzierung hohe Summen im Handel mit Emissionszertifikaten zu verdienen, wie die „SZ“ auf ihrer Website über gemeinsame Recherchen mit dem WDR berichtet. Firmen in Russland und der Ukraine hätten systematisch am Verkauf von Emissionszertifikaten verdient, ohne auch nur ein Gramm Treibhausgas einzusparen.

Kyoto-Protokoll

Das 1997 ins Leben gerufene Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz besagt, dass sich eingesparte Emissionen in Form spezieller Zertifikate international handeln lassen. Sie können gewinnbringend an andere Firmen verkauft werden, etwa damit diese die Klimaauflagen der EU erfüllen.

Firma verdiente fast 200 Mio. Dollar

„SZ“ nennt als ein Paradebeispiel den Kunststoffhersteller Halo Polymer im russischen Perm. Im September 2012 berichtete die Firma demnach stolz in ihrem Geschäftsbericht, im Vorjahr seien die Umsätze um 73 Prozent gewachsen, auch wegen „der Umsetzung von Vorgaben des Kyoto-Protokolls“. Tatsächlich seien 40 Prozent des Umsatzes nicht aus der Herstellung von Kunststoffen generiert worden, sondern durch die Einsparung der klimaschädlichen Gase SF6 und HFC 23, die Abfallprodukte der Kunststoffherstellung sind. Auf diesem Wege habe Halo Polymer 2011 fast 200 Millionen Dollar (176 Mio. Euro) verdient.

„Bewusst ineffizient betrieben“

Eigentlich eine Erfolgsgeschichte, hätte Halo Polymer nicht erst ein Jahr zuvor den Ausstoß von SF6 und HFC 23 in schwindelerregende Höhen geschraubt. „Wir gehen davon aus, dass die Anlagen bewusst ineffizient betrieben wurden, damit viele Treibhausgase entstehen“, zitierte die „SZ“ den Studienautor Lambert Schneider vom Stockholm Environment Institute.

Wegen der anschließenden Einsparung der Emissionen erhielten die Fabriken dem Bericht zufolge Zertifikate, die sich vor allem in der EU mit Gewinn verkaufen ließen - etwa an Kraftwerke in Deutschland, die so ihren Ausstoß klimaschädlicher Gase vermeintlich kompensieren konnten. „Es ging darum, Profite zu machen, und das auf Kosten des Klimas“, kritisierte Schneider. Im Grunde sei „das wie Gelddrucken“.

Vorwürfe gegen Sberbank

Höchste politische Kreise deckten die schmutzigen Geschäfte offenbar, schrieb die „SZ“. Ein Dekret von Präsident Wladimir Putin betraute demnach die Sberbank, Russlands größtes Bankinstitut, mit der Vorauswahl und der Abwicklung der Klimaprojekte. Offiziell habe das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel das letzte Wort gehabt - doch dessen Chef, der Putin-Vertraute German Gref, sei 2007 an die Spitze der halbstaatlichen Sberbank gewechselt. Die Sberbank selbst wollte sich laut „SZ“ zu all dem nicht äußern.

Erst 2013 endete das Spiel laut „SZ“, als Russland aus dem Kyoto-Protokoll ausstieg. Schon vorher habe die EU den Handel mit HFC-23-Zertifikaten unterbunden. Die Ukraine nutze das Schlupfloch im Kyoto-Protokoll aber weiterhin beim Abraum ostukrainischer Kohleminen. Dafür, dass Kohle dort nicht abbrennt und den Treibhauseffekt zusätzlich anheizt, „sparen“ die Betreiber von 68 Abraumprojekten 219 Millionen Tonnen CO2 ein, schreibt die „SZ“. Auch diese lassen sich wiederum zu Geld machen. Bei der Überprüfung dieser Projekte stießen die Studienautoren auf viele Ungereimtheiten.

Studienautor Schneider mahnte daher, bei dem neuen internationalen Klimaschutzabkommen, das Ende des Jahres bei der UNO-Klimakonferenz in Paris beschlossen werden soll, müssten solche Tricksereien ausgeschlossen werden. Es sei „extrem wichtig für ein neues Abkommen, dass man diese Fehler nicht wiederholt“, sagte der Wissenschaftler.

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