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Ein Greenhorn trifft ins Schwarze

Das Westerngenre ist so zäh wie seine Helden: Es ist nicht umzubringen. Immer wieder beweisen Regisseure, wie viel man aus dem reduzierten Setting aus Prärie, Bösewicht und Held herausholen kann. Wenn jede Ablenkung fehlt, bleibt die Konzentration aufs Wesentliche. Das hat nun ein „Greenhorn“ bewiesen.

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Denn „Slow West“ ist der erste Film des Regisseurs und Drehbuchautors John MacLean. Den Produzenten sei Dank konnte er sein Buch mit hochkarätigen Schauspielern drehen. Michael Fassbender (38; „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“, „Haywire“) spielt die erste Hauptrolle, der genau halb so alte Kodi Smit-McPhee (19) die zweite. Ihn kennt man als jenen Buben, der an der Seite von Viggo Mortensen in der Verfilmung von Cormac McCarthys „The Road“ tapfer durch die Postapokalypse stapfte.

Die Doppelconference der beiden brachte dem Regieneuling MacLean den BAFTA-Award und den Drama-Preis beim Sundance Film Festival ein. Die Landschaft ist weit, die Geschichte simpel. Der junge Jay Cavendish (Smit-McPhee) aus besserer Gesellschaft verliebt sich in Schottland in Rose Ross (Caren Pistorius), ein Mädchen aus schlichten Verhältnissen. Aufgrund einer Verkettung widriger Umstände muss das Mädchen samt ihrem Vater (Rory McCann - bekannt als „Bluthund“ aus „Game of Thrones“) fliehen. Der Bursch bleibt zurück und weiß nur, dass sie in den USA sind und gen Westen ziehen.

Michael Fassbender als "Silas" und Kodi Smit-McPhee als "Jay"

Thimfilm

Jay und Silas: ein ungleiches Paar

Hitze, Hunger, Banditen, Indianer

Die Handlung setzt ein, als Jay bereits quer durch die USA reitet, um seine Angebetete zu finden. Jay ist ein todernster Typ, ein Softie, der zum Philosophieren neigt - und bestimmt nicht geeignet, um Hitze, Hunger, Banditen und feindlich gesinnten Indianern zu trotzen, so trotzig er auch sein mag. Ihm schließt sich recht bald Silas (Fassbender) an. Denn Jay weiß, wo Rose sich aufhält. Und Rose und ihr Vater werden wegen der Vorfälle in Schottland gesucht. Silas ist Kopfgeldjäger und will die Prämie einstreifen.

Aber das weiß Jay nicht. Ihm stellt sich Silas als Beschützer vor - und retten dem Burschen tatsächlich mehrfach das Leben. Die große Frage, die den Spannungsbogen flirren lässt, lautet: Ist Silas jetzt zum väterlichen Freund geworden oder wird er am Ende Rose und ihren Vater töten und beim Sheriff abliefern? Geschickt wird die Antwort bis zum Ende des Films offengelassen, bis zur grandiosen Schießerei, wie es sie nur in Western geben darf.

Lakonik und Liebe

Jeder einzelne Typ, den die beiden Männer auf ihrem Ritt Richtung Westen treffen, ist ein Charakterkopf. Jede einzelne Einstellung des Kameramanns geht über die Totale als Rahmen für die Geschehnisse vor der Kamera hinaus. Und die Dialoge haben es in sich. Philosophie und Bärbeißigkeit, Lakonik und Liebe, jeder einzelne Satz wiegt schwer. Der ganze Film ist ein Parcour für alle, die sich an kleinen Details, die in epische Erzählungen eingeflochten sind, erfreuen können.

Immer wieder fangen Western auch in den vergangen Jahren den Spirit des alten Genres ein und verleihen ihm neues Leben. Erst im Vorjahr hatte ein dänischer Spätwestern für Furore gesorgt - „The Salvation“ mit Mads Mikkelsen in der Hauptrolle. Mikkelsen und Fassbender hätten beide Chancen auf den John-Wayne-Orden, wenn es einen solchen gäbe. Unvergessen auch Johnny Depp in Jim Jarmuschs „Dead Man“. Es gibt vielleicht nicht mehr so viele Western wie früher. Aber tot ist das Genre beileibe nicht.

Simon Hadler, ORF.at

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