Beste Spieler verdienen Millionen
Anfang August hat in Seattle mit „The International“ das wohl prestigeträchtigste E-Sports-Turnier des Jahres stattgefunden. Noch nie gab es bei einem Computerspielbewerb ein derart hohes Preisgeld: 18 Millionen Dollar (16,5 Mio. Euro) - mehr, als die Tenniselite in Wimbledon bekommt.
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Während die Elterngeneration nach wie vor Formel 1 und Fußball im Fernsehen schaut, gehören die Liveübertragungen hochkarätiger Computerspielpartien zum Pflichtprogramm der Jüngeren. Insgesamt etwa 25 Mio. Zuseher weltweit wohnten allein dem Millionenturnier „The International“ via Livestream bei, wenn professionelle Moderatoren in aufgeregtem Ton das Geschehen auf dem Bildschirm kommentieren und anschließend in Hochglanzstudios analysieren.
Die über 10.000 Sitzplätze in der Seattle KeyArena waren an allen sechs „The International“-Turniertagen voll besetzt. In der Mitte der Arena, auf der Boxring-ähnlichen Bühne, saßen einander die zwei Mannschaften mit jeweils fünf Spielern gegenüber und versuchten sich mit bis zu acht zielgenauen Mausklicks pro Sekunde in dem Strategiespiel „Defense of the Ancients 2“ („DOTA2“) ins Finale zu hieven. Das Spielgeschehen wurde von den Zusehern in der Halle auf riesigen Leinwänden verfolgt und mit Jubelschreien und Verzweiflungs-Ohs quittiert.

dota2.com
Auf Leinwänden wird das Spielgeschehen in der KeyArena gezeigt
Populäre Plattformen für das Livestreaming von E-Sport-Wettbewerben sind etwa Twitch, Hitbox und Ustream. Die Zuseher können via Chat untereinander darüber diskutieren, was sie gerade schauen und unter anderem auch mit den Kommentatoren interagieren. Allein das Portal Twitch hat monatlich über 100 Millionen Nutzer und wurde im Vorjahr von Amazon um eine Mrd. Dollar gekauft. Auch auf YouTube finden sich viele Ausschnitte und Videozusammenfassungen von privaten wie professionellen Spielern.
Weltbeste E-Athleten werden auf Straße erkannt
Denn E-Sport ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein Millionengeschäft. Zum ESL-One-Wettbewerb in der Frankfurter Commerzbank-Arena kamen im Juni 30.000 Zuschauer. Auch bei anderen E-Sport-Bewerben wie im März in der Spodek-Halle im polnischen Kattowitz waren die Tribünen ausgebucht. In Asien, der Hochburg der Onlinegamer, werden die weltbesten E-Athleten auf der Straße erkannt und von Mädchen wie Burschen gleichermaßen für ein Selfie belagert. Sie genießen Promistatus, es gibt Autogrammstunden, die Spiele werden im Fernsehen übertragen.

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Voll besetzte Spodek-Halle im polnischen Kattowitz im März 2015
Zuseher spielen gleiche Games oft selbst
Das große Interesse an Spielestreams erklärt sich ganz einfach dadurch, dass viele der Zuseher auch selbst aktive Spieler der gleichen Games sind oder diese zumindest einmal ausprobiert haben. Sie zollen den rasanten Höchstleistungen der internationalen Profiathleten Jubel und Respekt und schauen sich schon einmal die eine oder andere Strategie bei den Weltbesten ab und lassen diese in das eigene Spiel einfließen.
Worum geht es bei „DOTA2“?
Zwei Teams, bestehend aus jeweils fünf Mitgliedern, kämpfen in der Rolle von selbst gewählten Fantasy-Helden (über 100 Charaktere mit vielfältigen Fähigkeiten in den Bereichen Intelligenz, Wendigkeit und Stärke stehen zur Auswahl) gegeneinander. Ziel ist es, das Hauptquartier des Konkurrenzteams zu zerstören. Um das zu erreichen, müssen Angriffsrouten durchschritten, Talente eingesetzt, Gegenstände beschafft, Abwehrtürme zerstört und Gegner bekämpft werden.
„LoL“ und „DOTA2“ beliebteste Spiele
Es gibt in etwa zehn bis 15 Computerspiele, die sich als Zuschauerspektakel eignen. Allen voran die beiden Action-Echtzeit-Strategiespiele „League of Legends“ (LoL) und „DOTA 2“ (Nachfolger der beliebten Modifikation „Defense of the Ancient“ für „Warcraft III“). Auch „StarCraft II“, das Sportspiel „FIFA 15“ und der Egoshooter „Counter-Strike: Global Offensive“ (CS:GO) sind beliebte Turnierspiele.
Knapp 70 Millionen Menschen weltweit spielen jedes Monat „LoL“, „DOTA2“ kommt monatlich auf mehr als elf Millionen aktive Spieler. Die Spiele sind kostenlos, finanzieren sich jedoch über kostenpflichtige „Skins“, mit denen sich das Aussehen der Spieloberfläche und des eigenen Helden ändern lässt, die aber keinerlei spielerische Vorteile bringen.

