Länder schaffen zu wenige Quartiere
Noch nie waren so viele Asylwerber im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen (Niederösterreich) untergebracht wie jetzt: An die 4.300 Personen lebten derzeit auf dem Areal, hieß es am Montag vom Innenministerium. Betten stehen in Traiskirchen derzeit für lediglich 2.300 Asylwerber zur Verfügung, davon 480 in bereits errichteten Zelten.
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Alle Flüchtlinge, die sich derzeit in Traiskirchen aufhalten, würden versorgt, so das Innenministerium. Dennoch würden für rund 2.000 Personen keine Betten zur Verfügung stehen. Wie kritisch die Situation in der völlig überfüllten Bundesbetreuungsstelle ist, zeigten am Freitag neue Fotos von im Freien schlafenden Kindern. Auch kam es vergangene Woche zu gewaltsamen Auseinandersetzungen auf dem Areal.
Zahl nach oben korrigiert
Unterdessen musste eine weitere Zahl in den vergangenen Tagen in die Höhe revidiert werden: Die Prognose von 70.000 Asylwerbern, die im Laufe des Jahres nach Österreich kommen, erweise sich als „mehr als realistisch“, hieß es im Innenministerium. Auch über 80.000 werden nicht ausgeschlossen.

APA/Helmut Fohringer
Schlafsaal in Traiskirchen
Die Quartiersituation sieht auch außerhalb Traiskirchens äußerst trist aus: Von jenen 6.500 zusätzlichen Plätzen, die von den Ländern beim missglückten Asylgipfel mit der Regierung im Juni bis Ende Juli versprochen wurden, fehlen laut Innenressort noch immer 3.500. Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) plädierte am Montag bei einer Tagung zum Thema für mehr Kooperation der Kommunen: „Ich würde mir nichts mehr wünschen, als dass viele Gemeinden in den nächsten Tagen und Wochen ihren Widerstand aufgeben“, sagte sie.
Ministerin will Unterbringungsstandards senken
Mikl-Leitner wies kürzlich darauf hin, dass Länder vereinzelt Quartiere nicht annehmen könnten, weil diese die selbst auferlegten Standards nicht erfüllten - sie plädierte für niedrigere Standards bei der Unterbringung. Gerade bei alleinstehenden jungen Männern sollte es auch möglich sein, dass Quartiere mit Sechsbettzimmern angenommen werden können. Derzeit sei die Grenze bei fünf Betten.

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Das Aufnahmezentrum ist schon seit Langem völlig überfüllt
Dieser Vorschlag der Ministerin stieß vor allem bei Grünen und NEOS auf Empörung. „Geht es überhaupt noch zynischer?“, fragte sich die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Ihr Pendant bei NEOS, Nikolaus Scherak, fordert den Rücktritt von Mikl-Leitner angesichts von deren „jenseitigem“ Vorstoß.
Grüne: Hohn gegenüber UNO-Kinderrechten
Die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig forderte am Samstag ebenso, Mikl-Leitner die Asylagenden zu entziehen. Mikl-Leitner sei mit ihrer Rolle als Innenministerin „völlig überfordert“ und rufe täglich einen neuen Notstand aus, anstatt für Lösungen zu sorgen.
Was in Traiskirchen gerade geschehe, sei ein Hohn gegenüber der UNO-Kinderrechtskonvention, die für Kinder - unabhängig von deren Herkunft - einen angemessenen Lebensstandard mit einem Dach über dem Kopf vorsehe. Glawischnig rief Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) auf, die Flüchtlingsunterbringung „in fähige Hände“ zu übergeben, und nannte als Beispiele NGOs wie die Caritas und das Rote Kreuz.
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