Immer mehr Ältere ohne Jobs
Arbeitnehmer, die ab 50 Jahren ihren Job verlieren, haben es besonders schwer, den Wiedereinstieg zu schaffen. Die Wahrscheinlichkeit, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, liegt bei männlichen Angestellten zwischen 55 und 59 Jahren nur noch bei rund 30 Prozent. Angesichts der düsteren Aussichten fordert nun die Industriellenvereinigung (IV) unter anderem den Abbau des Senioritätsprinzips.
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Die IV bezieht sich dabei auf eine vor wenigen Tagen präsentierte Studie „Jung, älter, arbeitslos?“ des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria, wonach ältere Arbeitnehmer zu teuer sind. Die gerade in Österreich sehr stark ausgeprägte Lohnkurve sei auch mit ein Grund, warum nur gut 40 Prozent der 55- bis 64-Jährigen im Erwerbsleben stehen, während es in Schweden etwa 70 und in Deutschland etwa 60 Prozent sind.
Thinktank rät zu flacheren Lohnkurven
Derzeit könne das Gehalt von Älteren in Beschäftigung praktisch nur durch „Änderungskündigungen“ gesenkt werden. Die Studienautoren Michael Christl, Denes Kucsera und Hanno Lorenz schlagen vor, die Löhne Älterer stärker am „Leistungsprinzip“ zu orientieren und damit die Lohnkurven abzuflachen. Es wäre „zu überlegen, ob eine Lohnanpassung entsprechend der Leistungsentwicklung nicht im Interesse der Arbeitnehmer wäre“, heißt es in der Studie. Dadurch würden die Beschäftigungschancen älterer Menschen, die an Erwerbsarbeit interessiert seien, erhöht.
IHS sieht keinen Zusammenhang
Doch gerade die Annahme, dass eine bessere Bezahlung nach längerer Beschäftigung für die Arbeitslosigkeit Älterer verantwortlich sei, sieht eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS), die am Dienstag von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) präsentierte wurde, widerlegt. Die IHS-Experten haben dafür die 30 wichtigsten Kollektivverträge aus sieben Branchen analysiert.
Geld für mehr Maßnahmen
Von 2015 bis 2017 werden 720 Mio. Euro vom Sozialministerium für Bildungsmaßnahmen, spezielle Beratung und Qualifizierungsförderung für Ältere zur Verfügung gestellt.
Dabei fanden sie erhebliche Unterschiede in der Ausprägung der Lohnsprünge, die im Wesentlichen nur bei Angestellten existieren. Bei Arbeitern gibt es in den Kollektivverträgen nur sehr geringe Lohnsteigerungen. Arbeiterinnen und Arbeiter stellen aber circa 70 Prozent aller älteren Arbeitslosen, hier könne die Arbeitslosigkeit also nicht an einer höheren Entlohnung Älterer liegen.
Die Lohnkurve steigt in der Finanz- und Versicherungsbranche laut Studie am stärksten. Gerade dort liegt aber die Arbeitslosigkeit Älterer unter dem Durchschnitt. Generell sei der Beschäftigungsanteil Älterer in Branchen mit stärkerer kollektivvertraglicher Senioritätsentlohnung höher als in anderen Branchen. Im Branchenvergleich konnten die Wirtschaftsforscher jedenfalls keinen signifikanten Zusammenhang zwischen höheren Gehältern und der Arbeitslosenquote Älterer feststellen.
Lange Jobsuche für Ältere
Wer über 55 ist und auf der Jobsuche, der hat es besonders schwer, doch das liegt nicht nur am Alter, zeigt eine Studie.
Jeder vierte Beschäftigte über 50 Jahre
Vielmehr sieht das IHS den Grund für die stark zunehmende Arbeitslosigkeit Älterer nicht so sehr im Senioritätsprinzip als vielmehr in der Bevölkerungsentwicklung. Jeder vierte unselbstständig Beschäftigte ist über 50 Jahre alt. Die Zahl der Arbeitslosen dieser Altersgruppe ist im Vorjahresvergleich um 16,2 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Verweildauer in Arbeitslosigkeit ist bei den Älteren mit 152 Tagen deutlich höher als insgesamt mit 119 Tagen, das heißt die Älteren finden später wieder einen neuen Job.
Wer nach der Arbeitslosigkeit doch wieder einen Job findet, muss meist Abstriche beim Gehalt hinnehmen: Bei 61 Prozent der Älteren liegt das neue Gehalt unter dem Niveau des Einkommens vor der Arbeitslosigkeit. „Das Alter selbst ist das größte Hemmnis für Wiederbeschäftigung“, resümierte IHS-Experte Marcel Fink, einer der Autoren der Studie. Die Verengung der Debatte zu Arbeitsmarktproblemen Älterer auf höhere Löhne sei daher nicht sinnvoll. Vielmehr spielten andere Faktoren eine Rolle, etwa die mangelnde Bereitschaft zu Weiterbildungsmaßnahmen aufseiten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.
AK: Nur 20 Prozent der Firmen stellen Ältere an
Die Arbeiterkammer (AK) betont angesichts der IHS-Studie, dass nur ein geringer Teil der älteren Arbeitnehmer überhaupt unter ein Senioritätsprinzip falle. Gerade in Sparten, die kaum Gehaltssprünge kenne, etwa Gastgewerbe, Beherbergungswesen und Baubereich, sei die Altersarbeitslosigkeit besonders hoch. Zudem beschäftigen rund 20 Prozent aller Betriebe mit mehr als 25 Arbeitnehmern überhaupt niemanden über 55 Jahren. Die Kritik am Senioritätsprinzip sei nur eine „Ausrede der Arbeitgeber fürs Nichtstun“.
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