20.000 gegenüber vier Millionen
Mit ihrem Ziel, insgesamt 60.000 Flüchtlinge in Europa zu verteilen, sind die EU-Innenminister im Juli erneut gescheitert. Für eine Erfolgsnachricht reichte es dann aber doch: Das Ziel, 20.000 Menschen aus Flüchtlingslagern in Konfliktgebieten in die EU umzusiedeln, sei - auch durch Einbeziehung von Nicht-EU-Staaten - deutlich überschritten worden.
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Nimmt man es ganz genau, dann ist die Aussage, dass nun 22.504 Flüchtlinge umgesiedelt werden, aber nicht völlig korrekt. Denn zumindest ein Teil der 1.900 Flüchtlinge, die Österreich aus dieser Gruppe übernimmt, haben das Resettlement, also die Umsiedlung nach Österreich, bereits hinter sich.
Ein zwei Jahre altes Projekt
Vor beinahe zwei Jahren kündigte Österreich das erste Mal an, 500 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufzunehmen. Vorgestellt wurde das Programm vom ÖVP-Außenminister, der damals noch Michael Spindelegger hieß. Ein Jahr später stockte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) das Kontingent um weitere 1.000 Menschen auf. Darunter sollten sowohl Familienangehörige von bereits in Österreich lebenden Personen als auch vom UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) vorgeschlagene Flüchtlinge fallen.
Die ersten 500 seien bereits in Österreich, bei den weiteren 1.000 sei das Verfahren bereits bei mehr als der Hälfte abgeschlossen, sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck gegenüber ORF.at. Zu den insgesamt 1.500 sollen nun eben noch 400 weitere kommen, was insgesamt die 1.900 Personen ergibt, die Österreich innerhalb des Resettlement-Programms der EU übernimmt.
Resettlement oder humanitäre Aufnahme
Die Flüchtlingsaufnahme sei zwar in Österreich als „humanitäre Aktion“ bezeichnet worden, tatsächlich handle es sich aber um ein Resettlement, so Grundböck. Beim UNHCR sieht man das allerdings ein bisschen anders. Zumindest die bisherigen 1.500 Plätze fallen für das Flüchtlingshilfswerk nicht unter Resettlement, sondern unter humanitäre Aufnahme, wie es in einem UNHCR-Dokument zum Thema heißt.
Das Flüchtlingshilfswerk der UNO unterscheidet auf seiner Homepage zwischen Resettlement und humanitärer Aufnahme. Die beiden Prozesse sind einander laut UNCHR zwar ähnlich. Doch der „im Rahmen der humanitären Aufnahme gewährte Aufenthaltsstatus kann je nach Regelungen des Staates zeitlich begrenzt oder dauerhaft sein“. Die syrischen Flüchtlinge, die Österreich über die „humanitäre Aktion“ aufnehmen, werde jedenfalls der unbefristeter Status eines Asylberechtigten erteilt, versichert Grundböck.
Vom Gegner zum Advokaten
Dabei hatte sich Österreich lange gegen Resettlement-Projekte gewehrt. Noch vor der Aufnahme der ersten Syrien-Flüchtlinge erklärte Spindelegger, es handle sich dabei nicht um eine Abkehr von der österreichischen Position, kein Resettlement durchzuführen. Und Mikl-Leitner selbst sagte noch im Juni 2013, es werde von Österreich „keine Resettlement-Maßnahmen“ geben.
Mittlerweile tritt die österreichische Innenministerin hingegen gar als Advokatin der von UNHCR unterstützen Umsiedlungsprojekte auf. Nach ihrem im vergangenen Jahr präsentierten „Save Lives Project“ solle die Europäische Union künftig Flüchtlinge aufnehmen, die direkt vom UNHCR an „Hotspots“ in Nordafrika ausgewählt werden - um dann nach einem fixen Schlüssel in der EU aufgeteilt zu werden.
Unzureichendes Angebot
Dazu ist es bis jetzt noch nicht gekommen. Bisher böten nur einige Staaten Resettlement-Programme in Zusammenarbeit mit dem UNHCR an. Und das derzeitige Angebot sei in Anbetracht der zu erwarteten Flüchtlingszahlen zu wenig, heißt es auf der Homepage des Flüchtlingshilfswerks. Denn bis 2020 würden rund 800.000 Menschen Resettlement benötigen, prognostiziert das UNHCR. In Anbetracht dieser Zahl wirken die von den EU-Staaten am Montag beschlossen Zehlen für die Resettlement-Pläne geradezu verschwindend gering.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/UNHCR
Fast noch bescheidener scheinen die 22.000 Plätze in Relation zu den allgemeinen syrischen Flüchtlingszahlen. Laut UNO flüchteten bereits mehr als vier Millionen Menschen aus Syrien in die Nachbarstaaten des Bürgerkriegslands. Allein die Türkei hat seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs rund zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen – fast 300.000 von ihnen leben in Flüchtlingslagern. Knapp 1,2 Millionen suchten Zuflucht im Libanon, rund 630.000 leben in Jordanien, 250.000 im Irak und 24.000 in Nordafrika.
Zielländer Deutschland und Schweden
Nicht erfasst sind von der UNO jene Flüchtlinge, die ihre Flucht nach Europa brachte. Laut Zahlen des Europaparlaments stellten im vergangenen Jahr knapp 123.000 Syrer ein Asylantrag in der EU. Die meisten von ihnen führte ihre Flucht über das östliche Mittelmeer - sie betraten damit in Griechenland EU-Boden. Doch für den Großteil der syrischen Flüchtlinge blieb das Land nur eine Zwischenstation. Den größten Anteil an Asylanträgen von Syrern registrierten im vergangenen Jahr Deutschland und Schweden - über 41.000 waren es in Deutschland, fast 40.000 in Schweden.
Beide Länder gelten generell als beliebte Zielländer für Flüchtlinge. Mit Abstand die meisten Flüchtlinge - nämlich 172.945 - stellten im vergangenen Jahr einen Asylantrag in Deutschland. Relativ zur Einwohnerzahl wurden die meisten Asylanträge hingegen in Schweden eingebracht. 74.980 Flüchtlinge suchten in dem skandinavischen Land um Asyl an.
Beide Länder erklärten sich beim EU-Innenministertreffen im Juli dennoch bereit, sich nicht nur am Resettlement-Programm der EU zu beteiligen, sondern auch Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Insgesamt sollen bei der unter dem Begriff Relocation firmierenden Verteilung 32.256 Migranten aus den Mittelmeer-Ankunftsländern Italien und Griechenland auf andere EU-Länder aufgeteilt werden. Österreich weigerte sich als eines von vier Ländern erneut, sich an der Relocation zu beteiligen. Mikl-Leitner dachte vielmehr laut über die Ausrufung des „Asylnotstands“ nach.
Martin Steinmüller, ORF.at
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