„Es ist abstoßend“
Lange ist sie für ihr Schweigen in der laufenden Flüchtlingsdebatte kritisiert worden, nun hat Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit scharfen Worten auf die zunehmende rechte Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte reagiert. Deutliche Worte fand bei einem Besuch im sächsischen Heidenau und damit dem Schauplatz der fremdenfeindlichen Ausschreitungen vom Wochenende auch Vizekanzler Siegmar Gabriel (SPD).
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„Jedem, der so handelt, treten wir mit der gesamten Härte des Rechtstaates entgegen“, hatte bereits zuvor zudem Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) gesagt, der nach den Vorfällen von Heidenau ankündigte: „Null Toleranz gegenüber Rassismus.“ Die nahe Dresden gelegene 16.000-Einwohnerstadt war am Wochenende Schauplatz schwerer fremdenfeindlicher, gegen ein neues Aylwerberheim gerichteter Ausschreitungen.
„Alkoholisierte Schreihälse“
Am Montag reagierte schließlich auch Merkel - zunächst über ihren Sprecher Steffen Seibert - auf die jüngste Gewalteskalation: „Die Bundeskanzlerin und die gesamten Bundesregierung verurteilen die gewaltsamen Ausschreitungen und die aggressive fremdenfeindliche Stimmung auf das Schärfste.“ Am Abend sprach Merkel unmittelbar vor einem Treffen mit Frankreichs Präsident Francois Hollande in Berlin von erschreckenden Bildern. Sie verurteile die gewalttätigen Ausschreitungen „aufs Schärfste“.
Zuvor war Merkel von der Opposition, aber auch vom Regierungspartner SPD zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Auch im Internet wurde die bisherige Vorgangsweise der deutschen Kanzlerin in der laufenden Flüchtlingsdebatte etwa auf Twitter mit #Merkelschweigt zuletzt zunehmend kritisiert.
Die wiederholten Ausschreitungen und die nach wie vor angespannte Lage in Heidenau bezeichnete Merkel nun als „beschämend“. Es sei „abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, ihre dumpfen Hassbotschaften zu verbreiten. Wer so handelt wie die Gewalttäter von Heidenau, stellt sich weit außerhalb unserer Rechtsordnung.“ Beschämend sei es laut Merkel aber auch, wie Bürger und sogar Familien mit Kindern durch ihr Mitlaufen bei den fremdenfeindlichen Demonstrationen „diesen Spuk unterstützen“.
Deutschland sei ein Land der Mitmenschlichkeit und lasse nicht zu, dass Flüchtlinge „hier von hasserfüllten Parolen oder von alkoholisierten Schreihälsen empfangen werden“. Unabhängig davon, ob der Einzelne Asylgründe habe, habe jeder das Recht, „würdig und respektvoll“ behandelt zu werden.
„Euch wollen wir hier nicht“
Deutliche Worte fand am Montag auch Vizekanzler Gabriel bei einem Besuch in der ungeachtet der Proteste doch eröffneten Flüchtlingsunterkunft in Heidenau. Gabriel forderte ein entschlossenes Vorgehen gegen rechtsextreme Gewalttäter: „Man darf den Typen, die sich da rumtreiben, keinen Millimeter Raum geben.“ Auf fremdenfeindliche Ausschreitungen könne es Gabriel zufolge „nur eine Antwort geben: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir erwischen, auch das Gefängnis“.

Reuters/Matthias Rietschel
Gabriel besuchte am Montag das Flüchtlingsheim in Heidenau
„Euch wollen wir hier nicht“, so Gabriel laut „Welt“ weiter: „Pack, würde man zu Hause sagen“, so der SPD-Chef: „Das sind Leute, die haben mit Deutschland nichts zu tun.“ Es müsse „auch den Aufstand der Zuständigen geben“. Zudem müsse sich „die Mitte der Gesellschaft dagegenstellen, dann kriegen wir das in den Griff“, so Gabriel weiter, der gleichzeitig die Bevölkerung zu mehr sozialer Verantwortung aufrief. Auch die Bevölkerung dürfe „nicht wegschauen, wenn solche Typen rumrennen“.
Weiterer Flüchtlingsgipfel geplant
Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) hatte Gabriel in seine Stadt eingeladen, nachdem es dort am Wochenende zu massiven fremdenfeindlichen Ausschreitungen gekommen war. Opitz sagte, er wolle zeigen, dass nur wenige Heidenauer die Rechtsextremen unterstützten. Es gehe darum, jetzt „positive Signale“ zu setzen.
Der Bürgermeister äußerte dabei die Erwartung, dass auch Merkel nach Heidenau kommen werde: „Ich hoffe, wenn heute Herr Gabriel bei uns ist, dass wir dann morgen, spätestens übermorgen Frau Merkel hier begrüßen können.“ Nach Angaben von Regierungssprecher Seibert war aber kein Besuch der Kanzlerin in Heidenau geplant. Gabriel vertrete dort die gesamte Regierung, sagte Seibert in Berlin.
Gabriel kündigte an, dass der Bund die Kommunen stärker bei der Unterbringung der Flüchtlinge unterstützen wolle. Anstelle der bereits zugesagten Milliarde Euro pro Jahr werde es eher auf drei Milliarden hinauslaufen. Die Kommunen dürften „nicht die letzten sein, die die Hunde beißen“. Voraussichtlich im September wollen Bund, Länder und Kommunen bei einem weiteren Flüchtlingsgipfel über konkrete Maßnahmen beraten.
„Viele Menschen haben Sorgen“
Gabriel räumte in Heidenau ein, dass die große Zahl der Flüchtlinge in Deutschland auch Verunsicherung hervorrufe: „Viele Menschen haben Sorgen, dass sich ihr Leben durch die Flüchtlinge verändert.“ Deutschland müsse die Zugezogenen integrieren, habe aber auch „eine Integrationsaufgabe gegenüber der eigenen Bevölkerung“ - etwa beim Wohnungsbau, der nicht nur den Flüchtlingen zugutekommen solle, sondern allen.
Verstärkte Polizeipräsenz
Als Folge der rechten Randale hatte die Polizei am Sonntagabend einen Kontrollbereich rund um die Asylunterkunft in Heidenau eingerichtet, der unter anderem Platzverweise ermöglicht. In der Nacht auf Montag blieb die Situation nach Angaben eines Polizeisprechers deutlich ruhiger. Dennoch kam es zu Auseinandersetzungen unter anderem zwischen linksgerichteten Demonstranten und der Polizei.
Die sächsische Polizei richtete sich zudem auf einen weiteren nächtlichen Einsatz vor der Flüchtlingsunterkunft ein. Zu Art und Umfang wollte sich ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden am Montag aber nicht äußern. „Sie können aber sicher sein, dass wir nach den Geschehnissen der letzten Tage nicht abziehen“.
Vor der Notunterkunft für Flüchtlinge in Heidenau ist es am Wochenende gleich mehrmals zu schweren Krawallen gekommen, nachdem zunächst rechte Demonstranten gegen die Flüchtlingsunterkunft auf die Straße gingen. Polizisten wurden mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen, es gab Dutzende Verletzte.
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