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Rosa - hellblau - Regenbogen

Die aufgeklärte Welt jubelt über die Entscheidung des Supreme Court zur Legalisierung der Homoehe in den USA. Auch in Österreich haben viele Kinder queere Paare im Bekanntenkreis, vielleicht in der Verwandtschaft und auch als Eltern. Nur in den Büchern, die das Weltbild der Kleinsten prägen, tummeln sich oft noch immer die Klischees der 1950er Jahre. Es gibt aber auch Bücher, die es besser machen.

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Klar hat man sich vorgenommen, das eigene Mädel nie in knallpink und den Buben nie im „Käpt’n Sharky“-Leiberl auf die Straße zu lassen. Aber spätestens mit dem Kindergarten wird alles anders. Was soll man tun, wenn alle anderen in der Gruppe in der Hello-Kitty-, Filly- oder My-Little-Pony-Phase sind? Oder wenn der Sohn ohne Enterhaken nicht mehr aus dem Haus will? Eigentlich nur eins: bessere Angebote machen. Weil Verbieten da keinen Sinn bzw. das Verbotene meistens sowieso nur interessanter macht, ist es sinnvoller, ein bisschen Kitty, Sharky und Co. ins Haus zu lassen - aber auch Besseres zu besorgen.

Kind mit Buch

ORF.at/Thomas Hangweyrer

Viele Kinderbücher transportieren die Rollenklischees der 50er Jahre

Das heißt in der Praxis: Piraten sind super, aber Piratinnen können auch kämpfen. Räuber führen sich wild auf, aber manche gründen doch lieber ein Kinderdorf und werden dort Pflegepapas. So wie in „Tomi“ Ungerers großartigem Bilderbuchklassiker „Die Drei Räuber“, der hier wohl nicht extra empfohlen werden muss. Hier sieben weitere Lektüretipps, die Eltern und Kindern den Kopf frei machen:

Das Heldinnenbuch

„Janes Traum“ ist ein biografisches Bilderbuch für Kinder ab drei: Mit vielen Bildern und wenig Text erzählt es von einem kleinen Mädchen namens Jane, das immer schon lieber draußen auf Bäume kletterte und Tiere beobachtete, als daheim zu sitzen. „Und das ist echt passiert?“, fragt dann das eine oder andere Kind beim Vorlesen. Darauf kann man dann getrost mit Ja antworten - und im Anhang Fotos der erwachsenen Jane Goodall herzeigen.

Während es jede Menge Bücher über Entdecker und Eroberer gibt, findet man kaum Heldinnenbücher über Frauen, die ihren Traum im Leben erfolgreich umgesetzt haben. Dieses hier punktet mit liebevollen Tusche-Aquarell-Bildern. Im Mittelteil reproduziert der Band außerdem Originalkinderzeichnungen von Goodall, die zeigen, dass auch große Forscherinnen mal mit kleinen Buntstiftskizzen angefangen haben.

Patrick McDonnell: Janes Traum: Vom Dschungel und den Tieren. Minedition, 48 Seiten, 13,40 Euro, ab drei Jahren.

Entspanntes aus Schweden

In „Luzie Libero und der süße Onkel“ erzählt die schwedische Kultautorin und –illustratorin Pija Lindenbaum von einem kleinen Mädchen, das den Sommer mit ihrem Lieblingsonkel Tommy verbringt: „Jetzt werde ich den ganzen Tag nur mit Tommy zusammen sein. Den Kindergarten kann ich vergessen“, freut sich die Fünfjährige. Als eines Tages Tommys Freund Günther in der Küche sitzt und bei allem dabei sein soll, ist Luzie zunächst sauer.

Nicht Homosexualität wird hier extra zum Thema gemacht - die Beziehung der Männer ist ebenso selbstverständlich wie Luzies Liebe zu Fußball. Es geht um ein Kind, das sich aus der Liebesbeziehung zweier Erwachsener ausgeschlossen fühlt. Als Thommy krank wird, nähern sich Luzie und der langweilige Provinz-Günther doch noch an. Und irgendwann gehen sie gemeinsam kicken. Mit seinen klaren, kurzen Sätzen empfiehlt sich „Luzie Libero“ für Kinder ab vier Jahren.

Pija Lindenbaum: Luzie Libero und der süße Onkel. Beltz & Gelberg, 40 Seiten, 13,30 Euro, ab vier Jahren.

Kind mit Buch

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„Luzie Libero“: ein Buch über den Lieblingsonkel - und seinen neuen Partner

Der coole Kitsch

Es kommt vielleicht unerwartet, aber: „Die Eiskönigin“ stellt eine erfreuliche Ausnahme im ansonsten konservativen Rollenbild von Disney dar. Klar, die Prinzessinnen Anna und Elsa sehen aus wie alle anderen Disney-Püppchen auch: große Augen, Wespentaille, langes Haar. Soll sein. Allerdings stehen sie in diesem Buch (wie übrigens auch im Film) mutig ihre Frau. Als Elsa wegen eines Fluchs ins Exil flieht, reitet ihr nicht etwa Prinz Hans nach. Nein, ihre Schwester Anna zieht zu Fuß los, kämpft sich durch Schnee und Eis, um sie zu suchen und nach Hause zu holen. Letztlich kann nur Schwesternpower das Land Arendelle aus dem ewigen Winter retten. Buch und Film bieten sich an, wenn das Kind (vier Jahre aufwärts) seine Portion Mainstream verlangt.

Walt Disney: Die Eiskönigin – Völlig unverfroren. Buch zum Film. 72 Seiten, 4,99 Euro, ab vier Jahren.

