„Gesetz nicht mehr anzuwenden“
Die von Österreich geplante Beteiligung von Gläubigern an den Kosten der Hypo-Abwicklung wird es so nicht geben. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob am Dienstag das Sondergesetz, das den ersten, 2014 durchgeführten Schuldenschnitt beinhaltet, auf. Wesentlich im Erkenntnis ist vor allem auch: Der Gesetzgeber kann Landeshaftungen nicht im Nachhinein für wertlos erklären.
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„Das Gesetz ist nicht mehr anzuwenden“, teilte der VfGH mit. Eine „Reparaturfrist“ gibt es nicht. Ein „Haftungsschnitt“ für eine bestimmte Gruppe von Nachranggläubigern, während die Haftungen für alle anderen weiterbestehen, sei unverhältnismäßig und verfassungswidrig, heißt es im Erkenntnis.
Prekäre Lage Kärntens kein Argument
Ganz generell sieht das Höchstgericht den nachträglichen gesetzlichen Griff auf gesetzliche Haftungen - also die Kärntner Landeshaftungen - als verfassungswidrig an, weil er gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums verstößt. Auch der Hinweis auf die prekäre Lage des Landes Kärntens durfte kein Argument sein.
Ungleichbehandlung von Gläubigern gekippt
Damit traf der Gerichtshof laut Gerichtspräsident Gerhart Holzinger vor allem auch vorsorglich Klarstellungen. Abgesehen davon, dass nur eine kleine Gruppe von Gläubigern zum Handkuss kam: Wenn der Schritt zur Abwehr einer Überschuldung dienen sollte, dürfte man sich auch nicht begnügen, Darlehensgläubiger der Hypo zu „schneiden“, sondern müsste alle heranziehen, die Forderungen an das Land Kärnten haben.
Das jetzt gekippte Hypo-Sondergesetz von 2014 hat nicht nur verschiedene Hypo-Gläubigergruppen ungleich behandelt, befand der VfGH, sondern vor allem auch innerhalb der Nachranggläubiger selbst unzulässig differenziert, und zwar nur aufgrund eines Stichtages, des 30. Juni 2019: Forderungen von Nachranggläubigern, die vor diesem Stichtag fällig werden, galten laut dem Gesetz als erloschen. Danach fällige Forderungen blieben unangetastet. Diese Ungleichbehandlung ist gekippt. Damit setzten sich vom „Haircut“ betroffene Nachranggläubiger - darunter österreichische und deutsche Banken, Versicherungen und Fonds, aber auch eine Weltbanktochter - mit ihren Beschwerden durch.
Gesetz schon im Vorfeld umstritten
Das Sanierungsgesetz sah vor, Forderungen der Bayerischen Landesbank (BayernLB) im Volumen von fast 800 Mio. Euro sowie Verbindlichkeiten der Nachranggläubiger in etwa gleicher Höhe zu löschen. Gleichzeitig hätten die Landeshaftungen, die es dafür gab, gekippt werden sollen. Die betroffenen Gläubiger waren gegen das Gesetz Sturm gelaufen. Für die Investoren steigen nun die Chancen, zumindest einen Teil ihres Geldes wiederzubekommen. Auch viele Experten hatten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Schrittes angemeldet.
Finanzministerium: Abwicklung nicht gesetzwidrig
Das Finanzministerium reagierte am Dienstag mit einer knappen Stellungnahme: Die VfGH-Entscheidung betreffe nur einen Teil des Hypo-Sondergesetzes vom September 2014, nicht aber das am 1. Jänner 2015 in Kraft getretene und im März angewandte Bankenabwicklungs- und Sanierungsgesetz (BaSAG). Die Entscheidung, einen Teil des Hypo-Sondergesetzes aufzuheben, nehme man zur Kenntnis. Auf die Abwicklung der Bank durch die „Bad Bank“ Heta habe das aber keine Auswirkungen, denn das sei verfassungskonform.
Auch aus Sicht der SPÖ ist die Abwicklung der Heta durch das neuere BaSAG geregelt. Vom Koalitionspartner ÖVP hieß es gegenüber der APA ebenso, dass die Entscheidung zur Kenntnis genommen wird. Experten der zuständigen Ressorts würden die Entscheidung noch bewerten. Maßgeblich involviert waren am Gesetz neben dem Finanzministerium auch das ÖVP-Justizministerium sowie das SPÖ-Bundeskanzleramt.
Die Kärntner SPÖ-Finanzreferentin Gabriele Schaunig teilte in einer Aussendung zum aktuellen VfGH-Spruch mit: „Die Entscheidung des Höchstgerichtes ist zu akzeptieren. Die Aufhebung des Hypo-Sanierungsgesetzes hat derzeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf Kärnten, da die Forderungen vom Moratorium nach dem Bankensanierungsgesetz erfasst sind.“ Die Forderungen der Bayerischen Landesbank würden durch den Vergleich mit der Republik Österreich geregelt - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Heta-Bilanzloch noch größer
Sehr wohl konkrete Auswirkungen hat der VfGH-Spruch auf die Finanzlage der Heta - bei ihr wird das Bilanzloch noch einmal größer. Die „Bad Bank“ weist deshalb schon für die Bilanz zum ersten Halbjahr 2015 mehr als 800 Mio. Euro Verlust aus. „Bezogen auf den zum 30. Juni 2015 zu erstellenden Konzernzwischenabschluss wird auf Basis der VfGH-Entscheidung mit einem daraus resultierenden Verlust in Höhe von 0,80 Mrd. Euro zuzüglich allfälliger Zinseffekte gerechnet“, schrieb die Heta am Dienstag in einer Aussendung. Das kann in Summe etwa 900 Millionen ausmachen.
Aktuelle Zahlungspflichten an die Gläubiger erwachsen der Heta durch den Höchstgerichtsspruch nicht, weil die vom VfGH-Urteil erfassten Forderungen nun vom von der FMA als Heta-Abwicklungsbehörde verhängten Zahlungsmoratorium bis Mai 2016 erfasst sind.
Spindelegger verteidigte Gesetz
Der damalige Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) hatte das Gesetz als große Ersparnis für die Steuerzahler verteidigt. Auch eine Insolvenz Kärntens habe man damit abgewendet, so der Ex-Minister. Der Staat hat bereits mehr als 5,5 Milliarden Euro in das Institut gesteckt und wollte nicht nur die Steuerzahler, sondern auch die Gläubiger zahlen lassen. Neben dem ersten per Gesetz verhängten Schuldenschnitt plant Österreich dafür auch einen noch viel umfassenderen „Haircut“ auf Heta-Anleihen.
Bayern sieht sich bestätigt
Der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU) sieht sich im Hypo-Spruch des VfGH bestätigt. „Das Hypo-Gesetz ist verfassungswidrig“, ließ er in einer Stellungnahme gegenüber der APA wissen. „Wir haben vollumfänglich recht behalten. Der Vergleich mit der Republik Österreich basiert genau auf dieser Rechtsposition.“ Alle Rechtsstreitigkeiten der BayernLB würden beendet. So erspare man sich erhebliche Kosten und Ressourcen und normalisiere die politischen Beziehungen zwischen München und Wien. Österreich hatte Anfang Juli eingewilligt, im Rahmen eines Vergleichs 1,23 Mrd. Euro an die Bayern zu zahlen.
Aufatmen bei deutschen Banken
Aufatmen herrscht auch unter deutschen Banken - das klare Nein des Verfassungsgerichts weckt bei ihnen Hoffnung auf mehr. „Die Entscheidung ist ein klares Stopp-Signal, das nun auch zum Umdenken beim immer noch fortbestehenden Moratorium anregen sollte“, so die Hauptgeschäftsführerin des Landesbankenverbandes VÖB, Liane Buchholz, am Dienstag. „Vor der Republik Österreich liegt nun die große Aufgabe, bereits verloren gegangenes Vertrauen bei nationalen und internationalen Investoren zurückzugewinnen, was ohne weiteres als Herkulesaufgabe betrachtet werden kann.“
Ähnlich äußerte sich der deutsche Bankenverband BdB, in dem große private Institute wie Deutsche Bank und Commerzbank organisiert sind: „Wir haben schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass das Hypo-Alpe-Adria-Sondergesetz gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt“, sagte Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. „Gleiches gilt aus unserer Sicht auch für das Moratorium über die Heta. Eine Entscheidung darüber bleibt allerdings abzuwarten.“
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