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Ein chinesischer Spieler ruft seinen Teamkollegen taktische Vorgaben zu
Acht Stunden Training pro Tag
Wer es zum Spielprofi bringen möchte, muss neben harter Trainingsdisziplin vor allem eine schnelle Reaktion, gutes strategisches Denken und bei Mannschaftsspielen eine gute Teamfähigkeit aufweisen. Eine Profikarriere beginnt dementsprechend jung, durchschnittlich im Alter von 17 Jahren. Um an die Weltspitze zu kommen bzw. dort zu bleiben, muss täglich trainiert werden.
„Schon eine Woche Pause kann die ganze Form zunichte machen,“ so der deutsche „DOTA2“-Profi Kai „H4nni“ Hanbückers, der seine Karriere dieses Frühjahr im Alter von 25 Jahren beendete, in einem Gespräch mit der „Zeit“. Im Schnitt üben Profis acht Stunden am Tag, arbeiten Strategien aus und optimieren die Kommunikation innerhalb des Teams. Kurz vor Wettbewerben in „Bootcamps“ noch länger.
Eigener Betreuerstab, hohe Ablösesummen
Der Aufwand lohnt sich inzwischen auch finanziell. Die besten der jungen Gamer können von ihren Fähigkeiten leben und sich einen ordentlichen finanziellen Polster für den Alltag nach der Spielkarriere erwirtschaften. Europäische Spitzenspieler bekommen ein Grundgehalt von bis zu 60.000 Euro im Jahr.

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Nach dem Spiel wird der Gamer interviewt und das Geschehene analysiert
Zusätzliches Geld bringen vor allem die Preisgelder, welche fast zur Gänze den Spielern zufließen, und lukrative Werbeverträge mit Sponsoren. Ein eigener Betreuerstab aus Trainer, Analysten und Sportpsychologen betreut die Spieler. Wechselt ein Spieler in ein anderes Team, fließen bis zu sechsstellige Ablösesummen.
Mit 25 Jahren ist meist Schluss
Doch das Zeitfenster für eine E-Sport-Karriere ist kurz. Im Alter von 25 Jahren ist meist Schluss, die Reaktionen lassen nach, und die Spieler sind schlicht nicht mehr schnell genug. Verletzungen durch die dauerhafte Überbelastung des Handgelenks können auch ein früheres Aus bringen. Im April musste etwa der 22-jährige „LoL“-Profispieler Hai Lam aus den USA wegen eines „Mausarms“ seine Laufbahn beenden.
Zudem ist die weltweite Konkurrenz im Traumberuf E-Sportler groß. Scouts sind in der Masse der Hobbyspieler ständig auf der Suche nach neuen Talenten. Der Verschleiß an Profispielern ist enorm. Wer außer Form ist, wird vom Team schnell durch eine erfolgversprechende Neuentdeckung ausgetauscht. Denn nur eine gute Performance garantiert hohe Einnahmen, die sich aus Ticketverkäufen, Merchandising, Vertriebsrechten und Sponsoring zusammensetzen.
Topverdiener aus Asien
Die meisten Spieler stammen aus Asien. Das zeigt sich auch bei „The International“. Von 80 Profis kamen 27 aus China, drei Teams setzten sich ausschließlich aus chinesischen Athleten zusammen. Mit Adrian „FATA“ Trinks (Cloud9) und Kuro „KuroKy“ Salehi Takhasomi (Team Secret) waren auch zwei Deutsche mit dabei. Österreicher waren nicht unter den Teilnehmern. Im Vorjahr setzte sich in einem rein chinesischen Finale das Team NewBee gegen ViCi Gaming durch und kassierte über fünf Millionen Dollar Preisgeld. Das Turnier 2015 gewann die US-Mannschaft Evil Geniuses im Duell mit CDEC Gaming aus China und strich 6,5 Millionen Dollar (sechs Mio. Euro) ein.

