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Hauptverkehrsader gekappt

Wer den Stadtkern von Ljubljana in den vergangenen 20 Jahren nicht besucht hat und heute zurückkehrt, wird die Altstadt kaum wiedererkennen. Wo sich früher Autos und Busse durchwälzten, umkurven heute Radler die zahlreichen Fußgänger. Das Zentrum ist quasi autofrei, die Anrainer können in einer unterirdischen Garage parken.

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Der historische Stadtkern wurde 2007 komplett für den motorisierten Verkehr gesperrt, die Uferböschung der Ljubljanica - der Fluss, der sich durch das Stadtzentrum schlängelt - mit Promenaden neu gestaltet. Eine der größten Freiflächen im Zentrum ist neben dem Park Zvezda, wo früher ein Parkplatz war. Die Autos sind verschwunden, heute werden regelmäßig Bühnen und Kinoleinwände aufgebaut.

Wie Touristen die Stadt heute erleben, ist das Produkt des vergangenen Jahrzehnts. Der Schlussstein der bisherigen Bemühungen um eine grünere, fußgängerfreundlichere Stadt ist die Verkehrsberuhigung einer der innerstädtischen Hauptverkehrsadern, der Slovenska cesta. Mit dem Umbau der Straße wurde eine der innerstädtischen Hauptverkehrsadern, die schon seit der Römerzeit existiert, gekappt. Seit der Neueröffnung Anfang August dürfen nur mehr Fußgänger, Radfahrer und der Busverkehr passieren.

Akzeptanz durch die Hintertür

Der verantwortliche Stadtplaner Janez Kozelj wählte nicht den Weg langwieriger Diskussionen und Bürgerbefragungen - so passiert in Wien in der notorischen Diskussion über die Mariahilfer Straße. Dank einem Kniff von Kozelj wurde die neue Begegnungszone gut angenommen: Wegen Bauarbeiten wird der Verkehrsfluss schon seit zwei Jahren umgeleitet. Durch den Gewöhnungseffekt blieben auch die Proteste der Autofahrer aus.

Eine Baustelle sei leichter zu verkaufen als eine Begegnungszone, erklärte Kozelj kürzlich in einem Interview mit der „Wiener Zeitung“ („WZ“). Während also die Mobilitätswende in der österreichischen Hauptstadt mit Trippelschritten vorankommt, hat man in Ljubljana quasi die Siebenmeilenstiefel angezogen.

Kombo aus einer alten Stadtansicht von Ljubljana mit Autoverkehr und einer neuen mit Fußgängerzone

National Museum of Contemporary History Ljubljana/Saso Kovacic (Montage)

Zwischen 2006 und 2015 hat sich auf der Slovenska cesta einiges verändert

Doch einige Anwohner sind nicht ganz zufrieden mit der umgebauten Straße. In der slowenischen Tageszeitung „Delo“ bemängeln sie die übergroßen und in Augenhöhe angebrachten neuen Plakatflächen. Die Kommerzialisierung steht im Widerspruch zur Äußerung des Bürgermeisters Zoran Jankovic, der die verkehrsberuhigte Zone als „Wohnzimmer“ der Stadt bezeichnete.

Bürgermeister trotzt Skandalen

Jankovic steht - gemeinsam mit seinem Stellvertreter, dem Architekturprofessor Kozelj - wie kein anderer für die Verwandlung der Innenstadt von einer Verkehrshölle in ein stadtplanerisches Vorzeigeprojekt. Der ehemalige Chef des Handelsriesen Mercator war erstmals 2006 zum Bürgermeister der 280.000-Einwohner-Stadt gewählt worden. Seither regiert seine Liste mit absoluter Mehrheit im Stadtparlament.

Zeit seines Politikerdaseins sah sich Jankovic mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, die seiner Popularität aber keinen Abbruch taten. Mehrmals wurde er des Amtsmissbrauchs beschuldigt. Profitiert haben soll davon sein Sohn Jure. Der Bericht eines Untersuchungsausschusses zu der Causa, den die Opposition initiiert hatte, kam zu dem Schluss, dass der Verdacht der Vetternwirtschaft „begründet“ sei. Vor Gericht musste sich Jankovic jedoch nicht verantworten.