Lillifees wehrhafte Schwestern

"‚Ich bin die böse Fee und gekommen, dich zu verwünschen.‘ - Peng! Prinzessin Rosamund kartöffelte ihr eine, dass der bösen Fee nicht nur die Flöhe aus dem Kleid hopsten, sondern auch Gebiss und Brille verloren gingen.“ Keine Frage: Rosamund ist nicht Lillifee. Und es macht einen Riesenspaß, dieses gut aus dem Englischen übersetzte und mit viel Liebe zum Detail illustrierte Bilderbuch vorzulesen.

Weitere empfehlenswerte Bücher mit wehrhaften Prinzessinnen sind: „Prinzessin Pfiffigunde“ von Babette Cole (Carlsen) sowie von Cornelia Funke „Der geheimnisvolle Ritter Namenlos“ (Fischer), „Prinzessin Isabella“ (Oetinger) und das Pixi-Buch „Die Geraubten Prinzen“. Mit diesen Titeln sollten Eltern heil durch die anscheinend unvermeidliche Prinzessinnenphase kommen.

Martin Waddell, Patrick Benson: Prinzessin Rosamund, die Starke. Lappan, 32 Seiten, 9,95 Euro.

Das Piratinnenbuch

„’Wer ist das, zum Teufel?’, brüllte Knitterbart. ‚Na, meine Mutter!‘, sagte Molly und grinste. ‚Die Wilde Berta! Wer sonst?‘ Knitterbart wurde weiß wie Schlagsahne. Seine Piraten rollten entsetzt die Augen. Ihre Knie schlotterten. (...) Das Schiff mit den roten Segeln kam näher. Ganz vorn an der Reling stand die Wilde Berta und schwang ihren Säbel.“ „Käpten Knitterbart“ ist eines der Bilderbücher, die es sich wirklich lohnt anzuschaffen, weil Kinder es wieder und wieder lesen wollen. Und zwar Mädchen wie Buben.

Kind mit Buch

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Gibt es Buben- und Mädchenbücher? Die Wilde Berta aus „Käpten Knitterbart“ mögen alle.

Dem Mädchen merkt man auf der vorvorletzten Seite die geheime Freude darüber an, dass die Wilde Berta ihre Tochter aus den Klauen von Käpten Knitterbart rettet. Berta ist da nämlich nicht zimperlich und verdonnert die ganze Piratenbande zum Deckschrubben und Kartoffelschälen. „Hihi“, kichert da die fünfjährige Probeleserin, während dem jüngeren Bruder das Geschlecht der Seebären egal zu sein scheint. Hauptsache sie benehmen sich schlecht und fluchen.

Cornelia Funke, Kerstin Meyer: Käpten Knitterbart und seine Bande. 32 Seiten, Oetinger, 12,40 Euro, ab vier Jahren.

Der Klassiker für Schulkinder

George von den „Fünf Freunden“, das Mädchen mit der Kurzhaarfrisur, das eigentlich Georgina heißt, die bei Abenteuern immer vorne mit dabei ist, nur Hosen trägt und ihre Ansprüche lauthals durchsetzt: In allen 22 Bänden, die Enid Blyton zwischen 1942 und 1963 veröffentlichte, bleibt George sich treu. Und man kann sich durchaus fragen, ob das Mädchen mit den Sommersprossen und dem rauen Charme die erste queere Person ist, der wir in unserer Kindheit begegneten.

Blyton pflegte laut Wikipedia selbst Affären mit Männern und Frauen und lebte überhaupt viel unspießiger, als man vermuten könnte, wenn man beispielsweise nur ihre „Dolly“-Serie kennt. Die „Fünf Freunde“-Reihe ist jedenfalls eine prima Abenteuerlektüre für Kinder im Schulalter, die sich aussuchen können, ob sie sich lieber mit dem forschen Julian, dem sanften Richard, mit Anne, dem Hausmütterchen oder mit dem Wildfang George identifizieren wollen. Zu empfehlen sind antiquarische Ausgaben und die Taschenbuchausgabe bei Bassermann. Die Neuauflage, die heuer bei CBJ erschien, ist vereinfacht und gekürzt.

Enid Blyton: Fünf Freunde. Eine Jugendroman-Serie. Als Taschenbücher im Bassermann-Verlag.

Die moderne Familienfibel

„Weil aber zwei Frauen keine Kinder miteinander bekommen können, haben Tina und Sabine Stefan gefragt. Stefan ist schwul. Er liebt Männer statt Frauen. Genauer gesagt liebt er Andreas.“ „Alles Familie“ ist eine sympathische Familienfibel, die verschiedene Familienmodelle in kleinen Cartoons vorstellt.

Kind mit Buch

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„Alles Familie“: Das Prinzip der gegenseitigen Hilfeleistung hilft beim Überleben.

Dabei wird nichts schöngeredet, es geht auch um Streit, Versöhnung, Trennung und Tod. Queere und heterosexuelle Lebensmodelle werden gleichberechtigt vorgestellt. Nicht als Ausnahme und Regel, sondern als Menge der Möglichkeiten. Denn da gibt es auch noch Alleinerzieher, Patchworkfamilie, Kinder, die bei den Großeltern aufwachsen, Gemeinschaftsmodelle, in denen alle allen helfen. Und, und, und.

Eines ist jedoch allen gemeinsam: „Seinen eigenen Familiengeruch riecht man selber oft gar nicht. Nur tief in den Kleidern und Kuscheltieren riecht es gut nach zu Hause.“ Genauso ist es. Schön beobachtet, gezeichnet und in Handschrift geschrieben - ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis.

Alexandra Maxeiner, Anke Kuhl: Alles Familie! Klett, 32 Seiten, 14,30 Euro, zwischen fünf und zehn Jahren.

Maya McKechneay, ORF.at

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