Themenüberblick

Match Europa gegen USA

Ein selbstfahrendes Auto ist höchstens so gut wie die Daten, mit denen es gefüttert wird. Dementsprechend heftig tobt hinter den Kulissen derzeit ein Kampf um Navidaten. Die deutschen Autohersteller BMW, Daimler und Audi etwa stehen offenbar kurz vor Übernahme von Europas führendem Kartendienst Nokia Here - und wollen angeblich bis zu drei Millionen Euro zahlen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Ein Vertragsabschluss könne bis Ende nächster Woche unter Dach und Fach gebracht werden, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag unter Berufung auf Insider. Die drei Autokonzerne und Nokia lehnten Stellungnahmen ab. Den Insidern zufolge wird allerdings noch über das Eigentum an Patenten für die Übertragungstechnik verhandelt, mit der selbstfahrende Autos mit Streckeninformationen versorgt werden.

Nokia will Patente nicht aus der Hand geben

Die Kartentechnik zur Vernetzung von Fahrzeugen oder für selbstfahrende Autos wird immer wichtiger. Die wie von Roboterhand gesteuerten Wagen sollen die Fahrstrecke in Zukunft mit Sensoren abtasten und mit den Daten der digitalen Kartenanbieter abgleichen, um sicher ans Ziel zu steuern. Nokia wolle die Patente in eigener Hand behalten, um weiter eine führende Rolle im Geschäft mit der Schlüsseltechnologie spielen zu können, sagte ein Insider.

Der finnische Netzwerkausrüster will sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren und braucht das Geld, um den Kauf des Konkurrenten Alcatel-Lucent zu finanzieren. Dagegen fordern die Autohersteller angeblich uneingeschränktes Eigentum an dieser Technik. Es geht dabei um die Verbindung von Computern oder Smartphones bis hin zu selbstfahrenden Autos und Industrieanwendungen, bei denen Maschinen und Werkstücke miteinander vernetzt sind. Ein Abschluss sei bis Ende Juli möglich, aber keinesfalls garantiert, hieß es.

Gerüchte über zahlreiche Mitbieter

Nokia hat nach Einschätzung von Experten das am weitesten entwickelte Kartenangebot. Es wird bereits von Audi, BMW und Daimler eingesetzt. Analysten schätzen den Markt von vernetzten Fahrzeugen auf insgesamt rund 50 Mrd. Dollar (46,07 Mrd. Euro). Über den Preis sowie über Details einer Übernahme wird seit Wochen hart gerungen. Ende Mai hatte es geheißen, dass BMW, Daimler und Audi jeweils rund 700 Mio. Euro ausgeben wollten. Wie hoch das Gebot zuletzt insgesamt war, blieb bis zuletzt offen.

Zu den Bietern hatte auch der Fahrdienstanbieter Uber gehört, dem sich die chinesische Internetsuchmaschine Baidu angeschlossen haben soll. Eine dritte Gruppe bestand Insidern zufolge aus den beiden chinesischen IT-Firmen Tencent und NavInfo sowie dem schwedischen Finanzinvestor EQT. Nokias Daten sind aber derzeit bei Weitem nicht die einzigen, um die gerittert wird. Der Zulieferer Bosch weitete etwa zuletzt seine Partnerschaft mit dem niederländischen Anbieter TomTom aus.

Auch Zusammenschlüsse an anderen Fronten

Bosch und TomTom setzen auf Arbeitsteilung: Der Navigationsanbieter werde die digitalen Karten erstellen, während Bosch die Anforderungen an deren Genauigkeit und Inhalte vorgebe, teilte Bosch mit. Bis Ende 2015 sollten hochgenaue Karten von allen Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen in Deutschland angelegt werden. Danach sollten die Straßen in Europa und Nordamerika abgedeckt werden. Konkurrent Continental arbeitet wiederum mit Nokia Here zusammen.

Im Hintergrund der Übernahmeverhandlungen und Kooperationsverträge steht ein kontinentales Match von Nordamerika gegen Europa: Die europäische Automobilindustrie will verhindern, dass IT-Konzerne wie Google die Kontrolle über die Schlüsseltechnologie gewinnen, um so die Preise zu diktieren und die lukrativen neuen Geschäfte mit den Daten zu dominieren. Google arbeitet bereits an einem selbstfahrenden Auto. Auch von Apple werden solche Pläne erwartet.

Links: