Themenüberblick

„Gibt Dinge, die man besser machen kann“

Beim dritten ORF-„Sommergespräch“ war am Montagabend Grünen-Parteiobfrau Eva Glawischnig bei Hans Bürger im Wiener Ringturm zu Gast. Die Themenpalette reichte von Asyl und Umwelt über Korruptionsbekämpfung bis hin zu den weiteren Zielen der Grünen. Diese sind laut Glawischnig alles andere als ein von Bürger angesprochener „Radfahrclub“.

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In den vergangen 30 Jahren hätten sich die Grünen vielmehr „extrem stark weiterentwickelt“, so Glawischnig, der zufolge man sich nun in einer Phase befinde, in der es auch ums Gestalten geht. Angesprochen auf die langwierige Debatte über die Fußgängerzone in der Wiener Mariahilferstraße und weitere Grünen-Themen wie beispielsweise Radwege wollte Glawischnig diese von Bürger nicht kleinreden lassen.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig im ORF-Sommergespräch

ORF/Hans Leitner

Glawischnig sieht die Grünen nun in einer Phase, „in der es ums Gestalten geht“

Angesichts der anhaltenden Hitzeperiode und des Klimawandels würden sich die Österreicher sehr wohl zunehmend Sorgen um die Zukunft ihrer Enkel machen. Am Beispiel Wien seien etwa grüne Radwege aber nicht das Einzige, auf das sich die Wiener Regierungsbeteiligung reduzieren lasse.

„Mein Zugang ist das nicht“

Ziel sei es, sich um die Schwierigkeiten der Menschen in Österreich zu kümmern, eine „Frage der Solidarität“ aber auch, sich um Menschen zu kümmern, die aus dem Krieg kommen. Damit kam gleich zu Beginn auch das Thema Asyl zur Sprache, wobei Glawischnig nichts davon hält, das „gegeneinander auszuspielen“. „Mein Zugang ist das nicht“, so Glawischnig weiter.

Verwiesen wurde von Bürger schließlich auf Tirol, das zwar die Quote seit Kurzem offenbar erfüllt - aber auch auf Oberösterreich und damit ein weiteres von insgesamt sechs Bundesländern, in denen die Grünen mitregieren und wo es in Sachen Flüchtlingsunterkünfte eben nicht so klappt.

Glawischnig sprach von einer großen Herausforderung, aber einer besser als bisher lösbaren Aufgabe. Auch die Bevölkerung sehe der Grünen-Chefin zufolge nicht ein, dass etwa in Traiskirchen „Menschen auf dem Asphalt liegen“. Genaue Lösungsansätze blieben zwar weitgehend offen, im Fall Traiskirchen würde Glawischnig aber die Verwaltung „Profis“ wie dem Roten Kreuz, der Caritas, der Diakonie und nicht einer privaten Firma überlassen.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig im ORF-Sommergespräch

ORF/Hans Leitner

Kritik erntete nicht nur die FPÖ, die Regierung sei laut Glawischnig in „Hitzestarre“

Beim Stichwort „Wirtschaftsflüchtlinge“ sei es Glawischnig zufolge ein Unterschied, ob jemand akut seines Lebens bedroht ist - es gebe aber auch Menschen, die wegen unfairer Handelsbedingungen um ihre Lebensgrundlage fürchten müssen. Wenn diese „unseren Bauern entzogen wird, sind diese auch angefressen“, so Glawischnig auf die Frage, inwieweit sich heimische Wähler etwa für Fischer aus dem Senegal interessieren.

Zukunfsverträgliche Politik als großes Ziel

Grundsätzlich gehe es den Grünen um eine zukunftsverträgliche Politik. Das gelte nicht nur für die Themen Asyl und Umweltschutz, sondern beispielsweise auch bei der Bildung. Man wolle über den Tellerrand hinausschauen, wobei es auch um Fragen gehe, „wie organisiere ich mein Leben, wie kriege ich alles unter einen Hut“.

Die Frage, ob die Grünen eine Partei für Besserverdienende und Akademiker sei, wollte Glawischnig nicht direkt beantworten. Die Grünen hätten aber „sehr klare Vorstellungen“, wie man Österreich organisieren müsste - in Sachen Arbeitsmarkt, Abhängigkeit vom Erdöl und besseres Bildungssystem. Vieles von dem, was ihre Partei vertrete, wolle Glawischnig zufolge auch die „breite Mehrheit der Bevölkerung“.

