Ende einer langen Affäre
Mit einstimmigen Freisprüchen vom Doppelmord-Vorwurf ist am Freitag im Wiener Straflandesgericht der Prozess um die Entführung und Ermordung der kasachischen Banker Zholdas Timralijew und Aybar Khasenow zu Ende gegangen. Der ehemalige Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, Alnur Mussajew, wurde darüber hinaus von sämtlichen weiteren, ihn betreffenden Anklagepunkten freigesprochen.
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Wadim Koschljak, der frühere Sicherheitsberater des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien, Rachat Alijew, wurde in einem einzigen Anklagepunkt schuldig erkannt. Bei ihm gingen die Geschworenen mit 6:2 Stimmen davon aus, dass er gemeinsam mit Alijew die Manager der Nurbank am 31. Jänner 2007 unter einem Vorwand ins Büro der Bank gelockt und sich am weiteren Geschehen insoweit beteiligt hatte, als er an der Verschleppung, Gefangennahme, Befragung und Misshandlung Timralijews beteiligt war. Dafür wurde er wegen Freiheitsentziehung (Paragraf 99 StGB) bei einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt.

APA/Robert Jaeger
Die Angeklagten Wadim Koschljak und Alnur Mussajew
Staatsanwalt geht in Berufung
Von den über ihn verhängten zwei Jahren bekam Koschljak 16 Monate unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nachgesehen. Den unbedingten Strafteil von acht Monaten hat er bereits abgesessen, da ihm die in U-Haft verbrachte Zeit ex lege auf die Strafe angerechnet wurde. Damit wurde - wie der zur Gänze freigesprochene Mussajew - auch Koschljak noch am Freitag enthaftet.
Bei der Strafbemessung wurde Koschljak neben seiner bisherigen Unbescholtenheit die lange Verfahrensdauer mildernd angerechnet. Diese habe sein Leben „beeinträchtigt“, bemerkte der vorsitzende Richter Andreas Böhm. Staatsanwalt Markus Berghammer meldete gegen den Freispruch für Mussajew Nichtigkeitsbeschwerde, gegen die teilbedingte Haftstrafe für Koschljak Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Entscheidungen sind daher nicht rechtskräftig.
Alijew-Witwe sieht postumen Freispruch
Alijew - kasachischer Ex-Botschafter in Wien und Ex-Schwiegersohn des autoritären kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew -, der am 24. Februar tot in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefundenen worden war, war in dieser Causa Hauptangeklagter - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Seine Witwe wertete die Freisprüche für die beiden verbliebenen Angeklagten auch als „postumen Freispruch für Rachat“, wie es in einer der APA übermittelten Stellungnahme hieß. Das Verfahren sei von der „repressiven Diktatur Kasachstan und ihren Schergen fabriziert“ worden. Man habe ihren Ehemann „unrichtigerweise für diese Morde beschuldigt“, doch die Wahrheit habe am Ende „triumphiert“, so Elnara Shorazova in ihrem Statement.
„Gegen eine Diktatur zur Wehr gesetzt“
Und weiter: „Die Anstrengungen meines Ehemannes sind siegreich. Er wartete hoffnungsvoll auf diesen Tag, bedauerlicherweise wurde ihm nicht gestattet, diesen Moment auch zu erleben. Dieses Verfahren sollte seine Unschuld endgültig beweisen und die Unterdrückungen durch das kasachische Regime enthüllen.“
Alijew sei überzeugt gewesen, dass die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen „einen Versuch darstellten, ihn wegen seiner Kritik am repressiven kasachischen Regime zum Schweigen zu bringen“, betonte die Witwe. Alijew habe das Gerichtsverfahren als seine Möglichkeit gesehen, „die Wahrheit endlich ans Licht zu bringen“. Das Verfahren habe gezeigt, „dass keinem der sogenannten ‚Beweise‘ des kasachischen Staates Glauben geschenkt werden kann, da diese höchstwahrscheinlich vom kasachischen Geheimdienst manipuliert und fabriziert wurden“, so Shorazova. Insofern würdige der Ausgang des Schwurpozesses „auch das Leben all jener tapferen Menschen, die sich - genauso wie es mein Ehemann in den letzten Jahren getan hat - gegen eine Diktatur zur Wehr setzten und dafür den höchsten Preis zahlen mussten“.
Lansky: Alijew und Koschljak sind Verbrecher
Anderer Ansicht war Gabriel Lansky, der Rechtsvertreter der beiden Witwen der gewaltsam ums Leben gekommenen Banker, der sich mit seiner Kanzlei als Privatbeteiligtenvertreter dem Verfahren angeschlossen hatte. Lansky betonte im Gespräch mit der APA, die Geschworenen hätten „den Kern der Anklage“ - die Entführung und Gefangennahme von Timralijew und Aybar Khasenow bestätigt: „Damit ist klargestellt, dass Alijew und Koschljak Verbrecher sind.“
Die Geschworenen hätten der von den Verteidigern verbreiteten Darstellung, der kasachische Geheimdienst habe Beweise fingiert und Alijew und seine Helfer wären politisch Verfolgte gewesen, mehrheitlich nicht geglaubt: „Es ist somit auch klargestellt, dass diese von den Verteidigern behauptete KNB-Story nicht stimmt.“
Lansky hob hervor, dass neben der Staatsanwaltschaft auch die Privatbeteiligtenvertreter Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet hätten, zumal die über Koschljak verhängte Strafe bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren „völlig unangemessen“ sei. „Ich bin zuversichtlich, dass der Oberste Gerichtshof den Nichtigkeitsbeschwerden Folge geben wird. Es ist noch nicht aller Tage Abend. Ich halte das Siegesgeheul der Verteidiger für verfrüht“, so Lansky abschließend.
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