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Stolperstein Schiedsgericht

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn (LSAP) glaubt nicht an eine rasche Einigung in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP). Das Ziel der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), noch in diesem Jahr einen Abschluss zu erreichen, rückt in immer weitere Ferne. Vor allem die privaten Schiedsgerichte zählen zu den größten Streitpunkten in den Verhandlungen.

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„Ich sehe weder in der Substanz noch im Prozess eine Chance, dass unter luxemburgischer Präsidentschaft die TTIP-Verhandlungen abgeschlossen werden“, sagte Asselborn der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe). Luxemburg übernimmt am 1. Juli für ein halbes Jahr turnusgemäß die EU-Präsidentschaft.

Asselborn und Gabriel skeptisch

In den Verhandlungen sei bisher kein wichtiger Punkt geklärt worden, kritisierte der Sozialdemokrat Asselborn. Entscheidend sei, dass die USA und ihre Bundesstaaten öffentliche Ausschreibungen für Anbieter aus der EU öffneten. Die umstrittenen Schiedsgerichte kämen nur infrage, wenn sie öffentlich tagten, es eine Berufungsinstanz gebe und sie mit Richtern statt mit Rechtsanwälten besetzt würden. Grundsätzlich müssten die EU-Standards bei Verbraucherschutz und öffentlichem Dienst gewahrt bleiben. „Ich bin nicht bereit, für TTIP zu sterben“, sagte Asselborn.

Auch der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zweifelt am Zustandekommen des Freihandelsabkommens. „Es kann sein, dass das am Ende scheitert“, sagte Gabriel vergangene Woche vor dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Berlin. „Ich bin weit davon entfernt, sicher zu sein, dass es am Ende zu einem Abkommen kommt.“ Es gebe viele Gründe, weshalb es am Ende nicht klappen könnte. Dennoch solle weiter versucht werden, die Vereinbarung zwischen den beiden größten Wirtschaftsräumen der Erde zu schließen. Nur so könnten eigene Standards gesetzt werden. Andernfalls müsse man sich anderen anpassen.

Kritiker befürchten Klagen durch Schiedsgerichte

Die bisher in TTIP vorgesehenen privaten Schiedsgerichte zählen zu den größten Streitpunkten in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen. Die TTIP-Gegner befürchten, dass Konzerne dort unter Berufung auf das Abkommen Schadenersatz für unliebsame Gesetze verlangen und so indirekt Druck auf Regierungen ausüben könnten. Solche Schiedsgerichte finden sich schon jetzt in vielen Handelsabkommen.

Auch für die Pharmabranche könnte ein solches Kapitel zum Schutz von Investitionen im TTIP-Vertrag neue Klagemöglichkeiten eröffnen. Zwischen Kanada und dem US-Konzern Eli Lilly etwa wird derzeit unter dem Dach des amerikanisch-kanadischen Freihandelsabkommens so ein Streit ausgetragen. Das Unternehmen fordert 500 Mio. kanadische Dollar (360,6 Mio. Euro) Schadenersatz vom Staat, weil kanadische Gerichte Patente des Konzerns kassiert hatten. Die Parteien streiten darüber, ob zwei Medikamente tatsächlich Innovationen sind und deshalb einen entsprechenden Patentschutz bekommen müssen.

Kritik am weltgrößten Wirtschaftsraum

Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über TTIP. Mit rund 800 Millionen Verbrauchern würde so der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Täglich werden zwischen Europa und den USA Waren und Dienstleistungen im Wert von zwei Milliarden Euro gehandelt. Durch den Wegfall von Zöllen und Handelshemmnissen - etwa technischen Standards und Zulassungsvorschriften - soll TTIP mehr Wachstum und neue Jobs schaffen. Doch auch Umwelt- und Verbraucherschützer, Sozialverbände und Gewerkschaften befürchten eine Angleichung der Standards auf geringerem Niveau und kritisieren zudem, dass die Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington im Geheimen stattfinden.

Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB), befürchtet große negative Folgen für den öffentlichen Dienst durch das Freihandelsabkommen. „Öffentliche Dienstleistungen wie die Wasserver- und -entsorgung, Gesundheitsdienstleistungen, Bildung, soziale Dienstleistungen, Müllentsorgung, Energie und öffentlicher Verkehr dürfen nicht dem Freihandel zum Opfer fallen. Wir fordern ein Bekenntnis, dass öffentliche Dienstleistungen klar und unmissverständlich aus den aktuell verhandelten Freihandelsabkommen TTIP und Co. ausgenommen werden“, sagte Thomas Kattnig, Internationaler Sekretär der Gewerkschaft, am Montag.

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