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Immer mit dabei: Als Spielefiguren kostümierte Fans (Cosplayer)
Asien stellt auch die Topverdiener unter den Berufsgamern. Laut einer Liste von ESportsEarnings.com liegen Profis aus Südkorea, den USA und China im internationalen Einkommensvergleich vorne. In Europa sind es vor allem die schwedischen und die deutschen Profis, die es dank erfolgreicher Turniere auf hohe Einkünfte bringen.
Dopinggeständnis von Profispieler
Mit den hohen Preisgeldern sowie im harten Wettkampf mit der Konkurrenz steigt allerdings auch der Anreiz, zu unerlaubten Substanzen zur Leistungssteigerung zu greifen. Anfang Juli sorgte Profispieler Kory „Semphis“ Friesen für Aufsehen, als dieser beiläufig in einem Interview auf YouTube das Doping mittels Amphetaminen bestätigte.
Er selbst und einige Mannschaftskollegen hätten bei dem mit 250.000 Dollar dotierten Turnier im polnischen Kattowitz im März dieses Jahres das Amphetamin Adderall zur Leistungssteigerung konsumiert, räumte der kanadische „Counter-Strike: Global Offensive“-Profi freimütig ein.
Erste Hauttests
Als Reaktion auf dieses erste öffentliche Geständnis kündigte der weltgrößte E-Sport-Verband Electronic Sports League (ESL) an, Dopingkontrollen einzuführen. Bei einem „Counter-Strike“-Turnier Ende August in der Kölner Lanxess Arena mussten die Spieler erstmals zu Hauttests antreten. Zwar war Doping schon bisher in den Regelwerken der E-Sport-Ligen explizit verboten, kontrolliert wurde das allerdings bis dahin nicht.

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Jubelnde Zuschauer bei der ESL One in Frankfurt im Juni 2015
Deutscher Fußballclub verpflichtet E-Sportler
Mit der Professionalisierung springen neben großen Firmen als Sponsoren auch andere Mitspieler auf den E-Sport-Zug auf. Der deutsche VfL Wolfsburg leistet sich als erster Bundesliga-Club zwei „FIFA 15“-Profisportler, die für das Team im virtuellen Fußball zur Titeljagd antreten. Auch das Glücksspiel hat die E-Bewerbe bereits als lukratives neues Geschäftsfeld ausgemacht, und einige Buchmacherportale bieten bereits entsprechende Wettangebote.
Langlebigkeit als Herausforderung
Eines muss die E-Sport-Branche allerdings noch unter Beweis stellen: ihre Langlebigkeit. Zwar können erfolgreiche Spieletitel durch Fortsetzungen und Modifikationen durchaus zehn Jahre und länger attraktiv bleiben. Die Schnelllebigkeit des Digitalen macht jedoch auch hier nicht halt.
Um dauerhaft attraktiv zu bleiben bzw. die E-Sport-Disziplinen einem noch breiteren Publikum schmackhaft zu machen, braucht es aber immer weitere Spielideen und neue Blockbuster-Titel. Die jubelnden Massen in den Sportarenen und Millionen Begeisterte vor den Bildschirmen zeigen jedoch klar: Der Anfang ist gemacht.
Beate Macura, ORF.at
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