Attentäter handelte offenbar alleine
Nach dem offenbar islamistischen Anschlag auf eine Gasfabrik in Frankreich hat es mehrere Festnahmen gegeben, die Behörden halten den 35-jährigen Yassin S. für einen Einzeltäter. Es gebe keinerlei Hinweise auf einen Komplizen während des Anschlags, sagte Anti-Terror-Staatsanwalt Francois Molins am Freitagabend in Paris.
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Zeugen zufolge hat sich der Attentäter alleine im Auto befunden, als er am Freitagvormittag auf das Gelände der Industrieanlage der US-Firma Air Products in einem Gewerbegebiet von Saint-Quentin-Fallavier nahe Lyon fuhr. Der Täter, der später von einem Feuerwehrmann überwältigt und dann festgenommen werden konnte, raste Ermittlern zufolge mit einem über eine Zufahrtserlaubnis verfügenden Fahrzeug auf das Betriebsgelände.
Als Lieferant im Werk bekannt
Nahe Bewohner berichteten von einer „enormen Explosion“. Der Angreifer sei überwältigt worden, als er versucht habe, eine Azeton-Flasche zu öffnen, erklärte Anti-Terror-Staatsanwalt Molins. Der mutmaßliche Täter S. sei in dem Werk als Lieferant bekannt gewesen, ebenso das bei dem Anschlag benutzte Fahrzeug. Der Wagen sei für Lieferungen an die Fabrik benutzt worden, sagte Molins.

AP/Laurent Cipriani
Ermittler sichern das Gelände der Gasfabrik
Täter enthauptete offenbar seinen Chef
Den nach den Explosionen herbeigeeilten Polizisten bot sich ein schreckliches Bild: Sie fanden die enthauptete Leiche eines Mannes und den abgeschlagenen Kopf - befestigt am Zaun der Firma und bedeckt von arabischen Schriftzeichen. Auch Fahnen mit islamistischen Parolen wurden entdeckt.
Später stellte sich heraus, dass es sich um den Chef des mutmaßlichen Attentäters handelte, einem Transportunternehmer aus einem Vorort von Lyon. Auch wurde nicht ausgeschlossen, dass der Täter und der später Ermordete gemeinsam zur Fabrik gefahren sind. Laut dem Staatsanwalt war in der Nähe des abgetrennten Kopfes ein Messer entdeckt worden. Der 54-Jährige sei feige ermordet worden, sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande.
2006 wurden Behörden aufmerksam
Den Sicherheitsbehörden war der mutmaßliche Täter Yassin S. schon früher aufgefallen, doch offenbar ist seine Gefährlichkeit unterschätzt worden. Bereits 2005 und 2006 wurden die französischen Geheimdienste auf den Mann aufmerksam, dessen Vater algerischer und dessen Mutter marokkanischer Abstammung ist. Er habe Kontakt zu einer Gruppe radikaler Islamisten gehabt, als Eiferer sei er aber nicht aufgefallen, wie ein Ermittler sagte. 2006 wurde er auf eine Liste verdächtiger Personen gesetzt, zwei Jahre später aber wieder aus dem Register gestrichen.

Grafik: ORF.at/Omniscale/OSM
Im Jahr 2013 dann wurden die Sicherheitsbehörden wieder auf den Mann aufmerksam, wieder gab er sich mit mutmaßlichen Islamisten ab. Damals trug er ein langes Männergewand und einen Bart, wie ihn Salafisten tragen. Innenminister Bernard Cazeneuve sagte am Freitag, S. habe Verbindungen zur „salafistischen Bewegung“ gehabt. Mit verbotenen Aktivitäten wurde er aber nie in Verbindung gebracht, auch vorbestraft war er nicht.
Auch Ehefrau wurde verhört
Auch die Frau des mutmaßlichen Attentäters wurde am Freitag festgenommen - zuvor hatte sie aber noch ein Radiointerview gegeben und sich fassungslos über die Vorwürfe gegen ihren Mann gezeigt. „Mein Herz bleibt stehen“, sagte sie auf Europe 1. „Wir sind normale Muslime, wir machen den Ramadan. Wir haben drei Kinder, ein normales Familienleben.“ Sie wüsste nicht, warum ihr Mann ein Attentat hätte verüben sollen. Auch eine Schwester des mutmaßlichen Attentäters soll in Gewahrsam sein. Ein weiterer Verdächtiger wurde zunächst als möglicher Komplize festgenommen, seine Wohnung wurde durchsucht.
Bluttat in Lyon
Nach dem blutigen Anschlag auf eine Gasfabrik nahe Lyon gibt es einen Hauptverdächtigen. Das Vorgehen des mutmaßlichen Täters rief nicht nur in Frankreich Entsetzen hervor.
Höchste Terrorwarnstufe für Region
Präsident Hollande sagte, die für den Anschlag verantwortlichen „Gruppen und Personen“ müssten „ausradiert“ werden. Er bezeichnete den Angriff als „Terroranschlag“. Die Regierung rief für die gesamte Region die höchste Terrorwarnstufe aus. Der Anti-Terror-Plan Vigipirate werde drei Tage lang in der Region Rhone-Alpes auf die höchste Alarmstufe angehoben, sagte Hollande am Freitag nach einem Verteidigungskabinett in Paris.
Nach Angaben von Medien schließen die Behörden weitere Attacken nicht aus - darum befänden sich die Sicherheitskräfte im Großeinsatz. Premierminister Manuel Valls kürzte seinen Besuch in Lateinamerika ab. Er ordnete an, „sofort“ in der gesamten ostfranzösischen Region Rhone-Alpes die Sicherheitsvorkehrungen für Einrichtungen zu verstärken, die gefährdet sein könnten. Die vom Anschlag betroffene US-Firma Air Products, die Gas- und Chemieprodukte für die Industrie herstellt, ist als Industrieanlage mit Gefahrgut eingestuft.

Reuters/Emmanuel Foudrot
Ort des Anschlags - eine Gasfabrik nahe Lyon
Anschlag verurteilt
Nach der Attacke verurteilten EU-Staaten die Tat. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte laut einer Aussendung: „Demokratische Gesellschaften wie unsere dürfen sich dadurch nicht einschüchtern lassen. Wir müssen weiterhin unsere Grundwerte mit Nachdruck verteidigen.“
Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere sicherte dem Nachbarstaat Frankreich die Solidarität Deutschlands zu. „Wir sind alle in Gedanken bei unseren französischen Freunden“, sagte De Maiziere am Freitag in Mainz. Das Geschehen berühre ihn sehr. Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy schrieb via Twitter, er verurteilte die Attacke auf das Schärfste. „Die Demokraten werden immer gegen die Barbarei einstehen.“
Frankreich war erst vor knapp einem halben Jahr durch die islamistische Anschlagsserie von Paris erschüttert worden: Im Jänner hatten drei Islamisten bei Anschlägen auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“, auf eine Polizistin und einen jüdischen Supermarkt im Großraum Paris insgesamt 17 Menschen getötet.
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