Amnesty International „angewidert“
Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt empfindet angesichts des Plans, bis Ende September 500 Flüchtlinge aus Traiskirchen in die Slowakei zur Versorgung zu schicken, „angewidertes Entsetzen“. „Die neoliberale Logik, dass alles ständig billiger werden muss, macht also nun auch vor Menschenrechten nicht Halt“, ärgerte sich am Donnerstag auch die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Patzelt kritisierte im Ö1-Mittagsjournal vor allem die Aussage „Für Österreich ist das unterm Strich billiger“ von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Wenn nach all dem Managementchaos und dem Schwarzer-Peter-Spielen nun auch noch das als Zielrichtung dazukomme, dann „gute Nacht, Österreich“. Man gebe Flüchtlinge quasi in der „Gepäckaufbewahrung“ ab, so Patzelt empört. „Ich halte das für erbärmlich und grotesk.“ Österreich könnte es schaffen, alle Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, etwa in Privatquartieren, betonte der Generalsekretär von Amnesty International Österreich.

APA/ORF.at
Korun sprach sich in einer Aussendung gegen „Asyldumping in Europa“ aus. Man müsse Mikl-Leitners Vorhaben konsequent weiterdenken: „Wenn dann ein noch ‚billigeres‘ Land als die Slowakei auftaucht, dann transportieren wir die Schutzsuchenden dorthin und immer weiter an den EU-Rand? Wie soll dann das Asylverfahren in Österreich geführt werden können? Indem man Asylbewerber ständig hin- und hertransportiert?“
NGO: Verstößt gegen Asylrecht
Die Asylkoordination ortete juristische Probleme. „Der Vorschlag verstößt gegen das österreichische Asylrecht“, meinte Vereinsobfrau Anny Knapp. Asylwerber, deren Asylverfahren in Österreich bearbeitet wird, die aber in der Slowakei untergebracht werden, würden sich illegal in der Slowakei aufhalten, dürften sich also nicht frei bewegen, erklärte sie beispielsweise. Außerdem sehe das Asylgesetz vor, dass ein Asylverfahren einzustellen ist, wenn der Asylsuchende freiwillig das Bundesgebiet verlässt.
Caritas mit Kritik am mildesten
Die Caritas sieht die Pläne ambivalent: Jedes Quartier, das verhindere, dass Hunderte in Traiskirchen ohne Dach und Bett schlafen müssen, sei zu begrüßen, meinte Generalsekretär Bernd Wachter in einer Aussendung. Eine nachhaltige Lösung sei das aber nicht. Der Vertrag zwischen Österreich und der Slowakei müsse offengelegt werden.
Und: „Es geht hier nicht um die Frage, welche Lösung die für Österreich günstigste ist, sondern darum, ob Österreich Asyl auch in Zukunft als ein Menschenrecht anerkennt, das innerhalb des Landes in vollem Umfang gelebt wird und das innerhalb der Grenzen Gültigkeit besitzt.“ Die Politik solle an den Verhandlungstisch zurückkehren, es brauche einen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
„Brauchen mehr Europa“
Außerdem appellierte Wachter an die Verantwortlichen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten: „Wir brauchen in der Flüchtlingsfrage mehr Europa und nicht weniger. In einem vereinten Europa grenzt Lampedusa, grenzt das Mittelmeer nicht nur an Länder wie Italien oder Griechenland, sondern an jeden einzelnen Mitgliedsstaat der EU.“ Vorstellbar sei auch ein positives Anreizsystem, das jenen Ländern zugutekommt, die mehr Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes, forderte die EU-Innenminister ebenfalls auf, sich auf eine faire Verteilung von Asylwerbern innerhalb der EU zu einigen.
Die „Plattform Christen und Muslime“ rief „angesichts der unerträglichen Bedingungen in den Aufnahmezentren für schwerst traumatisierte Flüchtlinge“ in einem offenen Brief zur Solidarität auf.
Widerstand gegen Verteilzentrum
Die Zelte zur Unterbringung von Asylwerbern in Oberösterreich kommen bis Ende Juli weg. Das sehe ein verbindlicher Zeitplan vor, den Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) mit Mikl-Leitner vereinbart habe, teilte dieser am Donnerstag per Aussendung mit - mehr dazu in ooe.ORF.at.
In Ossiach in Kärnten formierte sich indessen eine Bürgerinitiative gegen das dort geplante Erstaufnahmezentrum für Asylwerber. Es werden Unterschriften gegen das Verteilzentrum in einem ehemaligen Blindenheim gesammelt. Sprecher der Initiative ist ein Ersatzgemeinderat der FPÖ - mehr dazu in kaernten.ORF.at.
Fischer: „Proportionen im Auge behalten“
Die Pläne in Ossiach überschatteten auch in Villach die Eröffnung des Festivals Carinthischer Sommer. Beim Eintreffen von Bundespräsident Heinz Fischer verliehen Ossiacher Bürger mit Protesttafeln ihrer Sorge Ausdruck.
Fischer selbst ignorierte angesichts der Proteste sein vorbereitetes Manuskript und nahm vor allem Bezug auf die Proteste. Er werde die an ihn herangetragenen Sorgen durchaus mitnehmen, „wenn ich sie aber auf eine Waagschale lege und auf der anderen Seite Sorgen sind, die von Bomben und Not und Krieg gekennzeichnet sind“, dann glaube er, dass es richtig sei, alle Anstrengungen zu unternehmen, um berechtigte Sorgen zu überwinden und Menschen Asyl zu gewähren. „Man muss auch die Zahlen und Proportionen richtig im Auge behalten“, so der Bundespräsident.
Bei dem Festakt im Congress Center Villach ersuchte der Bürgermeister der Festspielgemeinde Ossiach, Johannes Huber (FPÖ), als einer der Redner, die Sorgen der Ossiacher Familien ernst zu nehmen. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sagte, er verstehe die Protestkundgebung, „das Bedrohende ist aber nicht der aus seiner Heimat fliehende Mensch, sondern der Krieg in seiner Heimat“. Er warnte vor einer „Versteinerung der Herzen“ und appellierte, es müsse doch möglich sein, verfolgten Menschen ein wenig Ruhe und ein wenig Nahrung zu gewähren.
Links: