Von Nationalismus und Weltoffenheit
Im Hafen von Thessaloniki steht eine bronzene Reiterstatue von Alexander dem Großen. Nach seiner Halbschwester Thessalonike wurde die Stadt einst benannt. Doch die kosmopolitischen Vorstellungen des antiken Feldherren decken sich nicht mit der Geschichte der Stadt, die durch Vertreibung und Nationalismus geprägt ist.
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315 v. Chr.: Stadtgründung durch den makedonischen König Kassandros, der die Stadt nach seiner Frau Thessalonike benennt.

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Alexander der Große
815: Method von Saloniki wird geboren. Er verbreitet später gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Kyrill das Christentum unter den Slawen. Außerdem Erfinder der kyrillischen Schrift, die sich ab Ende des 9. Jahrhunderts auf dem Balkan verbreitet.
1430: Die Stadt wird von Sultan Murad II. erobert und in das osmanische Reich eingegliedert.
1492: Auf der iberischen Halbinsel wird von den katholischen Königen Isabella von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon das Alhambra-Edikt erlassen. Es ordnet die Vertreibung aller Menschen jüdischer Religion aus den Gebieten der spanischen Krone an. Viele der sephardischen Juden finden in Thessaloniki eine neue Heimat, auch ihre Sprache, Ladino, findet so den Weg nach Griechenland.
1830: Das Königreich Griechenland wird gegründet. Es vereint große Teile Südgriechenlands, Thessaloniki und der Nordosten des heutigen Staatsgebiets sind nicht Teil des neuen Staats. Entsprechende griechische Befreiungsbewegungen werden von den Osmanen niedergeschlagen.
1881: Mustafa Kemal Atatürk, der Begründer der modernen Türkei, wird in Thessaloniki geboren.

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Mustafa Kemal Atatürk
Ende des 19. Jh.: Die Stadt wächst zusehends und erlebt einen Aufschwung. Während 1865 die Stadt etwa 50.000 Einwohner hatte, waren es 1895 schon etwa 120.000.
1912: Im ersten Balkankrieg erobern die griechischen Truppen die Stadt. Die beinahe 500 Jahre währende Herrschaft der Osmanen in Thessaloniki geht zu Ende.

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Türkische Armee in Thessaloniki, 1912
1922: Der in Kleinasien geführte Türkisch-Griechische Krieg endet mit einer Niederlage Griechenlands. Im Friedensvertrag von Lausanne 1923 wird ein Bevölkerungsaustausch vereinbart: Die Muslime müssen Thessaloniki verlassen, im Gegenzug dafür werden die Griechen aus Anatolien nach Griechenland umgesiedelt. Viele von ihnen lassen sich in Thessaloniki und Umgebung nieder.
1941: Die Nazis besetzen Thessaloniki, und die Maßnahmen gegen die jüdische Gemeinde beginnen. Nachdem den Juden zuerst eine Schutzgeldzahlung von drei Billionen Drachmen abverlangt wird, werden sie ab 1943 in das KZ Auschwitz deportiert. Von den etwa 56.000 Juden kehren nur 2.000 in ihre Heimatstadt Thessaloniki zurück, alle anderen werden von den Nationalsozialisten ermordet.

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Deutsche Wehrmacht in Thessaloniki, 1944
1949: Der griechische Bürgerkrieg zwischen kommunistischen Kräften und den Monarchisten endet mit dem Sieg der Letzteren, das Land ist verwüstet.
1991: Die ersten Republiken Jugoslawiens erklären sich unabhängig, so auch Mazedonien an Griechenlands nördlicher Grenze. Der neue Staat macht die Sonne von Vergina, ein Symbol von Alexander dem Großen, zur Staatsflagge. In Thessaloniki protestieren eine Million Menschen gegen das Verhalten der unabhängigen Republik Mazedonien. Die Beanspruchung des vor über 2.000 Jahren verstorbenen griechischen Helden durch die Mazedonier verstärkt nationalistische Tendenzen im Land.
1993: Griechenland stellt sich offen auf die Seite der Serben unter Slobodan Milosevic. Die griechische Regierung und die Führung der orthodoxen Kirche empfingen damals den Präsidenten der Republika Srpska, Radovan Karadzic, der sich heute als Kriegsverbrecher vor dem Haager Tribunal verantworten muss. Griechische Freiwillige kämpften auch in Srebrenica. Das Land rutscht zusehends in die internationale Isolation.
1997: Thessaloniki wird europäische Kulturhauptstadt, der Vorgänger des heutigen jüdischen Museums wird eröffnet.
1999: Der spätere Premier Griechenlands, Giorgos Papandreou, und sein türkischer Amtskollege Ismail Cem brechen die verhärteten Fronten zwischen den beiden Ländern auf, eine Versöhnungspolitik setzt ein.

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Thessalonikis Hafenpromenade verspricht Abkühlung
2011: Der ehemalige Winzer Giannis Boutaris wird Bürgermeister der Stadt Thessaloniki. Sein Vorgänger wird später wegen Veruntreuung verhaftet, er hat 51 Millionen Euro aus der Staatskasse entwendet.
2014: Thessaloniki ist europäische Jugendhauptstadt, über 150 Veranstaltungen finden dazu statt.