Eine Flagge zwischen Politik und Popkultur
Nach dem Massaker von Charleston, bei dem ein Weißer neun Menschen aus rassistischen Motiven getötet hatte, ist zuletzt die Debatte über die Südstaaten-Flagge aufgeflammt. Kritiker sehen in ihr ein Symbol für Rassismus, andere harmlose Folklore. Doch auch popkulturell ist sie - zumindest im Süden der USA - fest verankert. Fernsehserien, Musiker und unzählige Souvenirs schmücken sich mit dem umstrittenen Banner.
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„I saw cotton and I saw black / Tall white mansions and little shacks / Southern man, when will you pay them back?“, singt Neil Young in „Southern Man“, das 1970 auf seiner Durchbruchsplatte „After The Gold Rush“ erschien. Das Lied handelt - stellvertretend für die ganzen Südstaaten - von einem Farmer und der Misshandlung seiner Sklaven, vom Rassismus im Süden.

Corbis/Neal Preston
In den 70ern wurden Lynyrd Skynyrd als die nächsten Rolling Stones gehandelt
Der gesellschaftskritische Song zeichnet kein positives Bild vom tiefen Süden der Vereinigten Staaten. Dass gerade ein Kanadier sich zu einem solchen Urteil über die Südstaaten hinreißen ließ, rief damals prompt eine Reaktion hervor - standesgemäß in Form eines Songs. „Sweet Home Alabama“ der Südstaaten-Rocker Lynyrd Skynyrd erwähnt Young in einigen Zeilen, „man brauche ihn im Süden nicht“ heißt es da. Der Song wurde nach seiner Veröffentlichung quasi zur inoffiziellen Hymne der Südstaaten.
Kriegsbanner der Sklavenhalter
Auf dem Cover des „Sweet Home Alabama“-Albums findet sich ein Symbol, über das derzeit heftig gestritten wird: die Konföderiertenflagge, ein rotes Banner mit blauem Andreaskreuz und weißen Sternen, landläufig als Südstaaten-Flagge bezeichnet. Die südlichen „Sklavenhalterstaaten“ kämpften im amerikanischen Bürgerkrieg 1861 bis 1865 gegen die nördlichen Bundesstaaten, welche die Sklaverei verbieten wollten. Den Krieg verlor die Konföderation, das Südstaaten-Banner ist heute Teil der regionalen Folklore.
Das war nicht immer so: Nach dem Bürgerkrieg verschwand das Banner in der Versenkung. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es wieder entstaubt und als nostalgisches Versatzstück einer vergangenen Ära an Souvenirständen verkauft. Mit der Wiederbelebung der Flagge wurden auch die Rassenvorstellungen der ehemaligen „Sklavenhalterstaaten“ verbunden. Der Ku-Klux-Klan begann das Banner zu verwenden.
Rebellen-Chic in Rot-Blau-Weiß
In der breiten Bevölkerung wurde die Fahne zum Symbol der Rebellion. In den 60er Jahren wurde sie endgültig zur „Rebellenflagge“, schreibt Megan Garber in der Zeitschrift „The Atlantic“, ein Zeichen gegen den Norden, gegen das System und gegen den Zentralismus. Sie wird mit einer Wolke an Ideen verbunden, die essentiell amerikanisch anmuten: Freiheit, Mut, Rebellion - aber auch Feigheit und Kapitulation.

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„Dukes of Hazzard“: Bo Duke (John Schneider) und Luke Duke (Tom Wopat) verkörperten Anfang der 80er klischeehaft die Südstaaten-Seele
Endgültig im Hafen der Popkultur legte die Flagge 1979 an. Das Jahr markiert den Start der äußerst erfolgreichen TV-Serie „The Dukes of Hazzard“. Die Hauptprotagonisten: Zwei Südstaaten-„Rednecks“, die in einem orangefarbenen Dodge Charger durch Hazzard County brettern. Auf dem Dach des Autos prangt eine Südstaaten-Flagge und der Schriftzug „General Lee“ - nach dem Konföderiertengeneral Robert E. Lee.
„Hot women, cold beer“
Lynyrd Skynyrd sind „die“ Southern-Rock-Band schlechthin. Seit den 70ern touren sie durch die Weltgeschichte. Überschattet wurde der Werdegang der Band durch den Unfalltod zweier Gründungsmitglieder, heute ist nur noch Ronnie Van Zant von der ersten Partie mit an Bord.
Die Besetzungen mögen wechseln, die Musik der Gruppe bleibt eine Konstante: ins Ohr gehender Rock und Texte, die uramerikanische Narrative transportieren. „Like my women hot and my beer ice cold/A real fast car and my whiskey old“ singen die Rockveteranen. Auch die amerikanische Flagge wird im selben Song gepriesen: „Ain’t nothing better than the Skynyrd crowd/American Flag it makes me proud“.

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Demonstranten sollten ihn am „Arsch lecken“, meinte Kid Rock. Mittlerweile gibt er sich geläutert.
Auf vielen Konzerten der Southern-Legenden ist aber eine andere Flagge zu sehen: die Südstaaten-Flagge. Gary Rossington, der Gitarrist der Band, sieht darin kein Problem: „Wir sind stolz auf die Flagge, stolz auf unsere Vorfahren.“ Ähnlich sieht das auch Kid Rock, der mit „All Summer Long“ ein erfolgreiches Cover des Klassikers „Sweet Home Alabama“ ablieferte. Obwohl in Michigan, im äußersten Norden der USA, geboren, kann sich der Musiker mit der Rebellenfolklore des Südens identifizieren.
Protest gegen Kid Rock
Der 44-Jährige polarisiert regelmäßig mit seinen Aussagen. Erst vor einer Woche beleidigte er Demonstranten, die gegen seine Ausstellung in Detroit protestierten, in der die Südstaaten-Flagge gezeigt wird. Bürgerrechtler zeigten sich verständnislos. „Wie kann er Detroit repräsentieren und diese Flagge hissen? Sie steht für Genozid für die meisten hier“, sagte Sam Riddle vom National Action Network dem Musikportal Sterogum. Der Gebrauch der Flagge habe nichts mit seinen Gefühlen für Schwarze zu tun, sagte Kid Rock im deutschen Magazin „Der Spiegel“: „Ich liebe Amerika. Ich liebe Detroit, und ich liebe schwarze Menschen.“
Im Zuge des Streits - und wohl aus Angst, sein Sponsor General Motors könnte ihm die kalte Schulter zeigen - will der Musiker nun geläutert sein. Er habe die Südstaaten-Flagge schon seit mehr als fünf Jahren nicht mehr auf der Bühne geschwungen, sagte ein Sprecher.
Auch Pantera geläutert
Pantera, eine genreprägende Metalband aus den USA, verwendeten das Emblem auf Alben und bei Konzerten. Der Sänger der Band, Phil Anselmo, distanzierte sich in einem Interview von der Flagge. „Heute möchte ich mit dieser Flagge nichts mehr zu tun haben“, so Anselmo.
Warum der Süden an einem Symbol festhält, das für viele Menschen ein Symbol des Rassismus und der Sklaverei ist? In den Südstaaten gilt die Flagge inzwischen auch als Ausdruck eines bestimmten Lebensstils. Widerstand und Trotz gegen den „übermächtigen“ Norden finden in der Fahne ihren Ausdruck. Rebellentum als Tugend, das schreiben sich auch viele Rockbands auf die Fahne.
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