Riesiger Schuldenberg noch 2030
Am Sonntag will Athen in einem Referendum das Volk über die Forderungen seiner internationalen Kreditgeber abstimmen lassen, in den Verhandlungen stehen die Zeichen inzwischen weiter auf Patt. Griechenland argumentiert, dass der harte Sparkurs allein seine Probleme nicht lösen, sondern die Situation nur verschärfen werde. Ganz falsch ist das offenbar nicht.
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Griechenland würde sich, auch wenn es alle Forderungen, den Gürtel noch enger zu schnallen, erfüllt, noch 2030 einem unbewältigbaren Schuldenberg gegenübersehen, hieß es am Donnerstag im „Guardian“. Die britische Tageszeitung bezieht sich in ihrer Einschätzung auf „geheime Dokumente“ der Kreditgebertroika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Das Argument Athens, dass es einen weiteren Schuldenschnitt brauche, damit das Land wieder auf die Beine kommt, sei also nicht ganz falsch.
Verschuldung bei 175 Prozent des BIP
Laut IWF-interner Schätzung würde Griechenland 2030 immer noch auf einem Schuldenberg von 118 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) sitzen, wenn es alle aktuellen Forderungen der Troika erfülle. Das liege deutlich über der Schwelle von 110 Prozent, die der Währungsfonds noch als bewältigbar ansehe. Derzeit liege der Wert bei 175 Prozent des BIP und werde wahrscheinlich noch weiter steigen. Laut Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat schrumpfte die griechische Wirtschaft zwischen Oktober und März.
„Zugeständnisse“ heißt Schuldenschnitt
Die Dokumente der Troika bestätigten, dass unter den derzeitigen Vorzeichen „signifikante Zugeständnisse“ notwendig wären, damit Griechenland aus seiner Negativspirale aus Spardruck und Konjunkturschwäche kommt - wobei „Zugeständnisse“ einen weiteren Schuldenschnitt bedeuten. Selbst unter dem optimistischsten - und gleichermaßen unmöglichen - Szenario eines Wirtschaftswachstums von vier Prozent pro Jahr würde sich die Staatsverschuldung bis 2022 nur auf 124 Prozent des BIP drücken lassen. Dieses „Best Case“-Szenario würde außerdem beinhalten, dass Privatisierungen Athen 15 Mrd. Euro einbringen - fünfmal so viel wie das wahrscheinliche Szenario.
Jedenfalls habe Athen keine Chance, den Schuldenberg bis auf „deutlich unter 110 Prozent des BIP bis 2022“, das von der Troika vorgegebene Ziel, abzubauen. Es sei „klar“, dass die politischen Turbulenzen der letzten Monate „das Erreichen der Ziele von 2012 unter allen Umständen unmöglich gemacht“ hätten, heiße es wörtlich in einer Analyse der Schuldentragfähigkeit Athens. Schuldentragfähigkeit bedeutet vereinfacht die Fähigkeit eines Schuldners, seine Verbindlichkeiten aus bisherigen Rückständen (Raten und Zinsen) zu begleichen.
Letztes Angebot ein Schwindel?
Die Papiere waren erst, auch darauf verweist der „Guardian“, am Wochenende in der „Süddeutschen Zeitung“ aufgetaucht, nachdem sie an die deutschen Bundestagsabgeordneten verschickt worden waren. Man hatte mit einer Abstimmung darüber im Bundestag in Berlin gerechnet. Es war dann auch die deutsche Zeitung, die unter dem Titel „Diesen Deal wollte (der griechische Ministerpräsident) Alexis Tsipras nicht“ darauf verwiesen hatte, dass der Vorschlag der Troika ein gar nicht so großes Entgegenkommen war, wie es offiziell hieß. Unter anderem hätte´er ein „milliardenschweres Investitionspaket“ vorgesehen, „das in Wahrheit keines ist“.
Doch obwohl den Gläubigern die Situation Griechenlands samt Notwendigkeit eines Schuldenschnitts bewusst sei, enthielten die Dokumente keine strategischen Details, auch nicht über ein mögliches drittes Hilfspaket, so der „Guardian“. Das ließe sich, genau wie ein Schuldenschnitt, politisch derzeit wohl schwer durchsetzen.
Deutsche gegen weiteres Entgegenkommen
Der „Spiegel“ wollte am Dienstag wissen, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Athen „am Ende Angebote gemacht habe, die weit über die Linie der Euro-Finanzminister hinausgingen“. Merkel habe nicht nur einer Umschuldung, sondern sogar einem dritten Hilfspaket zustimmen wollen, schrieb das deutsche Nachrichtenmagazin unter dem Titel „Was Merkel den Griechen noch alles angeboten hat“. Allerdings: Das hätten nicht nur Gegner, sondern auch „ihre eigenen Leute“ wohl als Sich-über-den-Tisch-ziehen-Lassen verstanden. „Damit hätte sie wohl heftige Auseinandersetzungen mit der Unionsfraktion provoziert.“
Auch bei den Deutschen würde sich Merkel mit einem weiteren Nachgeben wahrscheinlich nicht populärer machen. Laut jüngstem ZDF-Politbarometer befürworten inzwischen 51 Prozent einen Euro-Austritt Griechenlands, nur 41 sind dafür, dass Athen in der Währungsunion bleibt. Zu Jahresbeginn waren es noch 55 Prozent gewesen. 70 Prozent der Deutschen lehnten zuletzt auch weitere Zugeständnisse an Athen ab.
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