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Millionenklage gegen Schweizer Konzern

Das Oberste Gericht in Mumbai hat ein von Behörden in Indien verhängtes Produktions- und Verkaufsverbot von Maggi-Fertignudeln für ungültig erklärt. Das Gericht ordnete weitere Tests in drei Labors an. Die Affäre um erhöhte Blei- und Glutamatwerte in dem Instantgericht hat Nestle bereits viel Geld und Image gekostet. Indiens Regierung hat indes eine Millionenklage gegen den Konzern eingebracht.

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Die Regierung habe bei der zuständigen Nationalen Kommission zur Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten ein Verfahren gegen Nestle eingeleitet, wie ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums sagte. Die Politik wirft dem Konzern „unfaire Handelspraktiken“ in Zusammenhang mit erhöhten Blei- und Geschmacksverstärkerwerten in Maggi-Instantnudeln vor.

In der Klagsschrift wird dem Konzern „absichtliche“ Konsumententäuschung in Bezug auf die Qualität des Fertiggerichts vorgeworfen. Indischen Medien zufolge fordert die Regierung deshalb umgerechnet 90,4 Millionen Euro Schadenersatz von dem Schweizer Lebensmittelerzeuger. Die zuständige Behörde erklärte auf ihrer Website, der Fall werde am Freitag gehört. Ein Nestle-Sprecher hingegen sagte am Mittwoch, das Unternehmen sei noch nicht offiziell informiert worden.

Affäre köchelt seit Mai

Die Affäre um die in Indien äußerst beliebte Zwischenmahlzeit - die Maggi-Fertignudeln bringen es in Indien auf einen Marktanteil von knapp 80 Prozent - köchelt bereits seit Ende Mai. Damals hatten Lebensmittelkontrollore erklärt, sie hätten bei einer Routinekontrolle in einem kleinen Laden im Bundestaat Uttar Pradesh Nudeln mit zu hoher Bleibelastung entdeckt.

Maggi-Produkte in einem Indischen Geschäft

Reuters/Shailesh Andrade

Maggi-Fertignudeln erfreuen sich in Indien größter Beliebtheit

Die Lebensmittelaufsichtsbehörde (FSSAI) untersagte Nestle daraufhin die Herstellung und den Verkauf der Nudeln in der Hauptstadt Neu-Delhi und sechs weiteren Unionsstaaten. In einer Mitteilung hätte die Behörde die Nudeln als „unsicher und gefährlich“ bezeichnet, berichtete das deutsche „Handelsblatt“ damals. Zudem beschuldigten die Aufseher den Konzern, den Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat (MSG) nicht als Zutat zu nennen. MSG sei in mehreren Packungen entdeckt worden, obwohl das Unternehmen auf seinen Verpackungen mit „No MSG added“ warb.

Nestle hatte die Vorwürfe stets bestritten. Der Konzern ließ die beanstandeten Proben unter anderem von der britischen Lebensmittelaufsicht Food Standards Agency (FSA) prüfen. Dabei wurden Bleikonzentration weit unter dem in der Europäischen Union erlaubten Grenzwert gemessen. Dem öffentlichen Druck konnte man sich dennoch nicht entziehen. Indischen Medien zufolge kam es in Zusammenhang mit dem Skandal zu mehreren Kundgebungen, bei denen Nudelpackungen in aller Öffentlichkeit verbrannt wurden.

Rückruf kostete Nestle 61 Millionen Euro

Mitte Juni zog Nestle schließlich die Reißleine und nahm die Maggi-Instantnudeln gänzlich vom indischen Markt. Die Ware mit einem Verkaufswert von umgerechnet 44 Millionen Euro wurde vernichtet. Der Rückruf der beliebten Maggi-Fertignudeln in Indien habe den Lebensmittelkonzern Nestle im ersten Halbjahr insgesamt 66 Millionen Franken (knapp 61 Mio. Euro) gekostet. Hinzu kämen Umsatzeinbußen durch den anhaltenden Verkaufsstopp, sagte Finanzchef Francois-Xavier Roger am Donnerstag. Der Rückruf habe sich auch leicht negativ auf die Nachfrage nach anderen Produkten in der Region ausgewirkt.

Am Donnerstag konnte Nestle zumindest einen Teilerfolg erringen: Das Oberste Gericht in Mumbai hob das Verbot gegen Auflagen auf. Der Bann sei „willkürlich“ und verstoße gegen die „Prinzipien der nationalen Rechtsprechung“, erklärte das Gericht. Es ordnete neue Tests der Instantnudeln an. Nestle müsse dazu mehrere Proben an drei Labors schicken. Seien die gemessenen Bleiwerte unter den zugelassenen Höchstwerten, könne Nestle die Produktion und den Verkauf wieder aufnehmen.

Konzernwachstum verlangsamt sich

Der Lebensmittelskandal ist aber nur eines der Probleme, mit dem sich Nestle derzeit herumschlagen muss. Auch auf dem wichtigen chinesischen Markt ist der Konzern in Turbulenzen. Der Versuch der Regierung in Peking, mit der Abwertung des Yuan die lahmende Wirtschaft anzukurbeln, ließ die Währung auf den tiefsten Stand seit vier Jahren absacken. Bei der Umrechnung in die Konzernwährung Franken schmälert das die Einnahmen von Nestle. Zudem legt die chinesische Bevölkerung mehr Wert auf Frische bzw. kauft zunehmend über das Internet ein.

Die Entwicklungen schlagen sich in den Konzernzahlen nieder. Im ersten Halbjahr ging das währungsbereinigte organische Wachstum von 4,7 Prozent in der Vorjahresperiode auf 4,5 Prozent zurück, wie Nestle am Donnerstag mitteilte. Trotz der Schwierigkeiten in Asien gibt sich der Schweizer Konzern für das Gesamtjahr optimistisch und strebt weiterhin ein organisches Wachstum von rund fünf Prozent an.

Regierung will Bollywood-Stars belangen

In Zusammenhang mit der Nudelaffäre wollte die FSSAI auch Bollywoods-Stars juristisch belangen, berichteten die Zeitung „International Business Times“ und indische Medien im Juni. Hintergrund: Die Schauspielerinnen Madhuri Dixit Nene und Preity Zinta und ihr Kollege Amitabh Bachchan hatten sich als Werbetestimonials für die Nudeln zur Verfügung gestellt. Sollte sich diese Werbung als irreführend für den Konsumenten erweisen, würden die drei Schauspieler dafür haften, hieß es. Ob es tatsächlich zu Anklagen kommt, wurde bisher noch nicht entschieden.

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