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Fast 382.000 Menschen ohne Job

Die Zahl der Arbeitsuchenden ist auch im Juni weiter gestiegen. 381.898 Personen (inklusive Schulungen) waren auf Stellensuche, ein Zuwachs im Jahresvergleich von 7,7 Prozent. Ein deutliches Plus gab es bei Langzeitarbeitslosen, 32.720 Personen waren länger als ein Jahr ohne Arbeitsplatz - eine Zunahme von 182 Prozent.

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Das AMS nennt als Grund den Druck, der von hinzukommenden Arbeitslosen ausgehe, sowie die „Allgemeinsituation“. Weil das Wirtschaftswachstum sehr niedrig sei, gebe es „keine Jobs“. Weil die Zahl der Jobsuchenden generell steige, „wirkt sich das auf Menschen aus, die weniger oft drankommen“, sagte Beate Sprenger vom AMS auf ORF.at-Anfrage. „Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist sehr hoch“, so Sprenger. Das spüren nun vor allem jene, die länger als ein Jahr ohne Beschäftigung sind.

AMS um Relativierung bemüht

Gleichzeitig bemühte man sich aufseiten des AMS zu relativieren: Der Anstieg lese sich auf den ersten Blick dramatisch, jedoch sei das 182-Prozent-Plus auch in Relation zur absoluten Anzahl der Betroffenen zu sehen. Betroffen seien knapp 33.000 Personen, eine Anzahl, die sich im Vergleich zu allen verfügbaren Kräften auf dem Arbeitsmarkt (auch jene in Beschäftigung, Anm.) relativiere - wenngleich es schlicht zu viele seien, wie beim AMS betont wurde.

Grafik zur Arbeitslosigkeit, Juni 2015

Grafik: ORF.at; Quelle: AMS

„Arbeitsmarktpolitik stößt an ihre Grenzen“

In absoluten Zahlen stellt sich die Arbeitslosigkeit in Österreich wie folgt dar: Innerhalb eines Jahres nahm die Zahl der Suchenden um 27.259 Menschen zu. Alleine im Handel stieg die Zahl derer, die keine Arbeit fanden, um 4.757 Personen, im Tourismus waren es 3.982. Dem stand ein Zuwachs der gemeldeten offenen Stellen von 878 gegenüber - über alle Branchen hinweg. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hielt am Mittwoch zu den Zahlen fest: „Die Arbeitsmarktpolitik stößt an ihre Grenzen.“ Es sei eine „gesamtwirtschaftliche Unterstützung notwendig“.

Grafik zur Arbeitslosigkeit, Juni 2015

Grafik: ORF.at; Quelle: AMS/APA

Die Arbeitslosenquote stieg um 0,9 Punkte auf 8,3 (Eurostat-Berechnung: sechs) Prozent. Generell nicht gut ist die Situation weiterhin auch für Ältere und Menschen mit Behinderung. Bei den über 50-Jährigen stieg die Arbeitslosigkeit um 16 Prozent auf 85.648, bei Menschen mit Behinderung ebenfalls um 16 Prozent auf 11.548. Nach Branchen betrachtet schnitten einmal mehr die Arbeitskräfteüberlassung und der Bau besonders schlecht ab (plus 13 bzw. 14 Prozent).

Ausländer besonders stark betroffen

Schlecht schaut es weiterhin für Ausländer aus - hier stieg die Zahl der Jobsuchenden um 26 Prozent auf 87.613. AMS-Chef Johannes Kopf hatte in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass schlecht ausgebildete, in Österreich lebende Ausländer durch gut ausgebildeten Zuzug teilweise verdrängt werden.

Positives gibt es vom Lehrstellenmarkt zu vermelden: Die Zahl der Suchenden sank um 23 Prozent auf immerhin noch 4.909 Personen. Die Zahl der offenen Stellen blieb mit 2.684 stabil. Bei den Schulungsteilnehmern gab es einen Rückgang von 16 Prozent auf 61.726. Das AMS hat weniger Mittel zur Verfügung als zuvor, das hat sich auch auf die Zahl der Schulungen negativ ausgewirkt und zu Protesten der Mitarbeiter der Weiterbildungseinrichtungen geführt.

Nach Bundesländern betrachtet schnitt Wien mit einem Plus von 23 Prozent auf 122.007 Arbeitslose am schlechtesten ab, dahinter folgten Oberösterreich mit einer Zunahme von zwölf und Niederösterreich mit einem Plus von elf Prozent. In Wien gab es auch den stärksten Rückgang an Schulungen (minus 24 Prozent).

Noch kein Termin für Jobgipfel

Am 6. Mai hatten sich Sozialminister Hundstorfer und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) angesichts der stetig steigenden Arbeitslosenzahlen und des Rückfalls Österreichs im internationalen Vergleich auf einen Arbeitsmarktgipfel verständigt. Ein Termin dafür ist bis dato nicht bekannt.

Im Mai war Österreich im OECD-Vergleich innerhalb der EU bei den Arbeitslosenzahlen auf den sechsten Platz zurückgefallen. Im Vergleich sieht es beispielsweise in Deutschland besser aus: Dort wurde am Dienstag die geringste Arbeitslosenzahl seit dem Jahr 1991 präsentiert. 2,711 Mio. Deutsche waren auf Jobsuche - in Österreich mit rund einem Zehntel der Einwohner waren es 381.898. Bei der Jugendarbeitslosigkeit liegt Österreich mittlerweile nur noch auf dem drittbesten Platz in der EU - dabei war das Land noch vor gar nicht allzu langer Zeit europäischer Musterschüler.

AK: „Worten müssen Taten folgen“

Für die Arbeiterkammer (AK) läuten alle Alarmglocken. „Den Worten müssen nun Taten folgen. Die Regierung muss die Ärmel hochkrempeln und Beschäftigungsinitiativen dringend anpacken“, so AK-Präsident Rudolf Kaske. Er verlangte „Investitionen in soziale Dienstleistungen, Wohnbau und Infrastruktur, neue Formen der Arbeitszeitverkürzung und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen“. Unterstützung bekam er vom SPÖ-Pensionistenverband. „Diese Negativspirale muss gestoppt werden. Dafür muss aber die Wirtschaft endlich ihrer Pflicht nachkommen. Dafür brauchen wir das Bonus-Malus-System“, so Generalsekretär Andreas Wohlmuth.

Davon hält wiederum die Industriellenvereinigung (IV) nichts. „Das österreichische Arbeitszeitrecht ist unübersichtlich und sehr restriktiv. Die Rahmenbedingungen entsprechen vielfach nicht den Notwendigkeiten einer modernen, global vernetzten Arbeitswelt“, so Generalsekretär Christoph Neumayer. Ein „wesentlicher Hebel“ sei auch die Senkung des Beitrags zum Familienlastenausgleichsfonds.

Kritik von der FPÖ

FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl vermisst wiederum einen Termin für den angekündigten Jobgipfel. „Seit knapp zwei Monaten verhöhnen SPÖ und ÖVP die von Arbeitslosigkeit Betroffenen samt ihren Familien“, so Kickl. Er sieht darin ein Zeichen für die Brüchigkeit der SPÖ-ÖVP-Regierungskoalition. NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker vermutet, dass Hundstorfer den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufgegeben habe. Dem hält Hundstorfer entgegen: „Die Zahl der gemeldeten Stellen entwickelt sich wieder in eine positive Richtung. Ende Juni liegt der Bestand an gemeldeten offenen Stellen mit 29.865 um 878 bzw. drei Prozent über dem Vorjahreswert.“

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