Chaotische Szenen im „Nadelöhr“ Gevgelija
Auf dem Bahnhof der mazedonischen Kleinstadt Gevgelija spielen sich chaotische Szenen ab. Durch offene Fenster werden Kleinkinder in die Abteile gestopft, wenn wieder einmal ein Schnellzug Richtung Serbien einen Zwischenstopp macht. Hunderte Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak drängen in die Waggons.
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Sie wollen so schnell wie möglich in die serbische Hauptstadt Belgrad und von dort aus weiter nach Ungarn und damit in den Schengen-Raum kommen. Für sie wird die Zeit knapp. Denn der Grenzzaun, der zwischen Serbien und Ungarn erbaut wird, soll Ende August fertig sein. Danach dürfte es für die Kriegsflüchtlinge schwieriger werden, in die Europäische Union zu gelangen und dort Asyl zu beantragen.

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Neben Kos und Calais derzeit einer der Brennpunkte der laufenden Flüchtlingskrise: die mazedonische Stadt Gevgelija
Wie die griechische Insel Kos und die französische Stadt Calais am Kanaltunnel wird Gevgelija an der Grenze zu Griechenland zum Brennpunkt, wo das Flüchtlingselend besonders deutlich wird. Hier kommen die Menschen an, die über die Türkei nach Griechenland gereist sind und nun weiter durch die Länder des Balkan nach Westen wollen.
Behörden überfordert
Ein Vertreter des Roten Kreuzes schätzt, dass täglich 2.000 Menschen aus Griechenland nach Mazedonien einreisen, doppelt so viele wie noch vor wenigen Wochen. Sie treffen sich alle am Bahnhof von Gevgelija. Nur wenige Polizisten sind zu sehen, die einen halbherzigen Versuch unternehmen, für Ordnung zu sorgen.
Schon jetzt ist das arme Land aus dem ehemaligen Jugoslawien überfordert mit der Masse an Flüchtlingen. Und die zwei oder drei Züge nach Serbien sind der schnellste Weg durch Mazedonien - insbesondere seitdem die Durchreisenden die Züge nutzen dürfen.
72 Stunden Zeit
Seit Juni gilt ein neues Gesetz, das Flüchtlingen 72 Stunden Zeit gibt, durch Mazedonien zu reisen und dabei auch öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Davor mussten sie zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren, viele riskierten beim Marsch entlang der Schienen ihr Leben. Die Neuregelung änderte für den bis dahin verschlafenen Ort Gevgelija alles.

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Verzweifelte Suche nach einem Platz im Zug
Der Bahnhof ähnelt inzwischen einem Marktplatz. Einheimische verkaufen Getränke und Zigaretten, ein Mann vermietet Handyladekabel. Der Bürgermeister fühlt sich überfordert und von den griechischen Behörden alleingelassen. „Das Problem wurde nicht durch Mazedonien oder Gevgelija geschaffen“, zitierte ihn die serbische Nachrichtenagentur Tanjug. „Das Problem ist, dass die Menschen durch einen EU-Staat gereist sind, und das ist Griechenland.“ Er macht sich inzwischen dafür stark, einen eigenen Grenzzaun zu errichten.
Seit vier Monaten auf der Flucht
Doch der Wille der Flüchtlinge, ihr Elend hinter sich zu lassen, lässt sich nicht brechen. Anas Sifrini, ein jünger Syrer aus der zerstörten Stadt Aleppo, sagte, er sei dort fast ein Jahr im Gefängnis gewesen und habe 11.000 Euro bezahlt, um freizukommen. Seit vier Monaten ist er auf der Flucht. In Griechenland sei er von Polizisten verprügelt worden. Für ihn gehe es nun weiter nach Norden. „Meine Frau und meine Tochter sind in Schweden. Ich werde alles tun, um dorthin zu kommen, und wenn es vier Jahre dauert.“
Fatos Bytyci, Reuters
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