Headbangen zur Zufriedenheit
Spirituelle und moralische Verwerfungen einer Jugend außer Rand und Band: Die Prophezeiungen für die Zukunft der „Metalheads“ der 1980er Jahre waren dunkel. Schon damals alles Blödsinn, behauptet nun eine Studie mehrerer US-Psychologen: Aus den Headbangern der wilden Achtziger seien besonders fest im Leben stehende Erwachsene geworden, die auch noch signifikant glücklicher als ihre Altersgenossen seien.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wenn in den 1980ern Iron Maiden, Slayer, Megadeth und Co. durch die Wände der Kinderzimmern drangen, die Haare immer länger und das Gewand immer dunkler wurde, konnte das so manches Elternteil schon in Angst und Schrecken versetzen. Befürchtungen, harte Riffs und dunkle Texte würden die Kinder in einen Strudel aus Satanismus, Sex, Drogen, Depression und Suizid ziehen, grassierten. Zu Meilensteinen der Angst wurden dabei die Suizide von vier Jugendlichen, derentwegen Ozzy Osbourne und Judas Priest wegen Anstiftung zum Suizid durch ihre Musik vor Gericht mussten.
Fans, Musiker, Groupies befragt
Doch wie sieht die Welt eigentlich rund 30 Jahre danach aus? Ein US-amerikanisches Forscherteam hat nun in einer in „Self and Identity“ veröffentlichen Studie ermittelt, was eigentlich aus den zum Verderben verdammten Headbangern der Achtziger geworden ist. Befragt wurden dafür Metalfans, professionelle Musiker, Groupies und zwei Kontrollgruppen, eine bestehend aus Altersgenossen mit einem anderen Musikgeschmack, die andere aus Studenten, ebenfalls keine Metalhörer.

AP
Ozzy Osbourne im Jahr 1985 beim „Rock in Rio“
Die Forscher eruierten ausführlich Kindheitsverhältnisse und psychologische Probleme, demografische Daten und Persönlichkeit, Glücksniveau, derzeitige Lebens- und Partnerschaftsverhältnisse und befragten die Probanden auch nach ihren Jugenderfahrungen. Dabei war für die Forscher unter anderem von Interesse, ob die Metalheads der Achtziger ihre Flegeljahre auf speziell riskante Art und Weise verbracht haben.
Glücklich mit Sex, Drugs and Rock’n’Roll
Die Antwort darauf ist Ja: Wenig überraschend gaben sich Metalheads dem wilden Leben besonders intensiv hin. Bei Alkohol- und Drogenkonsum zeichnen sich bei allen drei Metalgruppen signifikant höhere Nutzungsraten ab, Musiker hatten außerdem erheblich mehr Sexualpartner - und sexuell übertragbare Krankheiten - als alle anderen Gruppen.
Gleichzeitig sehen die Probanden überaus „wohlwollend auf die wilden Achtziger zurück“. Metaller seien in ihrer Jugend nicht nur „signifikant glücklicher“ gewesen als alle anderen Kontrollgruppen, sie bereuen Taten aus ihrer Jugend auch in wesentlich geringerem Ausmaß. Entgegen aller Verteufelungen sind oder waren sie weder besonders anfällig für Suizidversuche oder Sex in frühem Alter, noch ist die Wahrscheinlichkeit für sie höher, im Erwachsenenalter aufgrund von physischen oder psychischen Problemen nicht arbeiten zu können.
Ganz im Gegenteil: Die Kontrollgruppen litten öfter an elterlicher Vernachlässigung, sahen sich verstärkt nach psychologischer Hilfe um und waren weniger glücklich mit ihrer Jugend. Die befragten Metalheads indessen fanden sich rund 30 Jahre später in einem Leben der „Mittelklasse, einträglichen Erwerbstätigkeit und relativ guter Bildung“ wieder. Natürlich hat die Studie einen Haken: All jene, die vom Leben aus der Bahn geworfen wurden , würden sich wohl kaum hinsetzen und einen Fragebogen ausfüllen.
Subkultur als „Airbag“
Als entscheidenden Faktor und Erklärung für das Glück der Metalheads sehen Forscher jedenfalls die Zugehörigkeit zu einer jugendlichen Subkultur, die die Identitätsbildung während der harten Jahre der Pubertät positiv beeinflussen kann. Nahezu verwandtschaftliche Verhältnisse innerhalb der Subkultur, Identifikationsgelegenheiten und ausgeprägter Rückhalt würden trotz zahlreicher Risiken und einer ablehnenden Außenwelt wie ein „Airbag“ gegen Negativeinflüsse wirken.
„Diesen Metalheads war sehr wohl bewusst, mit welchen Stereotypen und Missbehagen die Allgemeinheit sie bedachte, und trotzdem nahmen sie ihre Gruppenzugehörigkeit mit Stolz an und entwickelten Fähigkeiten, um mit ihrer Lebensangst über die Welt im Allgemeinen und der Mainstreamkultur, die sie ablehnten, zurechtzukommen“, so die Forscher.
Blutdruckmittel aus dem Lautsprecher
Metal steht mit dieser Studie übrigens nicht zum ersten Mal im Fokus der Forschung. 2008 kamen Wissenschaftler bei einer Studie zur Verbindung von Persönlichkeit und Musikgeschmack zu der Conclusio, Metalfans seien zwar schüchtern, aber auch sanft und entspannt. Vielleicht ein Grund dafür: Das Hören von Heavy Metal senkt den Blutdruck, so ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum. Australische Wissenschaftler der Universität Queensland schlagen in dieselbe Kerbe: Metal helfe, „negative Gefühle zu regulieren und positive zu verstärken“.
Links: