Iran aufgewertet
Nach dem Abschluss der Atomverhandlungen muss das endgültige Abkommen zwischen dem Iran und der internationalen Staatengemeinschaft noch den Widerstand der Hardliner im US-Kongress und im iranischen Parlament ebenso überwinden wie zu erwartende Versuche Israels, das Abkommen möglichst noch zu torpedieren.
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Tritt das Abkommen aber tatsächlich in Kraft, dann kann man mit Folgen rechnen, die sowohl positive als auch problematisch Aspekte beinhalten, zumal der Iran zur international anerkannten atomaren Schwellenmacht in einer krisengebeutelten Region aufsteigen würde.
- Ölexporte: Der Iran würde wieder direkten Zugang zum Ölmarkt erhalten. Dadurch dürfte sich das Überangebot auf dem Weltmarkt weiter erhöhen. Das Öl- und Gasembargo der EU ist einer der großen Sanktionsbrocken, deren Aufhebung dem Ölexport neuen Auftrieb geben würde - der Achillesferse der iranischen Wirtschaft.
- Diplomatische Beziehungen: Ein historischer Deal bedeutet auch automatisch eine Verbesserung der Beziehungen des Iran zum Westen. Der westliche Annäherungskurs des als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rouhani dürfte Teheran aus der diplomatischen Isolation befreien.
- USA: Eine weitere Annäherung an die USA, mit denen die Islamische Republik seit 35 Jahren keine diplomatischen Beziehungen pflegt, ist nun greifbar nahe, auch eine Wiedereröffnung der Botschaften ist möglich. Außerdem hofft Washington, durch eine Normalisierung der Beziehungen zum schiitisch dominierten Iran eine Stärkung der Front gegen sunnitische Extremisten wie den Islamischen Staat (IS) im Irak und in Syrien zu erreichen.
- Großbritannien: Seit 2011 gab es zwischen Teheran und London Verstimmungen. Die Situation eskalierte, als die Briten als Erste die iranische Zentralbank sanktionierten, worauf iranische Basidsch-Milizen die britische Botschaft in Teheran attackierten. Seit Rouhanis Amtsantritt versuchen beide Seiten, die Wogen zu glätten. Hier könnten bereits heuer wieder Vertretungen öffnen und Botschafter entsandt werden.
- Israel: Israels konservativer Regierungschef Benjamin Netanjahu will den Kampf gegen das Atomabkommen mit dem Iran fortsetzen. Die Wiener Vereinbarung sei noch nicht „das letzte Wort“, sagte Netanjahu am Mittwoch im Parlament in Jerusalem. Ohne den Druck aus Israel hätte Teheran „schon längst die Fähigkeit zur nuklearen Aufrüstung“, sagte er nach Angaben der Nachrichtenseite Ynet.
- Iranischer Alltag: Für den Iran bedeutet ein Ende der Sanktionen auch eine Verbesserung des sanktionsgebeutelten Alltags der Bevölkerung. Die Mehrheit der Iraner wünscht sich zudem echte Markenartikel aus dem Westen statt als minderwertig geltende Billigprodukte aus China. Derzeit fungieren Dubai und die Türkei als Schlupflöcher, um sanktionierte Güter in den Iran zu transportieren.
- Saudi-Arabien: Ein Deal hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Rivalität zwischen Riad und Teheran. Er verhilft Teheran zu einem weiteren Schritt in Richtung Vorherrschaft in der Region. Das sunnitische Königshaus in Saudi-Arabien müsste den sich immer weiter ausbreitenden schiitischen Halbmond unter der Federführung des Iran fürchten. Eine Annäherung Teherans an Washington stützt diese Furcht, die dazu geführt hat, dass Saudi-Arabien mittlerweile zum größten Waffenimporteur der Welt aufgestiegen ist und nun auch militärisch gegen die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen eingegriffen hat.
- Region Naher und Mittlerer Osten: Der Iran hat in Syrien, im Irak, im Libanon, im Jemen und in Bahrain seine Fühler ausgestreckt. Die Schiiten in der Region dürften einen deutlichen Auftrieb erhalten. Der Iran könnte dann noch weiter seine Beziehungen zum Oman und zur Türkei ausbauen, was einen weiteren Machtverlust für die sunnitischen Golfmonarchien am Persischen Golf bedeuten würde.
- Iranische Innenpolitik: Durch einen Deal werden Präsident Rouhani und die reformorientierten Kräfte Rückenwind erhalten. Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, könnte sich dem nicht mehr verschließen. Das würde auch die Position der moderaten Kräfte für die Parlaments- und Expertenratswahlen im Jahr 2016 deutlich stärken und wäre ein herber Rückschlag für die Hardliner. Durch einen Deal dürfte außerdem in der Nachfolgedebatte um Chamenei das Lager des einflussreichen Ex-Präsidenten Akbar Haschemi-Rafsandschani gestärkt werden.
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