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Sparmaßnahmen im Eiltempo

Es sind viel schärfere Auflagen als noch vor Tagen diskutiert, die Griechenland erfüllen muss, um ein drittes Hilfspaket in Höhe von 82 bis 86 Mrd. Euro zu erhalten. Bis Mittwoch muss das Parlament in Athen eine Reihe von Sofortmaßnahmen umsetzen - darunter eine Pensions- und Steuerreform.

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Die Mehrwertsteuersätze und das Pensionssystem müssen innerhalb von wenigen Tagen modernisiert und das Steuersystem verbreitert werden, um höhere Erlöse zu erzielen. Zudem müssen automatische Ausgabenkürzungen eingeführt werden, wenn Griechenland die Primärüberschussziele der Gläubiger verfehlt. Athen wird auch verpflichtet, die Unabhängigkeit der griechischen Statistikbehörde ELSTAT zu sichern.

Heftige Diskussionen hatte es vor allem über die automatischen Ausgabenkürzungen gegeben. Eine Woche später muss das griechische Parlament zudem eine Reform des Justizwesens auf den Weg gebracht und die EU-Bankenabwicklungsrichtlinie umgesetzt haben. Erst wenn diese „vertrauensbildenden“ Maßnahmen gesetzt sind, könnten die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket beginnen.

Marktliberalisierung und „Massenentlassungen“

Erst danach sollen in Absprache mit den Gläubigerinstitutionen Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) weitere Schritte folgen, die allerdings ebenfalls bereits vorgegeben sind. Bis Oktober soll eine volle Pensionsreform stehen, die auch die Ausfälle abfedert, die entstanden sind, nachdem das griechische Höchstgericht die 2012 beschlossene Pensionsreform kürzlich als verfassungswidrig gekippt hatte.

Zudem soll eine Reihe an Marktliberalisierungen folgen, etwa die Öffnung von geschlossenen Berufsgruppen, darunter das Fährgeschäft. Auch eine Sonntagsöffnung der Geschäfte ist hier gefordert. Der Energiemarkt soll privatisiert werden. Der Arbeitsmarkt soll liberalisiert werden, das Papier sieht „modernisierte“ Kollektivverträge vor. Wörtlich ist außerdem von „Massenentlassungen“ die Rede, „die im Einklang mit den einschlägigen Richtlinien und bewährten Verfahren der EU“ stehen und deren „Zeitplan und Ansatz“ mit den Institutionen vereinbart sein sollen.

Umstrittener Privatisierungsfonds

Besonders umstritten war der von Deutschland geforderte Privatisierungsfonds: Griechischer Staatsbesitz soll an einen „unabhängigen“ Fonds übertragen werden, der dann dessen Privatisierung vorantreiben soll. Die Abschlusserklärung nennt dafür keinen Zeitrahmen, jedoch einen erwünschten Erlös von 50. Mrd. Euro. Davon sollen 25 Mrd. in die Schuldenrückzahlung fließen. Umstritten war bis zuletzt die Höhe des Fonds - 50 Mrd. werden von vielen als zu viel angesehen. Immerhin kann Griechenland 12,5 Milliarden für Investitionsprojekte nutzen. Schönheitsfehler: Selbst der IWF geht davon aus, dass aus den Privatisierungen kurzfristig maximal sieben Milliarden Euro erlöst werden können.

Auch die Besitzverhältnisse sorgten für Unmut: Im deutschen Vorschlag sollten die „wertvollen griechischen Vermögenswerte“ in die Institution for Growth in Luxemburg fließen, die 2012 unter Schirmherrschaft der deutschen Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gegründet wurde. Verwaltungsrat der KfW ist der deutsche Finanzminister. Nun soll der Fonds doch in Griechenland liegen und prinzipiell von griechischen Behörden verwaltet werden - allerdings unter Aufsicht der Institutionen.

Die Rückkehr der Troika

Überhaupt kehrt die Troika nach Athen zurück: Die griechische Regierung muss künftig erneut jegliche Gesetzgebung „in relevanten Bereichen“ den Gläubigerinstitutionen (vormals Troika: EZB, IWF, Euro-Gruppe) vorlegen. Diese sollen zu „Monitoringzwecken“ nach Athen zurückkehren. Gegen eine Einbeziehung des IWF hatte sich der griechische Premier Alexis Tsipras bis zuletzt gewehrt.

Die Regierung von Athen verpflichtet sich, Gesetze, die nicht mit der Troika abgesprochen wurden, zu überprüfen und gegebenenfalls wieder zurückzunehmen. Ausgenommen sind humanitäre Notfallmaßnahmen wie etwa Lebensmittelmarken.

Kein Schuldenschnitt

Ob und wie Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen kann, ist für alle Ökonomen seit Monaten rätselhaft. Die Gipfelerklärung schließt allerdings einen nominalen Schuldenschnitt explizit aus. Die Euro-Gruppe sei aber bereit, eine Verlängerung von Schuldenlaufzeiten „zu diskutieren“, allerdings erst, nach einer ersten positiven Bewertung der griechischen Reformbemühungen.

Insgesamt sind die Auflagen also weit härter, als sie in den vergangenen Wochen diskutiert worden sind. Auch jene Maßnahmen, die die Griechen in ihrem umstrittenen Referendum abgelehnt hatten, waren bei Weitem nicht so drastisch. Deutschland Bundeskanzlerin Angela Merkel antwortete am Montag auf die Frage, wo die griechische Handschrift in dem Abschlusspapier zu finden sei: „Die gibt es in Form des hohen Finanzmittelbedarfs.“

Die Staats- und Regierungschefs rechnen insgesamt mit einem Hilfspaket in Höhe von 82 bis 86 Mrd. Euro. Aktuell braucht Griechenland bis 20. Juli, wenn EZB-Kredite fällig werden, sieben Mrd. Euro, weitere fünf Mrd. bis Mitte August.

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