Die Grünen haben zudem „14 Jahre in Folge dazugewonnen“, und das sei auch ein wesentlicher Unterschied etwa zu den „desaströsen Verlusten“ der FPÖ, der Glawischnig mehr oder weniger offen auch gleich einen Korruptionshintergrund unterstellte. Mit der Entwicklung ihrer Partei ist Glawischnig „eigentlich zufrieden“. Wichtig ist ihr, dass dieser Vertrauenszuwachs „nachhaltig“ ist - und nicht bei einer Regierungsbeteiligung wieder schwinde. Als Beispiel nannte Glawischnig erneut die FPÖ, deren aktuelle Umfragewerte sie gleichzeitig „besorgt“ machen.

Regierung in „Hitzestarre“

Mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wolle sie jedenfalls nicht auf ein gemeinsames Bier gehen - Rassismus und Hetze, „das geht nicht“. Das gelte aber auch in der laufenden Islam-Debatte. Auch hier „gibt es null Toleranz gegen Hetze, Hassprediger und Co., aber ich bekämpfe kein Kleidungsstück“, so Glawischnig, die in diesem Zusammenhang auf ihre kopftuchtragende Kärntner Oma verwies.

Eine Kampfansage erteilte Glawischnig der Diskriminierung von Frauen. Als großes Anliegen nannte sie hier auch die Beseitigung der Einkommensschere. Im Kampf gegen Arbeitslosigkeit geht Glawischnig zufolge nicht alles von heute auf morgen, „aber es gibt schon Dinge, die man besser machen kann als die Regierung, die in Hitzestarre verharrt“.

Angesichts der anstehenden Wahlen in Oberösterreich und Wien gehe es laut Glawischnig nun darum, die erzielten Erfolge darzustellen und damit erneut das Vertrauen der Wähler zu gewinnen. Vor allem Oberösterreich sieht Glawischnig mit Verweis auf die grüne Regierungsbeteiligung auf einem wirtschaftlich guten Weg. Das Motto „Öko-Arbeitsplätze vs. Hypo Alpe-Adria“ habe sich bereits mehr als bewährt.

„Nur ein Kaugummiautomat“

Als weiteres Thema kam abseits davon auch die mögliche Präsidentschaftskandidatur von Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen zur Sprache, die sich Glawischnig zwar sehr wünschen würde, damit aber keinen Druck auf die noch ausstehende Entscheidung ausüben wollte. Auf den Vorwurf, die Grünen hätten zunehmend das Image einer Verbotspartei, sah die Grünen-Chefin zumindest wegen der ihr unterstellten Forderung nach einem Verbot von Kaugummiautomaten Anlass für eine Klarstellung: Gemeint gewesen sei nur der Automat auf dem Weg zur Schule ihres Kindes, der sie zunehmend ein Vermögen koste.

Filzmaier: „Regierungsanspruch ist offensichtlich“

Glawischnig konnte dem Vorwurf, die Grünen seien eine Bobo- und Verbotspartei für Akademiker, dennoch „kaum“ etwas entgegensetzen, analysierte der Politiwissenschaftler Peter Filzmaier in der ZiB2. Es ginge weder um Verbote noch um Bobos, so Filzmaier, sondern darum, ob die Grünen etwas für Menschen mit großen „wirtschaftlichen und sozialen“ Alltagssorgen tun können, und die Grünen werden Filzmaier zufolge „in der Tat von Besserverdienenden gewählt“.

Zudem hätten die Grünen – vielmehr als die FPÖ – das Problem, auf Bundesebene eine Koalition mit der SPÖ oder ÖVP oder beiden Parteien bilden zu wollen, so Filzmaier: „Der Regierungsanspruch bei den Grünen ist mittlerweile offensichtlich.“ Auch die überwältigende Mehrheit der Grün-Wähler wolle das. Aus diesem Grund täten sich die Grünen schwer, mit Oppositionspolitik zu punkten. Im Sommergespräch habe sich Eva Glawischnig geradezu dagegen verwahrt, nur gegen die Regierung zu keppeln.

Angesprochen auf die kommende Präsidentschaftswahl meinte Filzmaier, dass die Grünen „kommunikationsstrategisch“ unbedingt einen Kandidaten ins Rennen schicken müssten. Eine Partei, die keinen Bundespräsidentschaftskandidaten aufstelle, sei aufgrund des Wahlkalenders „medial weg vom Fenster“.

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