„Ernüchternde Bilanz“
Möbelriesen wie das österreichische Unternehmen XXXLutz kämpfen in Deutschland mit gigantischen Einkaufspalästen um ihre Kunden. Kleinbetriebe leiden unter diesem zunehmend härter werdenden Wettbewerb. Doch ein Ende des Wachstums der Großkonzerne ist derzeit nicht absehbar - vielmehr investieren die Branchenriesen weiter.
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„Der Möbelhandel in Deutschland ist durch die Konzentration auf die Großkonzerne leider auf dem besten Weg, die mittelständische Möbelindustrie immer weiter an den Rand zu drängen. Die kleinen Unternehmer leiden unter dem immer härter werdenden Wettbewerb unter den Großkonzernen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des deutschen Möbelhandelsverbands BVDM, Thomas Grothkopp, im Vorfeld der weltgrößten Möbelmesse IMM kommende Woche in Köln. Ein Ende des Wachstums der Möbelriesen sei derzeit nicht absehbar, so Grothkopp.
Hälfte des Gesamtumsatzes geht an Großkonzerne
Im vergangenen Jahr wurde laut BVDM mit rund 15 Milliarden Euro fast die Hälfte des Gesamtumsatzes des Möbel- und Küchenhandels von insgesamt 31,3 Milliarden Euro ausschließlich von den Top Ten der Branche erzielt. „Das ist eine ernüchternde Bilanz“, sagte Grothkopp. Im Trend liegen riesige Möbelhäuser auf der grünen Wiese ebenso wie kleine spezialisierte Fachgeschäfte in den Innenstädten.
In den vergangenen zehn Jahren hat die Verkaufsfläche im deutschen Möbelhandel nach Schätzung von Grothkopp um etwa zehn Prozent auf rund 23 Millionen Quadratmeter zugenommen. „Die Großkonzerne buhlen mit billigen Preisen und gigantischen Einkaufspalästen um die Kunden“, so Grothkopp weiter.
XXXLutz in Deutschland auf Platz zwei
Mit Ikea (Schweden), XXXLutz (Österreich) und Höffner (Deutschland) haben in Deutschland derzeit drei Möbelriesen die Nase vorn. Lutz machte in Deutschland im Vorjahr einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro und ist damit die Nummer zwei nach dem schwedischen Primus Ikea (Umsatz: 3,99 Mrd. Euro). Höffner kommt auf knapp 1,5 Milliarden Umsatz.
In den vergangenen Wochen und Monaten hat vor allem der österreichische Anbieter XXXLutz mit Übernahmen und Beteiligungen für Aufsehen gesorgt. So stieg das Welser Unternehmen, das in Deutschland vorwiegend im Süden und in Nordrhein-Westfalen aktiv ist, zu 50 Prozent bei der Möbelhauskette Zurbrüggen (300 Mio. Umsatz im letzten Jahr, Anm.) ein - und übernahm darüber hinaus fünf weitere Einrichtungshäuser in verschiedenen deutschen Städten.
Diese fünf Häuser beschäftigen rund 550 Mitarbeiter und haben insgesamt eine Verkaufsfläche von rund 85.000 Quadratmeter. Die XXXL-Kette hat nun 41 Standorte (über 11.000 Mitarbeiter) in Deutschland, davon sechs zu 50 Prozent. „Die neu erworbenen Betriebe passen ideal zum XXXL-Konzept und sind an ihren Standorten Marktführer durch überlegene Auswahl“, sagte Thomas Saliger, Unternehmenssprecher der XXXLutz-Gruppe, Mitte dieser Woche. Er bezeichnete XXXL als das „am schnellsten wachsende Möbelhandelshaus in Europa“.
Ikea von Bürgerprotesten unbeeindruckt
Während sich XXXLutz vorwiegend auf Übernahmen und Beteiligungen in Deutschland konzentriert, setzt Branchenprimus Ikea auf die Erschließung von neuen Standorten. Geplant sind derzeit Erweiterungen im Ruhrgebiet und Norddeutschland. Das ruft teilweise große Proteste seitens der Bevölkerung hervor.
So gab es beispielsweise im vergangenen Jahr Bürgerproteste um einen geplanten Standort in Kiel. Bei einer Bürgerbefragung sprach sich aber dann eine knappe Mehrheit von 52 Prozent für den Bau aus. Auch gegen den ersten City-Ikea in Hamburg-Altona, der Mitte des Vorjahres entstanden ist, gab es im Vorfeld heftige Proteste der Anrainer. Ikea setzt allen Protesten zum Trotz weiter voll auf Expansion. Binnen sieben Jahren wolle man den Marktanteil in Deutschland auf 25 Prozent (derzeit 13) fast verdoppelt, kündigte Ikea-Deutschland-Chef Peter Betzel zu Jahresbeginn im „Handelsblatt“ an.
Traditionsbetriebe mussten schließen
Durch das Wettrüsten der Großkonzerne in der Möbelbranche mussten in den vergangenen Jahren in Deutschland immer wieder Traditionsbetriebe schließen. So zum Beispiel 2013 in Essen das Lippische Möbelhaus und nach 109 Jahren auch das renommierte Möbelhaus Weber, beide nach Insolvenz. In Duisburg machte im selben Jahr nach 113-jähriger Firmengeschichte das Einrichtungshaus Nölgen zu. Einen Monat später schloss in Kleve Craemer, und bereits vor fünf Jahren verlor das 170 Jahre alte Möbelhaus von der Linden in Mülheim den Preiskampf gegen die Großkonzerne.
Laut dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Möbelindustrie, Dirk-Uwe Klaas, ging im vergangenen Jahr die Zahl der Unternehmen der deutschen Möbelindustrie um 2,4 Prozent auf 516 Firmen zurück, die Zahl der Beschäftigten sank um 1,7 Prozent auf 84.300. Hintergrund sei auch ein zunehmender Druck durch Möbelimporte nach Deutschland. „Die deutschen Möbelbauer haben mit ihren meist teuren Produkten Probleme, im Positionskampf der Großkonzerne mitzuhalten“, zitierte das „Handelsblatt“ Klaas zu Jahresbeginn.
Branche rechnet heuer dennoch mit Wachstum
Obwohl die derzeitige Preisschlacht der Großkonzerne Opfer bei Kleinbetrieben bringt, steht die deutsche Möbelbranche laut dem Statistischen Bundesamt bezüglich Umsatzzahlen besser da als angenommen. So konnte sie nach einem Minus im Jahr 2013 ihre Umsätze 2014 wieder steigern. Laut BVDM legte der Handel um 1,8 Prozent auf rund 31,3 Milliarden Euro zu.
Die Hersteller gehen für 2014 laut BVDM von einem Plus um 1,5 Prozent auf 16,3 Milliarden Euro aus. Vor allem vor dem Hintergrund der steigenden Baugenehmigungen für Großunternehmen und der gut gefüllten Taschen der Verbraucher rechnet die Branche auch für 2015 mit einem Plus in ähnlicher Größenordnung.
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