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„Strenge Bedingungen“ für Hilfspaket

Nach der Einigung auf dem Griechenland-Gipfel Montagfrüh muss es nun rasch gehen. Für die Freigabe eines dritten Hilfspakets werde es „strenge Bedingungen“ geben, so EU-Ratschef Donald Tusk. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte, dass das griechische Parlament bereits bis Mittwoch zentrale Gesetzesvorhaben verabschiedet.

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Priorität hätten eine Reform der Mehrwertsteuer, ein Umbau der griechischen Statistikbehörde und eine Reform des Pensionssystems. Die vollständige Verabschiedung dieser Reformen werde dann durch die drei Institutionen EU, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB) überprüft, so Merkel. Erst dann könnten die nationalen Parlamente zustimmen.

Laut Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem könnte das bereits bis Ende der Woche erfolgen. Aus Finnland hieß es bereits, dass man nicht garantieren könne, dass es der Einigung zustimmen werde - auch wenn die Vorschläge des Gipfels „ein Schritt in die richtige Richtung“ seien, so der finnische Ministerpräsident Juha Sipilä.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel

APA/EPA/Ian Langsdon

Merkel schließt längere Laufzeiten für griechische Schulden nicht aus

Einen Schuldenschnitt für Griechenland schloss Merkel erneut aus. Die Euro-Gruppe sei aber bereit, wenn nötig über längere Laufzeiten der Schulden zu reden. Bedingung dafür sei aber eine erste erfolgreiche Bewertung des neuen Reformprogramms. Diese Erleichterungen bei den Schulden waren bereits vor drei Jahren von der Euro-Gruppe in allgemeiner Form zugesagt worden.

„Finanzielle Erdrosselung vermieden“

Der griechische Premier Alexis Tsipras kündigte an, nun im Inland ebenso hart kämpfen zu wollen, um die Gipfelbeschlüsse umzusetzen. Leicht wird diese Aufgabe nicht, kündigt sich doch in Athen bereits vor der Abstimmung im Parlament Widerstand an - auch innerhalb Tsipras’ regierender Linkspartei SYRIZA. „Wir haben eine harte Schlacht geschlagen“, sagte Tsipras auch in Hinblick auf die Kritik in Griechenland: „Wir haben vermieden, dass wir finanziell erdrosselt werden und unser Banksystem kollabiert.“

Man stehe nun vor schwierigen Entscheidungen, radikale Reformen in Griechenland seien nötig. Er zeigte sich aber überzeugt, dass die „große Mehrheit des Volkes“ diese Anstrengungen unterstützen werde. Widerwillig fügte sich Tsipras der Forderung der Geldgeber, dass der IWF die Reformschritte überwacht. Diesen Punkt habe sich der griechische Premier anders gewünscht, aber er übernehme die Verantwortung dafür, ihn in Athen vorzulegen, teilte Kanzler Werner Faymann nach dem Gipfel mit.

Einigung stand auf der Kippe

Besonders problematisch für Griechenland war der von Berlin geforderte Treuhandfonds. Griechischer Staatsbesitz soll in den Fonds überführt werden, Athen hat damit de facto keinen Zugriff mehr auf die Gewinne. Griechenland wehrte sich gegen die von Deutschland geforderte Summe von 50 Milliarden Euro zur Schuldentilgung. Bei dieser Frage wurde in den fast 17 Stunden andauernden Verhandlungen lange um eine Einigung gerungen.

Nicht zuletzt deshalb standen die Gespräche immer wieder auf des Messers Schneide. „Wir haben ein wichtiges Abkommen erreicht, das in einigen Momenten der Nacht nicht selbstverständlich war“, sagte Italiens Premier Matteo Renzi.

„Auf griechische Belange eingegangen“

In Vierergesprächen zwischen Merkel, Tusk, Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande und Tsipras wurde letztlich eine Einigung erzielt. Für Merkel zeigt sich bei der Kompromisslösung jedenfalls, dass es Punkte gebe, „mit denen wir auf die griechischen Belange eingegangen sind“. Die Summe von 50 Mrd. Euro wurde zwar beschlossen, doch soll nun nicht die Gesamtsumme in die Rückzahlung von Schulden fließen.

12,5 Mrd. Euro aus dem Fonds können laut Merkel für direkte Investitionen verwendet werden. Auch die EU-Partner sollten sich stärker auf das Wirtschaftswachstum in Griechenland konzentrieren, forderte Renzi: „Ein großer Plan zur Förderung des Wirtschaftswachstums kostet weniger als große Investitionen für einen Rettungsplan.“

„Keine Gewinner, keine Verlierer“

Faymann erwartet jetzt eine schwierige Umsetzung der Gipfelbeschlüsse. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis, weil es keinen „Grexit“ gebe. Er glaube nicht, dass das griechische Volk gedemütigt worden sei oder dass die anderen Europäer ihr Gesicht verloren hätten: „Da es ein Kompromiss ist, gibt es weder Gewinner noch Verlierer.“

Nun wird intensiv an einer raschen Zwischenfinanzierung für Griechenland gearbeitet. Schon am 20. Juli braucht Athen sieben Mrd. Euro, bis Mitte August seien weitere fünf Mrd. Euro notwendig. Insgesamt rechnet die Euro-Gruppe mit einem Finanzbedarf von 82 bis 86 Mrd. Euro für die nächsten drei Jahre. Eine Brückenfinanzierung kann laut Faymann über die ELA-Nothilfen der EZB, über den alten EU-Fonds, den Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), oder über eine Mischung aus beidem erfolgen.

Die EZB will Insidern zufolge die Notfallhilfen (Emergency Liquidity Assistance, ELA) an griechische Banken voraussichtlich auf dem aktuellen Niveau belassen. Die griechische Notenbank werde sicher um eine Erweiterung des Rahmens bitten, sagte einer der mit der Situation vertrauten Personen gegenüber Reuters. „Aber ich bin auch sicher, dass die Notenbankgouverneure ELA nicht erhöhen werden.“ Ohne diese Liquiditätsspritzen droht den griechischen Instituten das Geld auszugehen.

Kritik an deutscher Position

Bei den Verhandlungen hatten sich vor allem Deutschland und die Niederlande als Hardliner positioniert. Laut dem griechischen Fernsehsender Mega bezeichneten griechische Regierungsmitglieder die Gläubigerforderungen als „monströs“. Auch Kommentatoren sprachen von „Daumenschrauben“ und einer „Demütigung“ Griechenlands. Auf Twitter wurde der Hashtag ThisIsACoup („Das ist ein Staatsstreich“) binnen weniger Stunden in 100.000 Tweets verwendet.

Prominente Unterstützung bekamen die Kritiker von dem US-Ökonomen Paul Krugman. In seinem Blog in der „New York Times“ schrieb der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften: „Der Forderungskatalog der Euro-Gruppe ist Wahnsinn.“ Es handle sich um die „reine Rachsucht“, die „komplette Zerstörung von nationaler Souveränität“, und das „ohne Hoffnung auf Entlastung“. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warf Deutschland einen „Mangel an Solidarität“ vor. Damit untergrabe Berlin den „gesunden Menschenverstand“.

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