Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen zu
Indien hat ein doppeltes Gesundheitsproblem: Während die Armen noch immer an Infektionskrankheiten sterben, leidet die in den vergangenen Jahren entstandene Mittelschicht unter Bluthochdruck und Diabetes. Doch genügend Ärzte, um dabei beide Seiten ausreichend zu behandeln, gibt es nicht.
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Die politische Führung in der boomenden Volkswirtschaft Indien hat ein Problem: Sie ist zu dick. Mehrere Minister unterzogen sich bereits Magenverkleinerungen, um abzunehmen. Exemplarisch dafür steht eine Rede von Finanzminister Arun Jaitley, die er im Sitzen hielt und während der immer wieder pausieren musste, weil sein Rücken so schmerzte.
Das Problem der Fettleibigkeit betrifft aber nicht nur die Elite des Landes. Die Mittelschicht ist wegen des Wirtschaftsbooms der vergangenen Jahre gewachsen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben 60 Millionen Übergewichtige in dem Schwellenland. Mittlerweile ist in Indien die Chance, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, größer als an einer Infektionskrankheiten.
Unterernährung nicht besiegt
Tuberkulose, Malaria, Dengue und Atemwegsinfekte sind allerdings keineswegs verschwunden, auch Mangelernährung ist nach wie vor weit verbreitet. Noch immer hungern Millionen Menschen in Indien - 30 Prozent der Kleinkinder seien unterernährt, wie es in einer Studie, die das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF mit der indischen Regierung erstellte, heißt. Das seien mehr als im subsaharischen Afrika. Fast die Hälfte der Haushalte in Indien hat keine Toilette, was mitunter die Ursache für Durchfallerkrankungen und damit verringerte Nährstoffaufnahme ist.
Übergewicht als Zeichen von Wohlstand
Am anderen Ende der Wohlstandsskala mehren sich die Probleme: Laut dem Gesundheitsminister J. P. Nadda nehmen die Fallzahlen bei Krebs, Asthma, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes „alarmierend schnell“ zu. Während die Zahl der Diabeteserkrankten zwischen 1990 und 2013 weltweit um 45 Prozent zunahm, gab es in Indien ein Plus von 123 Prozent, wie das US-amerikanische Institute of Health Metrics and Evaluation (IHME) herausfand. Bisher fehlen auch groß angelegte Aufklärungsprogramme und Vorsorgekampagnen des Ministeriums.
Hinzu kommt, dass Übergewicht von vielen Indern nicht als Krankheit betrachtet wird. „Das gilt einfach als normal, als etwas, das mit dem Alter kommt. Oder es wird sogar als Zeichen von Wohlstand gedeutet“, sagte Aniruddh Vij vom wissenschaftlichen Institut Pushpawati Singhania. Das sehe man auch am Lebensstil, denn kaum ein Inder der Mittelschicht in den Millionenmetropolen gehe zu Fuß irgendwohin. Selbst ein Liter Milch oder eine Medikamentenpackung werde per Telefon bestellt und von Laufburschen an die Tür gebracht.
Patient Gesundheitssystem
Ärzte und Krankenhäuser, die die Probleme lindern könnten, gibt es zu wenige: Laut der WHO kommen in Indien auf 10.000 Menschen im Durchschnitt nur sieben Ärzte. Der Großteil der Mediziner ist in den Städten des Landes tätig, drei Viertel der Inder wohnen jedoch nach wie vor auf dem Land.
Premierminister Narendra Modi hatte angekündigt, allen Bewohnern ärztliche Versorgung zugänglich zu machen. Budgetäre Mittel dafür wurden bisher aber noch nicht zur Verfügung gestellt. Da bleibt nur der Gang zum Privatarzt, für den so mancher seine gesamten Ersparnisse aufwenden muss. Viele der betroffenen Menschen können sich die teuren Behandlungen jedoch gar nicht leisten.
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