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Gedämpfte Erwartungen

Bei den Gesprächen in Brüssel zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern zeichnet sich kein Durchbruch ab. Die Positionen liegen trotz intensiver Verhandlungen weit auseinander. Das für Mittwochabend anberaumte Krisentreffen der Euro-Finanzminister wurde unmittelbar nach Beginn unterbrochen und auf Donnerstag verlegt.

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Nachdem auf einem Euro-Sondergipfel am Montag der Fahrplan festgelegt worden war, hätten die Geldgeber die neuen Vorschläge aus Athen bis Mittwoch durchrechnen und bewerten sollen - doch dazu kam es nicht. Nun kommen die Finanzminister erst am Donnerstag um 13.00 Uhr wieder in Brüssel zusammen, teilte der finnische Ressortchef Alexander Stubb mit.

Verhandlungen mit Gläubigern in der Nacht

Das Treffen hatte gegen 20.00 Uhr mit einiger Verzögerung begonnen, nachdem die Vorverhandlungen bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sich sehr schwierig gestaltet haben dürften. Am Tisch saßen unter anderen der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, der Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem und der Leiter des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling.

Nach Angaben eines Vertreters der griechischen Regierung legten die Gläubiger Vorschläge vor, die griechische Pensionisten und Lohnbezieher auf unfaire Weise belasteten. Auch die Themen Steuer- und Pensionsreform waren EU-Vertretern zufolge ungeklärt. Bei den Gesprächen hätten sich die gleichen roten Linien gezeigt wie zuvor, sagte ein Vertreter der Euro-Zone. Tsipras wollte noch am Mittwochabend ab 23.00 Uhr (MESZ) mit Juncker, Dijsselbloem, Lagarde, Draghi und Regling in Brüssel weiterverhandeln.

Wortkarge Proponenten

Nach dem Spitzentreffen und unmittelbar vor dem Euro-Finanzministertreffen hatten sich mehrere Ressortchefs Mittwochabend wenig optimistisch gezeigt. „Es schaut fast weniger zuversichtlich aus, als es sich am Montag ergeben hat“, sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). „Der Stand der Vorbereitungen ist nicht so, dass man optimistisch sein kann, dass wir heute ein Ergebnis erzielen“, so der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Und weiter: „Mein Gefühl ist: Wir sind noch nicht viel weiter als am Montag.“

Christine Lagarde spricht mit Jean-Claude Juncker und Pierre Moscovici

AP/Virginia Mayo

Die Vertreter der Geldgeber verhandelten über Athens Vorschläge

Die Vertreter von IWF, EZB und Euro-Gruppe - Lagarde, Draghi und Dijsselbloem - gaben sich bei ihrer Ankunft zum Finanzministertreffen wortkarg und verschwanden ebenso wie der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis ohne weiteren Kommentar im Ratsgebäude. Auch Frankreichs Finanzminister Michel Sapin betrat das Gebäude, ohne eine Erklärung abzugeben.

„Noch sind wir nicht sehr weit“

Schelling kritisierte, dass Griechenland auf einer Umschuldung bestehe. „Der größte Brocken wird noch der sein, dass Griechenland weiterhin darauf besteht, dass es zu einer Schuldenumschichtung kommt, vor allem über eine Kombination aus dem (Euro-Rettungsschirm, Anm.) ESM mit der EZB. Das ist für viele ein drittes Programm durch die Hintertür, das wahrscheinlich so nicht akzeptierbar sein wird“, sagte er.

„Noch sind wir nicht sehr weit mit unseren Erwartungen. Wir haben einen weiten Weg vor uns“, sagte Schelling. „Wir haben weder Unterlagen, noch haben wir die Umsetzungspapiere, die dringend erforderlich sind, dass wir überhaupt zu einem Ergebnis kommen können“, beklagte der österreichische Finanzminister.

IWF soll Sparvorhaben kritisiert haben

Die Gläubiger beharren darauf, dass Griechenland zuerst das Thema Reformen klärt. Aus deutschen Regierungskreisen war am Mittwoch an die Öffentlichkeit gedrungen, dass eine Lösung ohne den IWF für Berlin nicht denkbar sei. Daran werde sich auch in den nächsten Tagen nichts ändern. Zuvor gab es Berichte, wonach der IWF gegenüber Athen eine härtere Linie verfolge als die EU-Kommission und die EZB und die Gläubiger zerstritten seien.

Laut übereinstimmenden Berichten der griechischen Presse soll vorwiegend der IWF zahlreiche Athener Sparvorhaben als Maßnahmen kritisiert haben, die die Rezession förderten. Der IWF fordere, dass die von Athen vorgeschlagene Erhöhung der Unternehmensbesteuerung von 26 auf 29 Prozent nicht gelten sollte. Höchstens sollte diese Belastung 28 Prozent erreichen. Zudem sollen nach Ansicht des IWF die Pensionen gekürzt werden. Die Rüstungsausgaben sollen um weitere 200 Millionen Euro verringert werden.

Hilfsprogramm endet am 30. Juni

Eine Einigung drängt, weil das Hilfsprogramm am 30. Juni endet und damit der Anspruch auf Auszahlung der vollen Summe von 7,2 Milliarden Euro verfällt. Kommt kein Deal zustande, schlittert das Land wohl in eine Pleite. Am Donnerstag und Freitag tagt auch ein EU-Gipfel.

Die IWF-Kredite müssen demnächst getilgt werden. Bis Dienstag ist eine Rückzahlung von 1,6 Mrd. Euro fällig - fraglich ist, ob dafür noch Geld in den Kassen ist. „Voraussetzung für jegliche Vereinbarung ist, dass sie mit einer klaren Verpflichtung auf eine Schuldenerleichterung verbunden ist“, sagte die Abgeordnete der Partei Unabhängigen Griechen, Marina Chrissoveloni, die mit Tsipras’ SYRIZA zusammenarbeitet. Der drohende Rückschlag in den Verhandlungen machte die Anleger an den europäischen Börsen teils sehr nervös. Der Athener Leitindex rutschte um bis zu 4,4 Prozent ab.

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