Die vielen Aufgaben des AMS
Das Arbeitsmarktservice (AMS) muss sparen: Kurse und Schulungen für Arbeitslose werden eingeschränkt, die 2013 eingeführten Fachkräftestipendien in den nächsten beiden Jahren ausgesetzt. Statt in Maßnahmen zur Qualifizierung von Arbeitssuchenden konzentriert das AMS seine Mittel auf Wiedereingliederungshilfen.
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Aktuell sind fast 400.000 Menschen in Österreich arbeitslos bzw. Teilnehmer an einem AMS-Kurs. Zur nach wie vor schwachen Konjunktur kommen in Österreich zusehends strukturelle Probleme. Bei gewissen Gruppen beginne sich die Arbeitslosigkeit „zu verfestigen“, wie Experten betonen. Besonders betroffen sind Menschen mit geringerer Qualifikation sowie jene mit gesundheitlichen Problemen und - aus demografischen Gründen - die Generation der über 50-Jährigen.
Dem AMS stehen für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen heuer 1,395 Milliarden Euro zur Verfügung, der gleiche Wert wie 2014. Die Situation rechtfertige eine Erhöhung der Mittel, so Wirtschaftsforscher Helmut Mahringer vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO): „Wir haben mehr Arbeitslose und auch mehr Arbeitslose, die intensive Betreuung benötigen. Aus beiden Gründen wäre eine Erhöhung der aktiven Arbeitsmarktpolitik sinnvoll.“ Mahringer ist einer von drei Fachleuten, die von ORF.at zur derzeitigen und künftigen Situation des AMS befragt wurden.
Gutes Zeugnis
„An einer Knappheit der Mittel wird es nicht scheitern“, sagte hingegen Ulrich Schuh von EcoAustria. Die Forcierung von Wiedereingliederungsmaßnahmen sei der richtige Weg. Allerdings werde teilweise weiterhin auf teure, aber sinnlose Maßnahmen gesetzt. Als Beispiel nannte Schuh die Altersteilzeit. Sie sei „kostspielig und nicht nur ineffektiv, sondern kontraproduktiv“. Im Rahmen der Altersteilzeit können Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit um 40 bis 60 Prozent verringern. Das AMS gewährt einen Zuschuss in der Höhe von 70 und 80 Prozent des bisherigen Einkommens.
Im Großen und Ganzen stellen die Experten dem AMS ein gutes Zeugnis aus. „Wir sind mittlerweile international führend, was die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft“, so Schuh. „Das AMS hat die Zeichen der Zeit erkannt“, so Sandra Müllbacher vom Institut für Höhere Studien (IHS). So würden der Sprung in die Selbstständigkeit und Unternehmensgründungen verstärkt unterstützt. „Verantwortlich für den Anstieg der Arbeitslosigkeit sind konjunkturelle und demografische Gründe und nicht die Arbeitsmarktpolitik“, so Mahringer vom WIFO.
Arbeitsmarkt im Umbruch
Eine weitere Herausforderung für das AMS: Der Arbeitsmarkt in Österreich sei im Moment extrem dynamisch, sagte IHS-Expertin Müllbacher: „Man wird nicht nur arbeitslos, weil seine Firma zusperrt. Phasen der Arbeitslosigkeit gehören heutzutage dazu.“ Dass jemand von der Lehre bis zur Pension im gleichen Betrieb bleibt, ist in den vergangenen Jahren selten geworden. „Mehr als 900.000 Personen waren im Vorjahr mindestens einen Tag lang von Arbeitslosigkeit betroffen, um 30 Prozent mehr als noch vor 20 Jahren“, so das AMS gegenüber ORF.at. Um den Zuwachs bewältigen zu können, habe man die Selbstbedienung im Internet massiv ausgebaut. Kernstück hierbei sei das eAMS-Konto.
„Ich würde dafür plädieren, dass die Arbeitsmarktpolitik Konjunkturzyklen folgt“, so der Ökonom Schuh. Bei schlechter Wirtschaftslage - wie sie derzeit herrscht - sei es sinnvoller, längerfristige und qualitativ hochwertige Maßnahmen kürzeren Kursen vorzuziehen. Arbeitssuchende sollten ihre Kurse selbst wählen können, das AMS lediglich Zuschüsse gewähren. Die privaten Kurse funktionierten besser als jene des AMS bzw. AMS-naher Anbieter, so Schuh weiter.
„Weniger Flexibilität“ durch Mittelbindung
Mitte Juni wurden im Nationalrat Maßnahmen für ältere Arbeitssuchende beschlossen. Mit zusätzlichen AMS-Mitteln (250 statt 120 Mio. Euro für 2016 und 2017) soll über 50-Jährigen, die länger als sechs Monate auf Jobsuche sind, geholfen werden, wieder im Arbeitsmarkt unterzukommen. 60 Prozent dieser Mittel würden für Eingliederungsbeihilfen lockergemacht, hieß es beim AMS auf Nachfrage von ORF.at: „Dabei zahlt das AMS zeitlich befristet einen Großteil des Lohns, um ältere Jobsuchende bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.“ 40 Prozent des Budgets würden für die Kombilohnbeihilfe und für sozialökonomische Betriebe sowie gemeinnützige Beschäftigungsprojekte verwendet.
Das Geld stamme aus „passiven Mitteln“ - gemeint sind Mittel, die sonst für die Unterstützung Arbeitsloser ausgegeben werden -, so WIFO-Ökonom Mahringer. Das schränke die Maßnahmen bei anderen Arbeitslosengruppen ein, so Mahringer: „So eine Mittelbindung ermöglicht weniger Flexibilität in der aktiven Arbeitsmarktpolitik.“ Auf der anderen Seite habe sich gezeigt, dass Wiedereingliederungsmaßnahmen bei älteren Arbeitslosen wirksamer sind als bei jüngeren.
„Umsetzungsstarke Institution“
Deutschkurse für Asylberechtigte, die Förderung von Bildungskarenz und Bildungsteilzeit, das ausgesetzte Fachkräftestipendium, das mittelqualifizierten Arbeitnehmern und Arbeitslosen eine fachspezifische Ausbildung ermöglichte, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Geringqualifizierte, Altersteilzeit für Senioren: Das AMS stemmt bisweilen Aufgaben, die auch in anderen Bereichen untergebracht sein könnten. „Das AMS ist eine sehr umsetzungsstarke Institution“, so Mahringer. Daher neige die Politik dazu, dem AMS verschiedene Aufgaben zu übertragen. „Gerade Maßnahmen für Beschäftigte (etwa die Bildungskarenz, Anm.) könnte man durchaus aus anderen Töpfen finanzieren“, so Mahringer.
Philip Pfleger, ORF.at
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