Detaillierte Vorschriften
Griechenland braucht in den kommenden Jahren bis zu 86 Mrd. Euro, um nicht unterzugehen. Diesen Finanzbedarf ermittelten die Geldgeber. Um Athen ein drittes Mal vor der Pleite und dem Ausscheiden aus der Euro-Zone zu retten, verlangen die Euro-Partner ein drakonisches Sanierungsprogramm, das die Hoffnung der Griechen auf ein Ende der Rosskur zunichtemacht.
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Die Auflagen, wie sie die Euro-Gruppe am Sonntag als Empfehlung formulierte, samt den darin geforderten Zeitplänen im Überblick:
Steuer- und Pensionsreform binnen drei Tagen
Schon in dieser Woche muss Regierungschef Alexis Tsipras von seinem Parlament die generelle Zustimmung zu dem kompletten Programm einholen. Überdies müssen bis Mittwoch erste Maßnahmen von den Abgeordneten in Athen beschlossen werden:
- eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
- eine Einleitung der Pensionsreform
- eine Justizreform zur Beschleunigung der Verfahren und damit eine Kostensenkung
- die Gewährleistung der Unabhängigkeit des nationalen Statistikamts
- quasi-automatische Ausgabenkürzungen bei einem Verfehlen der Sparziele
Bis Ende der Woche wird zudem die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken gefordert, wonach zuerst deren Eigentümer und Gläubiger die Verluste tragen müssen und erst danach ein von der gesamten Bankenbranche finanzierter Abwicklungsfonds (Bail-in).
Zahlreiche Privatisierungen
Erst danach sollen die Euro-Finanzminister die Gläubigerinstitutionen Europäische Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission beauftragen, das Dreijahresprogramm im Einzelnen auszuhandeln. Kommt es zu einer Einigung, stehen schon jetzt folgende weiteren Auflagen fest:
- Beschluss einer Pensionsreform bis Oktober zur schrittweisen Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre
- Öffnung von Produktmärkten, Handel und geschlossenen Berufsgruppen, darunter das Fährgeschäft. Auch eine Sonntagsöffnung der Geschäfte ist hier gefordert.
- Privatisierungen im Energiesektor
- Fortführung der Arbeitsmarktreform
- Finanzmarktreform, die der Gefahr durch faule Kredite bei den Banken begegnet
- Verabschiedung einer Verwaltungsreform unter EU-Aufsicht bis zum 20. Juli
- Beschleunigung der Privatisierungen
Privatisierungsfonds unter EU-Aufsicht
Die Überführung von Staatsvermögen in einen Fonds unter Aufsicht der EU, mit dessen Einnahmen Schulden abgebaut werden sollen, steht in den Empfehlungen der Euro-Finanzminister in eckigen Klammern. Einen solchen Fonds in Höhe von 50 Milliarden Euro hat der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble gefordert. Dieser Punkt ist besonders umstritten, weil das quasi eine Enteignung Griechenlands bedeuten würde. Die deutsche SPD unterstützt die Idee eines Treuhandfonds für die Privatisierung, allerdings weder in der Höhe noch in der „vorgeschlagenen Form“.
Rückkehr der Troika
Die Kontrolle durch die Institutionen, die früher Troika genannt wurden, wird ausgeweitet: Griechenland muss nicht nur sicherstellen, dass deren Vertreter Zugang zu den Ministerien erhalten. Sie sollen überdies die relevanten Gesetzesentwürfe absegnen, bevor diese im Parlament verhandelt werden.
Regierungsvertreter in Athen bezeichneten den Forderungskatalog als „monströs“. Der Schuldenerlass, den Tsipras immer wieder von den Euro-Partnern als Gegenleistung forderte, wird ihm von der Euro-Gruppe nicht in Aussicht gestellt. In eckigen Klammern heißt es aber, es sei eine weitere Verlängerung der Rückzahlungsfristen für die Kredite möglich.
Der Text der Euro-Gruppe schließt - ebenfalls in eckigen Klammern - mit der umstrittenen „Grexit“-Warnung: „Falls keine Einigung erreicht werden konnte, sollten Griechenland rasche Verhandlungen über eine Auszeit von der Euro-Zone angeboten werden, mit einer möglichen Umstrukturierung von Schulden.“