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Schattenseite des Sommers

Rekordtemperaturen und lange andauernde Hitzewellen machen den heurigen Sommer zur Extrembelastung für den Körper. Das sagen Hans-Peter Hutter, Umweltmedizinexperte der Medizinischen Universität Wien, und Pamela Rendi-Wagner, Leiterin der Sektion Öffentliche Gesundheit des Gesundheitsministeriums, mit denen ORF.at über die Auswirkungen der Hitze auf den menschlichen Organismus gesprochen hat.

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Der Mensch hat eine Körperkerntemperatur von 36 bis 37 Grad. Da ein Überhitzen tödliche Folgen haben könnte, muss der Organismus darauf achten, dass diese Temperatur konstant bleibt. Menschen sind gleichwarme Lebewesen, das heißt, sie regulieren ihre Körpertemperatur selbst. Wenn im Organismus überschüssige Wärme existiert, muss diese wieder an die Umgebung abgegeben werden. Dafür stellt sich der Kreislauf um: Das Blut wird in Extremitäten und Haut geschleust, damit sich dort unsere Gefäße erweitern.

Lebenswichtiges Schwitzen

Die Wärme werden wir los, indem wir schwitzen. Aus den rund zwei Millionen Schweißdrüsen auf unseren Körpern dringt ein Sekret, das zu 99 Prozent aus Wasser und sonst vor allem aus Elektrolyten besteht. Wenn der Schweiß auf unserer Hautoberfläche verdunstet, wird Wärme abgegeben. Dadurch kühlen wir ab.

Das regelt zwar unseren Temperaturhaushalt, es führt aber auch dazu, dass Mineralstoffe aus dem Körper geschwemmt werden und es zu einer Verschiebung im Mineralstoffwechsel kommt. Vor allem Kalium geht bei intensivem Flüssigkeitsverlust verloren. Der Mineralstoff ist von zentraler Bedeutung für die Muskulatur und die Konzentrations- und Energieleistung, ein Mangel an ihm kann zu Krämpfen, Müdigkeit, Erschöpfung und Problemen im Herz-Kreislauf-System führen.

Herz im Hochleistungsmodus

Das Herz arbeitet indessen auf Hochtouren. Der Puls steigt. Durch die Erweiterung der Gefäße hat dort auf einmal viel mehr Blut Platz als im Normalzustand. Unser Blutdruck sinkt, und das Herz muss wesentlich stärker pumpen, um die Durchblutung sicherstellen zu können. Zu Veranschaulichung: Bei einer Temperatur von 23 Grad schickt das Herz rund sechs Liter pro Minute durch den Körper, bei 38 Grad sind es hingegen schon 13 Liter – das ist mehr als eine Verdoppelung.

Die extreme Beanspruchung des Herz-Kreislauf-Systems versetzt den ganzen Organismus in einen Ausnahmezustand. Wir fühlen uns schlapp und schwächlich, haben mit Schwindel, Unwohlsein und Übelkeit zu kämpfen. Dazu können Konzentrationsschwächen und Verwirrungszustände kommen. Auch wenn diese Symptome schon ein nicht zu unterschätzendes Ärgernis sind, kann es noch wesentlich ernster werden. Sind Menschen besonders gefährdet, ist es möglich, dass die Systemüberlastung zu ernsthaften Beschwerden bis hin zum Tod führt. Beispielsweise kann es bei einem Hitzschlag zu einer Schädigung des zentralen Nervensystems gefolgt von Organversagen kommen.

Hitzegefahr hat soziale Dimension

Die Sterblichkeit ist dabei, so Hutter, über alle Gruppen hinweg signifikant, doch besonders gefährdet ist die Risikogruppe 65 plus sowie Kleinkinder und chronisch Kranke. Schlagend werden laut dem Mediziner dabei auch soziale Faktoren. Ein niedriges Einkommen und soziale Isolation sind schlechte Ausgangspositionen, erschwerend kommen Urbanisierung, Immobilität und Überalterung hinzu. In Zukunft wird es immer mehr allein lebende Senioren geben, die immer stärker unter der zunehmenden Extremhitze leiden werden.