Der Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Jankovic

Reuters/Srdjan Zivulovic

Seit fast einem Jahrzehnt leitet Zoran Jankovic die Geschicke der Stadt

Warum sich die Wähler von den Korruptionsvorwürfen und Jankovics autoritärem Führungsstil nicht abschrecken lassen, erklärte Stadtplaner Kozelj im Gespräch mit der „WZ“: „Die Wähler wollen Menschen in der Politik, die Visionen haben und Dinge in die Hand nehmen“, erklärte er lapidar.

Neues Verkehrsmittel der Wahl - die Füße

Die Erfolge, die unter der Ägide Jankovics erzielt wurden, sind nicht von der Hand zu weisen: Während 2003 noch 58 Prozent aller Wege in Ljubljana mit dem Auto zurückgelegt wurden, waren sind es 2013 nur mehr 42 Prozent. Am erstaunlichsten ist der Anstieg der per pedes zurückgelegten Strecken: Ihr Anteil vergrößerte sich von 19 auf 35 Prozent. Die Europäische Kommission honorierte die Bemühungen der slowenischen Hauptstadt mit der Ernennung zur Umwelthauptstadt 2016.

Kombo aus einer alten Stadtansicht von Ljubljana mit Autoverkehr und einer neuen mit Fußgängerzone

National Museum of Contemporary History Ljubljana/Saso Kovacic (Montage)

Ein Wahrzeichen der Stadt, Tromostovje (Drei Brücken), erbaut 1929. Bis vor wenigen Jahren fuhr der motorisierte Verkehr noch durchs Stadtzentrum.

Die Veränderungen in der slowenischen Hauptstadt haben aber auch Schattenseiten. In der Innenstadt stehen die Werbeplakate immer dichter, immer teurere Geschäfte siedeln sich in den Erdgeschoßzonen an - das viel strapazierte Schlagwort der Gentrifizierung trifft auf Ljubljanas Altstadt zu.

Ein Fall, der ein Licht auf die fortschreitende Kommerzialisierung der Innenstadt wirft, ereignete sich Ende Juli - es war zu Protesten gekommen, nachdem Bürger von einer Sicherheitsfirma von öffentlichen Parkbänken vertrieben worden waren. Der Grund: Sie hatten vor einem Open-Air-Veranstaltungsort einem kostenpflichtigen Konzert des Festival Ljubljana gelauscht. Wer sich die Stehplatzkarten um 49 Euro nicht leisten konnte, durfte sich auch im öffentlichen Raum um das Gelände nicht aufhalten.

Die Blechlawine rollt nach wie vor

Die renovierte, sauber blitzende Slovenska cesta macht sich gut im neuen, „grünen“ Stadtbild Ljubljanas. Dass die Stadt ein Verkehrsproblem hatte und teilweise noch immer hat, ist aber unbestreitbar. Nach dem Zerfall Jugoslawiens und der Unabhängigkeit Sloweniens 1991 begann die Stadtentwicklung zu stagnieren. Zuvor hatte Ljubljana einen Boom erlebt, die industrielle Peripherie war unkontrolliert gewachsen. Die Mieten zogen danach an, die Stadtbevölkerung schrumpfte und siedelte sich in den billigeren Nachbargemeinden an. Die Zahl der Pendler stieg infolgedessen drastisch an - 130.000 Menschen pendeln heute jeden Tag nach Ljubljana.

Platz in Ljubljana

National Museum of Contemporary History Ljubljana/Saso Kovacic

Neben dem Park Zvezda parkten früher viele Pendler - jetzt finden hier Konzerte, Opern und Theatervorstellungen statt

Während das Zentrum der Stadt herausgeputzt und verkehrsberuhigt wird, sind die Fortschritte in den weitläufigen Wohnbezirken, die von Touristen kaum frequentiert werden, bescheiden. Die Bewohner sind auf das schlecht ausgebaute „Öffi“-System angewiesen, viele steigen deshalb auf ein eigenes Fahrzeug um. Und zwar auch, weil am Rande der Stadt die großen Gewerbeparks für den Wochenendeinkauf stehen - gut besucht und für den Autoverkehr ausgelegt.

David Tiefenthaler, ORF.at

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