Mobilmachung gegen die USA
Zur Feier ihres 70. Jahrestages im Februar hat die Kommunistische Staatspartei Nordkoreas die Liste der offiziellen Propagandaslogans aktualisiert. Insgesamt sind es 310, die sich mit den unterschiedlichsten Themengebieten befassen. Unter anderem wird die Bevölkerung dazu aufgerufen, die Armee zu verstärken sowie die Wirtschaft, Landwirtschaft und den Sport weiterzuentwickeln.
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Unter den markantesten Slogans sind solche wie „Verwandeln wir unser Land in ein Land der Pilze!“, „Baut Unmengen von Gemüse in Gewächshäusern intensiv an!“ oder „Spielt Sportspiele im aggressiven Stil!“ Den Nordkoreanern wird ebenso vorgeschlagen, „einen Wasserfall aus Obst zu schaffen, damit das Meer der Apfelbäume am Gebirgspass Chol mit köstlichem Duft erfüllt wird“. Der Chol-Pass ist ein Gebirgszug und Symbol für die Überlegenheit der kommunistischen Führung.
Wie die BBC damals in ihrem Bericht unter Berufung auf die Zentrale Telegraphenagentur Koreas (CTAK) schrieb, wurden die neuen Slogans von der Staatspartei auch zum 70. Tag der Befreiung der koreanischen Halbinsel von der japanischen Kolonialherrschaft geschaffen.
Studie: 84 Prozent der Bevölkerung hungern
Dass viele Slogans um die Landwirtschaft kreisen, ist wohl dem Hunger in dem Land geschuldet. Laut einer Studie der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr haben 84 Prozent der Nordkoreaner (Einwohnerzahl liegt bei knapp 24 Millionen) nicht ausreichend zu essen. „Die Menschen essen Gras und kleine Nagetiere, während das Regime die viertgrößte Armee der Welt unterhält und moderne MiG-Jagdflugzeuge kauft“, berichtete der Vorsitzende einer UNO-Untersuchungskommission Ende des vergangenen Jahres.
James Grayson vom Institut für Koreanische Studien an der Universität Sheffield sagte gegenüber der BBC, dass die Slogans ein Hinweis auf die „absolut schrecklichen Zustände der Wirtschaft Nordkoreas“ sind. Demnach gebe es einen riesigen Gegensatz zwischen den wenigen außerwählten Menschen, die in den besten Gegenden rund um die Hauptstadt Pjöngjang gut leben - und den anderen Teilen des Landes, wo das Leben die „Hölle“ sei. Grayson glaubt, dass jene auf die Ernährung bezogenen Parolen eine Möglichkeit bieten, diese Probleme seitens der Staatsführung zu erkennen und Lösungen anzustreben.
Zweifel an angekündigten Reformen
Diesbezüglich hatte Machthaber Kim Jong Un wenige Wochen zuvor gegenüber des staatliche Nachrichtensender KCNA angekündigt, die benötigten Ressourcen zu einer Reform der Landwirtschaft bereitzustellen. „Die Zukunft Nordkoreas ist rosig. Alles wird besser“, sagte der Diktator davor im nordkoreanischen TV.

APA/EPA/KCNA
Die Propagandalinie soll Kim Jong Un als volksnah zeigen
Ob die Umsetzung von Reformen in naher Zukunft tatsächlich erfolgt, wird vom nordkoreanischen Dissidenten Lee Min Bok bezweifelt. „Niemand hat Plastikplanen oder Glas, um die zu bauen, oder Brennstoff, um sie zu heizen“, sagte er gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP. Seine Zweifel an Reformen rührten daher, dass der Diktator eher dafür bekannt sei, Ressourcen ausschließlich für privaten Luxus, staatliche Prestigeprojekte und die Rüstung auszugeben.
Denn neben der Landwirtschaft ist die Verstärkung der Armee ein Schwerpunkt in den neuen Parolen. Dabei gehört vor allem die ständige Mobilmachung gegen die „Kriegstreiber aus den USA“ dazu. „Wenn Feinde in unser Land einzudringen wagen, tötet sie bis zum letzten!“, zitierte die BBC ein kriegerisches Motto.
Nordkorea stellt 1,3 Millionen Soldaten
Mit schätzungsweise 1,3 Millionen Soldaten und mehreren Millionen Reservisten stellt Nordkorea eine der größten Armeen der Welt. Auch an die Frauen wird ein Appell gerichtet: „Frauen der Offiziere sollen verlässliche Gehilfen ihrer Ehemänner werden!“
Riesige Militärparaden sollen das Ziel haben, die Wehrhaftigkeit der Armee öffentlich zur Schau zu stellen. „Allerdings ist die Armee schlecht ausgerüstet, weil ein internationales Embargo den Export von Rüstungsgütern in das Land untersagt“, sagte Grayson.
Auch gegen den Klassenfeind Südkorea will man sich rüsten. „Vernichtet den Kapitalismus!“, heißt es weiter. Nord- und Südkorea befinden sich formal im Kriegszustand, da der Koreakrieg von 1950 bis 1953 mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens, nicht aber eines Friedensvertrags endete. Die Beziehungen haben sich seit 2010 verschlechtert, nachdem im Gelben Meer die südkoreanische Korvette „Cheonan“ gesunken war, die laut Seoul von einem nordkoreanischen Torpedo getroffen worden war.
Propaganda als Mittel der Täuschung
Laut Grayson versucht das nordkoreanische Regime im Inneren und Äußeren mit dem Mittel der Propaganda und Täuschung zu überleben. „Touristen werden große Errungenschaften präsentiert, zu sehen bekommt man potemkinsche Dörfer. Man weiß nie, was wahr und was Show ist. Man fühlt sich an ein sich ständig veränderndes Schattenspiel erinnert“, sagte Grayson. Wie die Menschen in Nordkorea, die keine Reisefreiheit genießen, darüber denken, bleibe jedoch sowohl dem Besucher wie auch dem System selbst meist verborgen.
Wer Kritik am Staat äußere, wird laut Grayson verhaftet. Nach UNO-Ermittlungen sollen derzeit bis zu 200.000 Menschen aus politischen Gründen in Gefangenenlagern einsitzen. Dort werden viele von ihnen gefoltert, vergewaltigt, zu Sklavenarbeit gezwungen oder hingerichtet. „Kim versucht häufig, durch öffentliche Auftritte von der verheerenden Menschenrechtslage in Nordkorea abzulenken und gibt sich gerne als der volksnahe Übervater“, sagte Grayson.
Lange Tradition in Nordkorea
In Nordkorea würde Propaganda in Form von Parolen, Auftritten, Briefmarken und Büchern seit der Gründung im Jahr 1948 eine große Rolle spielen. Deshalb kommen für Grayson die neuen Patriotismusaufrufe nicht überraschend. „Lediglich die Intensität und das Ausmaß sind in Nordkorea ungewöhnlich.“
Laut Grayson werde die Bevölkerung mit überschwänglichen Parolen neu eingeschworen, sobald ein autoritär regierter Staat in der Entwicklung einen bestimmten Punkt erreicht hat. Vieles von dem hätte man schon in China während der Kulturrevolution und nach der Errichtung des kommunistischen Regimes gesehen. „Und wenn man an den deutschen Nationalsozialismus und den italienischen Faschismus denkt, ist das nichts Ungewöhnliches“, sagte Grayson.
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