Hutter sieht zu diesem „unterbelichteten Risiko“ dringenden Handlungsbedarf und weist dabei auf die potenzielle Wirkungskraft der Nachbarschaftshilfe hin. Nach der extremen Hitzewelle 2003 in Frankreich mit Tausenden Toten wurde sie stark forciert. Eine Evaluierung 2006 zeigte, dass die Bemühungen rund 4.000 Todesfälle verhindern konnten. Einmal öfter beim Nachbarn anzuklopfen und sich über dessen Befinden zu erkundigen, könnte Leben retten.

Risikofaktor Tropennächte

Besonders belastend, sind sich Rendi-Wagner und Hutter einig, sind die sogenannten Tropennächte mit Temperaturen ab 20 Grad: Sie machen die andauernden Hitzeperioden besonders gefährlich. Wenn dank heißer Nächte an erholsamen Nachtschlaf nicht zu denken ist und unser Organismus ungebrochen intensiv Schwerstarbeit leisten muss, fehlt es dem Körper gegebenenfalls über lange Perioden hinweg an Regeneration.

Je schlechter der Nachtschlaf, desto verheerender reagiert unser Organismus am folgenden Tag auf noch mehr Hitze. Glück hat dabei, so Hutter, wer im Grünen wohnt. Denn außerhalb der Stadtgrenzen kühlt es in der Nacht wesentlich besser ab als innerhalb, wo die aufgeheizten Gebäude und Straßen Hitze abgeben.

Oberste Regel: Ausreichend Trinken

In jedem Fall sollte dem allsommerlichen Mantra „Trinken“ ausreichend Beachtung geschenkt werden. Versagen wir unserem Herz-Kreislauf-System die nötige Flüssigkeitszufuhr, wird es für dieses noch wesentlich schwerer, seine Aufgaben zu erfüllen. Bereits bei zwei Prozent Wasserverlust tritt laut Hutter eine enorme Verschlechterung der Wärmeregulierung auf. Trinken wir zu wenig, wird auch unser Blut zähflüssiger, was wiederum sehr schlecht für den Blutdruck ist.

Bei längerfristiger Belastung können auch die Organe leiden, beispielsweise in Form von Nierenschädigungen oder Nierensteinen, so Rendi-Wagner. Durst verspürt man übrigens, wenn im Blut eine Imbalance von Mineralsalzen herrscht. Schlägt er zu, hat der Organismus allerdings schon ein Problem, weswegen die alte Faustregel „Trinken schon vorm Durst“ gilt.

Mehr trinken

Obwohl Wasser für uns so extrem wichtig ist – wir bestehen zu 50 bis 75 Prozent aus dem Lebenselixier, und bereits ein zehnprozentiges Sinken unseres „Wasserstandes“ lässt uns ins Koma fallen –, kann unser Körper die Flüssigkeit nicht speichern. Deswegen müssen wir regelmäßig nachtanken. Hutter warnt jedoch davor, blind Faustregeln a la „vier Liter am Tag“ zu folgen. Vielmehr gehe es darum, in heißen Sommern mehr als üblich zu trinken. Denn auch ein Übermaß an Flüssigkeit kann Probleme bereiten, besonders bei Menschen, die von Haus aus zu wenig trinken oder an Herzkrankheiten leiden. Betroffen sind davon oft ältere Menschen, bei denen der Durstreflex bereits abgenommen hat.

Griechischer Salat statt Schnitzel

Damit wir gesund durch die Hitze kommen, sollten wir unseren Körper tatkräftig unterstützen. Um den Mineralstoffverlust auszugleichen, empfiehlt Hutter nicht nur Wasser, sondern auch Tee und gewürzte Suppen zu sich zu nehmen. Die Diätologin Annika Stiel plädiert vor allem für Wassermelonen, Ananas, Tomaten und Gurken, da diese leicht bekömmlich und mineralstoffreich sind und außerdem viel Wasser enthalten. Auch Bananen sind, wie Sportler wissen, gute Kaliumlieferanten und können deswegen verstärkt verzehrt werden. Auch von außen gilt es, sich zu schützen. Empfohlen werden luftige Kleidung, Kopfbedeckungen und Sonnencreme, die Wohnräume sollten untertags verdunkelt werden.

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