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Bevölkerung kämpft gegen Rodungen

Liberia erholt sich nur langsam vom Ebola-Ausbruch, der im vergangenen Jahr das öffentliche Leben in dem westafrikanischen Staat fast völlig zum Erliegen gebracht hat. Nun kehren Hilfsorganisationen in die Dörfer zurück und decken die Machenschaften internationaler Großkonzerne auf, die die Krise für sich zu nutzen wussten.

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Der kleine Staat an der Atlantikküste gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, doch er hat etwas, was ihn für Konzerne besonders interessant macht: In der Region ist die Ölpalme heimisch, und Palmöl ist heute ein Milliardengeschäft. Durch Raubbau und Missmanagement war die Palmölproduktion in den Hauptproduktionsländern Malaysia und Indonesien in den letzten Jahren rückläufig. Internationale Palmölkonzerne wie Golden Veroleum (GVL), eine Tochter des singapurischen Unternehmens Golden Agri Resources, haben nun Liberia als neuen Hoffnungsmarkt für sich entdeckt.

Ebola-Epidemie ausgenutzt

Vor fünf Jahren unterzeichnete die Regierung in Monrovia mit GVL ein Abkommen über 220.000 Hektar Land - jedoch unter der Voraussetzung, dass die örtlichen Dorfbewohner dem Anbau von Ölpalmen zustimmen. Doch diese wehrten sich oft vehement gegen die Rodung ihrer Wälder und die Enteignung der Felder, die oft die Lebensgrundlage der Menschen bildeten. Immer häufiger kam es zu Protesten und Übergriffe auf Produktionsstätten von GVL.

Für Palmölplantage gerodeter Wald in Ghana

Corbis/Marco Vacca

Nach Brandrodungen werden Plantagen angelegt

Doch mit dem Ausbruch von Ebola Anfang 2014 waren die Behörden plötzlich mit einem weit größeren Problem konfrontiert. Menschenansammlungen wurden unter Strafe verboten, viele Hilfsorganisationen mussten das Land verlassen, und die Wirtschaft drohte völlig zusammenzubrechen. In dieser chaotischen Zeit verdoppelte GVL laut der Antikorruptionsorganisation Global Witness die Anzahl ihrer Plantagen.

Umwidmungen verdoppelt

Zwischen April und Dezember wurden laut Global Witness 5.358 Hektar Land von Golden Veroleum für die Palmölproduktion gerodet - doppelt so viel wie in den gesamten drei Jahren davor. Trotz Versammlungsverbots wurden Treffen mit Hunderten Dorfbewohnern organisiert, um sie zum Unterzeichnen von Verträgen zu überreden. Die meisten können weder lesen noch schreiben - und Hilfsorganisationen, die ihnen zuvor bei Verträgen beratend zur Seite gestanden waren, mussten das Land aus Angst vor der Seuche verlassen.

Palmöl

Reuters/Emmanuel Braun

Palmöl wird häufig statt Kakaobutter in Schokolade gemischt

GVL weist die Vorwürfe zurück und betont, dass es sich dabei um Vertragsabschlüsse gehandelt habe, die schon lange vor dem Ebola-Ausbruch fixiert worden seien. „Diese Sachen waren lange, bevor Ebola zum Thema wurde, geplant“, sagte GVL-Sprecher Virgil Magee der Nachrichtenagentur Reuters. Vielmehr seien die Versammlungen abgehalten worden, um die Dorfbewohner über die Risiken von Ebola aufzuklären. Zudem stritt Magee ab, dass sein Unternehmen Gewalt verwendet oder Einschüchterungsversuche unternommen habe.

Im Mai dieses Jahres stürmten Demonstranten im Südosten des Landes eine Produktionsstelle von GVL und nahmen mehrere Angestellte als Geiseln. Darunter war auch der Neffe von Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, Vizeinnenminister Varney Sirleaf, der gerade die Plantage besichtigte. Die Geiseln wurden kurz darauf von der Polizei und Blauhelmsoldaten befreit. 30 Demonstranten wurden verhaftet. Viele seien heute noch im Gefängnis, so Global Witness, ein Mann starb in Haft. Zudem habe GVL die Absetzung eines Dorfvorstehers vorangetrieben, der sich geweigert hatte, der Landabgabe zuzustimmen.

Palmölproduzenten im schlechten Licht

Neben der singapurischen GVL weiten auch andere Großkonzerne ihre Palmölproduktion aus. So kämpft der Clan Jogbahn in Grand Bassa seit Monaten gegen Landenteignungen durch die britische Ölfirma Equatorial Palm Oil (EPO) - vorerst mit Erfolg. Doch die Firma führt unbeeindruckt Studien über mögliche Rodungen auf dem Land des Clans durch. Mit der Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen wurde eine weltweite Petition ins Leben gerufen.

Auch ein weiterer Investor, der auf dem Sprung nach Westafrika ist, fiel zuletzt durch negative Schlagzeilen auf. In einem Ranking des Magazins „Newsweek“ der 500 besten „grünen“ Unternehmen kam der Palmölproduzent Wilmar aus Singapur, der bereits Plantagen in Nigeria und Ghana betreibt, auf den letzten Platz. 2012 reagierte die norwegische Regierung auf die alarmierenden Berichte und zog ihre Fondsgelder aus 23 Palmölfirmen zurück - darunter auch Wilmer und Golden Agri Resources.

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