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Attacke in Badeort, Angreifer getötet

Im tunesischen Urlaubsort Sousse hat ein Angreifer am Freitag auf einem Hotelstrand mindestens 37 Menschen erschossen, darunter zahlreiche Europäer. Ein Angreifer sei nach dem „Terroranschlag“ selbst getötet worden, teilte das Innenministerium mit. Nach offiziellen Angaben handelt es sich beim mutmaßlichen Täter um einen Studenten.

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Er soll seine Waffe, eine Kalaschnikow, in einem Sonnenschirm versteckt haben. Der bisher polizeilich nicht bekannte Mann stammte laut dem für Sicherheitsfragen zuständigen Staatssekretär Rafik Chelly aus der Region von Kairouan, der vierten heiligen Stätte des Islams nach Mekka, Medina und Jerusalem. Chelly sagte dem Radiosender Mosaique FM, der Attentäter habe ausgesehen, als sei er am Strand unterwegs zum Baden.

Offiziellen Angaben zufolge wurden bei der Attacke fünf Briten, eine Irin, Belgier und Deutsche getötet. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass deutsche Staatsangehörige Opfer des Anschlags geworden sind“, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Die deutsche Botschaft riet allen Staatsbürgern in einer per E-Mail versandten Mitteilung, die Umgebung des von tunesischen Sicherheitskräften abgeriegelten Tatorts zu meiden.

Innenministerum: Nur ein Attentäter

Entgegen ersten Angaben handelte der Attentäter alleine. Ein Sprecher des Innenministeriums in Tunesien sagte am Freitagabend, es gebe „keine offiziellen Verhaftungen“ von weiteren Tatverdächtigen. Zuvor hatten Quellen berichtet, ein zweiter mutmaßlicher Täter sei festgenommen worden.

Einschussloch in Hoteltür

APA/EPA/Mohamed Messara

Der Attentäter schoss nach Angaben von Augenzeugen wahllos um sich

„Junger Typ mit kurzen Hosen“

Ziel des Anschlags waren das Hotel Imperial Marhaba sowie das Nachbarhotel Muradi Palm Marinay, berichtete die spanische Nachrichtenagentur EFE unter Berufung auf Sicherheitskreise. „Einer der Angreifer eröffnete das Feuer auf Touristen und Tunesier mit einer Kalaschnikow am Strand des Hotels“, sagte ein Angestellter des Imperial Marhaba. „Es war nur ein Angreifer. Es war ein junger Typ, der kurze Hosen trug, als wäre er selber ein Tourist.“ Der Schütze sei bisher nicht mit Kontakten zu Terrorgruppen aufgefallen, meldeten lokale Medien.

Botschafter: Alle Österreicher offenbar „wohlauf“

„Soweit wir das wissen, sind alle Österreicher wohlauf“, sagte Österreichs Botschafter in Tunesien, Gerhard Weinberger, am Freitagabend in der ZIB2 nach dem Terroranschlag. „Wir haben entweder direkten Kontakt oder über die Reiseveranstalter“, erklärte er. „Das funktioniert relativ gut.“ Es sei „ein sehr eigenartiges Gefühl“ in der tunesischen Stadt Sousse zu sein, schilderte der Diplomat. Die Leute stünden unter Schock. Zudem hätten sie auch Angst vor der Zukunft, da die Stadt vom Fremdenverkehr lebe und somit bei dem Anschlag ein wichtiger Wirtschaftszweig getroffen worden sei.

Viele der Urlauber, die sich zurzeit in Tunesien aufhalten, möchten laut Weinberger möglichst rasch wieder ausreisen. „Natürlich wollen die Leute jetzt in erster Linie abreisen, das ist auch verständlich.“ Nach Angaben von Außenamtssprecher Martin Weiss halten sich derzeit rund 500 Österreicher in Tunesien auf. Es gebe keine Hinweise, dass sich Österreicher unter den Opfern des Terroranschlags auf die beiden Hotels bei Sousse befinden, sagte Weiss am Freitag auf Anfrage der APA. Allerdings seien noch nicht alle Opfer identifiziert, schränkte er ein.

Vier Österreicher in Hotel

Zum Zeitpunkt des Anschlags hielten sich vier Österreicher in dem hauptbetroffenen Hotel Imperial Marhaba auf. Man habe sie kontaktiert und sie seien wohlauf, aber schockiert, so der Außenamtssprecher. „Wir werden alles daran setzen, die Österreicherinnen und Österreicher in Sousse so gut wie möglich zu betreuen“, versicherte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP).

Karte von Tunesien

APA/ORF.at

Kurz verurteilt Terroranschlag aufs Schärfste

Kurz zeigte sich über den Terroranschlag erschüttert und rief zum entschiedenen Kampf gegen Dschihadismus auf. „Ich verurteile diesen feigen Akt der Barbarei auf das Schärfste. Unser aufrichtiges und tief empfundenes Mitgefühl gilt in diesen schweren Stunden den Angehörigen und Freunden der Opfer“, erklärte Kurz am Freitag in einer Aussendung.

Einmal mehr zeige sich, dass es sich um einen Kampf der zivilisierten Welt gegen die Barbarei des Dschihadismus handle, sei es in Frankreich, Tunesien oder Kuwait, so der Minister. „Das Außenamt unterstützt die vor Ort befindlichen Österreicherinnen und Österreicher so gut wie möglich und steht in laufendem Kontakt mit den Reiseveranstaltern“, so Kurz.

Schock in Tunesien

ZDF-Korrespondent Theo Koll berichtet aus Sousse, wo ein als Tourist getarnter Attentäter an einem Strand vor einem Hotel mit einer Kalaschnikow wahllos auf Touristen schoß.

Reisewarnung nur für Sahara-Gebiete

Das Ministerium macht auf seiner Website auch auf die Möglichkeit zur Reiseregistrierung für alle Urlauber aufmerksam. Diese erlaubt es, im Krisenfall leichter mit Urlaubern Kontakt zu halten. Für Tunesien gilt aber wie bereits bisher nur eine Reisewarnung für die Sahara-Gebiete, wo es immer wieder zur Entführung von Ausländern kommt. Im Rest des Landes - darunter auch in den beliebten Badeorten an der Küste - gebe es ein „erhöhtes Sicherheitsrisiko“, von Reisen wird aber nicht grundsätzlich abgeraten.

Tunesien brauche Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). „Der heutige Anschlag kann uns darin nur bestärken“, fügte er hinzu.

Reiseveranstalter ziehen Konsequenzen

Nach dem Anschlag bietet TUI Urlaubern aus Österreich und Deutschland den kostenlosen Rücktritt von Reisen in das Land an. TUI-Gäste, die in der aktuellen Sommersaison eine Tunesien-Reise gebucht haben, könnten bis einschließlich 15. September gebührenfrei umbuchen oder stornieren, teilte der Tourismuskonzern am Freitag mit.

Für Urlauber am Ort des Geschehens, die ihre Reise vorzeitig beenden wollen, organisiere TUI vorzeitige Abreisen, sobald das möglich sei, sagte TUI-Österreich-Sprecherin Kathrin Limpel. Derzeit befinden sich laut dem Unternehmen rund 3.800 deutsche TUI-Gäste in Tunesien. Zur Zahl der österreichischen Urlauber könne man aber keine Angaben machen, sagte die Sprecherin.

Geschockte Touristen umarmen sich

APA/EPA/Mohamed Messara

Augenzeugen berichten von „Panik“ auf dem Hotelstrand

Einer der größten polnischen Reiseveranstalter setzte indes Flüge nach Tunesien aus. Alle Reisen in das nordafrikanische Land würden gestoppt, berichtete der Rundfunksender TOK FM am Freitag unter Berufung auf eine Sprecherin von Itaka Polska.

Tote bei Terrorangriff in Bardo

Mitte März hatten zwei Bewaffnete in Tunis das berühmte Bardo-Nationalmuseum angegriffen und dabei 21 Menschen getötet. Obwohl die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) sich zu dem Anschlag bekannt hatte, hatte die tunesische Regierung die mit dem rivalisierenden Al-Kaida-Netzwerk verbündete islamistische Brigade Okba Ibn Nafaa dafür verantwortlich gemacht. Im April 2002 waren bei dem bis dahin schwersten Terroranschlag in Tunesien auf eine Synagoge in Dscherba 21 Menschen ums Leben gekommen, darunter 14 deutsche Urlauber.

Anders als in Ländern wie Libyen, Syrien und Ägypten blieb es in Tunesien nach den Volksaufständen des „arabischen Frühlings“ lange Zeit ruhig. Allerdings gibt es mehrere islamistische Extremistengruppen in dem Land, etwa die Ansar al-Scharia. Im Nachbarland Libyen versucht zudem die IS-Miliz an Boden zu gewinnen. Nach Schätzungen der Behörden haben sich 3.000 Tunesier dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen. Die tunesische Regierung ist in Sorge, dass Rückkehrer im Land Anschläge verüben könnten. Am Montag ist der erste Jahrestag der Gründung des „Kalifats“ in Syrien und dem Irak durch die IS-Terrormiliz.

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