Ein „La vache qui rit“-Eck für Paris
Wer einmal in Paris gewesen ist, der kennt auch den Blick über die Stadt. Egal ob vom Tour Montparnasse oder von der Dachterrasse eines anderen Gebäudes aus - fast konkurrenzlos erhebt sich der 324 Meter hohe Eiffelturm weit über die Gebäude der Innenstadtbezirke. 2020 soll das Stadtbild schon anders aussehen: Der Tour Triangle, eine Büro-Hotel-Pyramide, wird im Zentrum, wo seit dem ungeliebten Tour Montparnasse von 1973 keine Genehmigungen mehr für Hochhausbauten vergeben wurden, gebaut.
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Als der Stadtrat Anfang Juli dem Projekt zustimmte, gingen die Wogen hoch. Der mit 500 Mio. Euro veranschlagte, vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron geplante Neubau privater Investoren soll auf dem Messegelände im Südwesten der Innenstadt (Porte de Versailles) entstehen und 180 Meter hoch über die Stadt ragen.
Die Genehmigung dafür war schon einmal Thema im Stadtrat, wurde 2014 aber damals abgelehnt. Weil damals aber einige Abgeordnete bewusst ihre Wahlzettel vor der Stimmabgabe veröffentlichten, befand Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo, dass das Gesetz nicht beachtet worden sei und trieb das Projekt weiter voran.

AP/Benoit Tessier
Mit 324 Metern ist der Eiffelturm der markante Blickfang im Zentrum von Paris
Hotel und Restaurant überzeugten Abgeordnete
Leicht abgewandelt - ein Zehntel der geplanten 70.000 Quadratmeter Bürofläche wurde abgezwackt und soll ein Hotel und ein Restaurant beherbergen - fand der Tour Triangle nun bei einer neuerlichen Abstimmung eine knappe Mehrheit. Damit war einer der Hauptkritikpunkte offenbar entschärft. Eine breite Koalition aus der konservativen UMP, den Zentrumsparteien UDI und MoDem sowie den Grünen hatten nämlich argumentiert, dass es in Paris „mehr als eine Million Quadratmeter“ leerstehende Bürofläche gebe.
Der zweite wesentliche Einwand, den sowohl Politiker als auch Bevölkerung gegen den Neubau haben, ist ästhetischer Natur. Die Zeitung „Le Monde“ nannte die Pyramide „unangemessen“ und befand, dass es nichts Traurigeres gebe, als einen alleinstehenden Turm. Auch die UNESCO warnte schon vor dem Bau neuer Wolkenkratzer, sei Paris doch „eine der seltenen erhaltenen horizontalen Städte“.
„Ihr werdet es kaum wahrnehmen“
Dabei gaben sich die Architekten jede Mühe, das Gebäude in den Renderings bestmöglich an die hochhausunfreundlichen Pariser zu verkaufen. In fast allen Bildern hebt sich der gläserne Tour Triangle kaum von der Umgebung ab, scheint geradezu mit Himmel und Wolken zu verschmelzen. „Ihr werdet es kaum wahrnehmen“, sagten die Entwickler besänftigend, „weil es aus Glas ist“, schrieb Architekturkritiker Richard J. Williams im Magazin „Foreign Policy“. „Sie weisen darauf hin, dass der Komplex aufgrund seiner sich verjüngenden Form keine unerwünschten Schatten werfen wird. Alles, was die Architekten sagen, hat eine Botschaft: Dieses Gebäude ist unsichtbar.“

picturedesk.com/EPA/Herzog & De Meuron
Viel Glas soll den Tour Triangle mit dem Himmel verschmelzen lassen
Das Tour-Montparnasse-Trauma der Pariser
Quasi unsichtbar ist in den Renderings auch ein anderes Gebäude, mit dem man offenbar möglichst wenig in Verbindung gebracht werden will: der Tour Montparnasse, mit 210 Metern Höhe das höchste Gebäude der Innenstadt und nach dem Tour First im Viertel La Defense das zweithöchste Bauwerk in Paris. Auf allen Bildern wird der Tour Triangle so gezeigt, dass das Bürogebäude nicht zu sehen ist. Kein Wunder, erregte das Bürohaus doch bei seiner Errichtung die Pariser wie sonst kaum ein Gebäude.

Reuters/Charles Platiau
Mit dem Tour Montparnasse hat Paris noch immer keine rechte Freude
Immer wieder taucht der Tour Montparnasse in den „Hässlichste Gebäude“-Rankings auf, und der deutsche Architekturkritiker Bruno Flierl nannte ihn „eine der größten europäischen städtebaulichen Dummheiten“. Bei Touristen ist das Hochhaus, das in den vergangenen Jahren wegen der hohen Asbestbelastung für Schlagzeilen sorgte, trotzdem sehr beliebt - vor allem das Restaurant und die Aussichtsplattform im 59. Stockwerk, die einen weiten Blick über Paris bietet. „Es ist der einzige Ort, an dem man einen Blick über die Stadt hat, ohne den Tower sehen zu müssen,“ heißt es im Reiseblog Virtualtourist.com.
Bürgermeisterin Hidalgo verteidigte das Projekt Tour Triangle jedenfalls als neue Attraktion für die Stadt und verspricht 5.000 neue Arbeitsplätze. 2020 soll das Gebäude eröffnet werden, bis dahin suchen die Pariser schon einmal einen Spitznamen dafür. „La vache qui rit“ - als Anspielung auf die Form, die einem Stück des berühmten französischen Streichkäses erinnert, fiel da etwa schon.
Sophia Felbermair, ORF.at
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