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Doyen des Theaters in der Josefstadt

Der Wiener Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter Helmuth Lohner ist in der vergangenen Nacht im Alter von 82 Jahren gestorben. Das bestätigte das Wiener Theater in der Josefstadt, dessen künstlerischer Direktor Lohner 1997 bis 2006 war, am Dienstagvormittag.

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Lohner hätte im Dezember in der Regie von Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger und in einer Fassung von Peter Turrini den „Anatol“ an der Josefstadt spielen sollen. Seine letzte Inszenierung war „Schon wieder Sonntag“ mit Otto Schenk in den Kammerspielen der Josefstadt.

Föttinger: Hinreißender Darsteller

Der Tod Lohners bedeute „einen unersetzbaren Verlust für die Josefstadt, für das deutschsprachige Theater und großen Schmerz für alle, die ihn kennen und ihm nahestanden“, hieß es am Dienstag in einer Reaktion des Theaters in der Josefstadt. „Helmuth Lohner war ein hinreißender Darsteller feinnerviger Charaktere, ein Sprachkünstler, dessen schauspielerische Präzision, Fantasie und Hingebungskraft bewundert wurde“, so Föttinger in einer Aussendung. „Abseits der Bühne war er ein bescheidener Mensch von feiner Gesinnung, der auch als Direktor der Josefstadt für Toleranz, Mitmenschlichkeit und Güte stand“ - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Lohner war auch ein wacher und kritischer Beobachter der Politik: „Ich kann diese Sprechblasen nicht mehr sehen! Es ist so ein grauenvolles Wischiwaschi, was die zusammenreden“, sagte er vor mehr als einem Jahr in einem Zeitungsinterview - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Debüt in Baden

Lohner wurde 1933 als Sohn eines Schlossers in Wien-Ottakring geboren. Zunächst absolvierte er eine Lehre im grafischen Gewerbe und holte in Abendkursen die Matura nach. Er nahm privaten Schauspielunterricht, debütierte am Stadttheater Baden und wurde dann als Operetten-Buffo an das Klagenfurter Stadttheater engagiert. Von 1953 bis 1963 spielte er am Theater in der Josefstadt.

Helmut Lohner und Otto Schenk 2013

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Helmuth Lohner mit seinem langjährigen Theaterfreund Otto Schenk

Es folgten Engagements in Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf und Zürich. Immer wieder spielte er auch am Wiener Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen, wo er unter anderem insgesamt zehn Jahre (darunter fünf Sommer in der Titelrolle) in Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ auf der Bühne auf dem Domplatz stand.

In vielen Rollen daheim

Helmuth Lohner war Nestroy-Darsteller, umjubelter Jedermann in Salzburg, er inszenierte „Die Fledermaus“ in Mörbisch und war auch einem breiten TV-Publikum bekannt.

Zahlreiche Auszeichnungen

Lohner, der u. a. mit der Kainz-Medaille (1980), dem Nestroy-Ring (1988), dem Titel Österreichischer Kammerschauspieler (1993), der Ehrenmitgliedschaft der Josefstadt (2003) und mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (2006) ausgezeichnet wurde, war als Schauspieler in allen Genres zu Hause und stellte fast alles dar, was einen Schauspieler reizen kann: Shakespeares abgründig-bösen Richard, den zwiespältigen Dänenprinzen Hamlet, den Titus Feuerfuchs in Nestroys „Talisman“, den Faust ebenso wie den Mephisto. Er machte die vielfältigen Facetten von Schnitzler-, Tschechow- und Horvath-Figuren transparent und strapazierte in komischen Rollen die Lachmuskeln der Zuschauer.

Helmut Lohner und Helmut Qualtinger im Film Samba 1966

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Lohner mit Helmut Qualtinger in „Samba“ von 1966

1997 wurde er Direktor des Theaters in der Josefstadt, an dem in der Folge Regisseure wie Luc Bondy, Peter Stein und Dieter Giesing und Darsteller wie Gert Voss und Ignaz Kirchner ihr Hausdebüt gaben. Lohner war in jeder Hinsicht ein echter Teamspieler, der nicht nur in zahlreichen Rollen dafür sorgte, dass die Kasse stimmte, sondern sich auch nicht scheute, in Krankheitsfällen als Einspringer den reibungslosen Theaterbetrieb zu sichern.

„Die Realität ist immer härter“

„In der Krisensaison 2000/1, als die Sparauflagen den Betrieb gefährdeten und es für den von der Josefstadt bespielten Rabenhof kein Geld mehr gab, stand er von 300 Abenden an mehr als 200 selbst auf der Bühne, um Kosten zu sparen und Ausfälle zu ersetzen“, so Eva-Maria Klinger, die einen Band über das Theater in der Josefstadt herausgegeben hat.

„Man geht mit riesigen Ambitionen hinein und muss Stück um Stück Federn lassen. Die Realität wird immer härter, und man kommt in eine Verzweiflung“, resümierte Lohner vor zwei Jahren im APA-Interview seine Direktionserfahrungen. „Diese Jahre gehören zu meinem Leben wie alles andere auch. Nie im Leben würde ich mich davon distanzieren wollen. Und ich habe bezahlt, weil ich dafür als Schauspieler auf vieles verzichten musste.“

Comeback nach Bühnenabschied

Bereits zum Ende seiner ersten Direktionszeit hatte er 2003 mit Molieres „Menschenfeind“ seinen Bühnenabschied gefeiert, sich aber ebenso zum Comeback überreden lassen wie zu seiner Rückkehr als künstlerischer Leiter nach einer einzigen Saison von Hans Gratzer. Nach zwei Saisonen übergab Lohner Mitte 2006 die Theaterleitung an Herbert Föttinger und war seither vorwiegend als freier Regisseur tätig. Ausnahmen waren u. a. sein John Gabriel Borkman, den er mit einem langsam in den Wahnsinn kippenden Altersstarrsinn ausstattete, und der Familientyrann James Tyrone in „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ (beide 2012).

Auch in Film und Fernsehen zu Hause

Vor allem als Operettenregisseur war Lohner bereits früher hervorgetreten: In Zürich inszenierte er Offenbachs „Die schöne Helena“ (1994) und Lehars „Die lustige Witwe“ (1997), in Mörbisch „Eine Nacht in Venedig“ (1999) und „Die Csardasfürstin“ (2002), an der Oper Köln etwa Offenbachs „Die Banditen“, „Die Fledermaus“ von Johann Strauß und Donizettis „Liebestrank“. In Graz brachte er Offenbachs „La Perichole“ heraus, an der Volksoper Wien Suppes „Boccaccio“ und Mozarts „Die Zauberflöte“, in Bad Hersfeld das Musical „Les Miserables“.

Sein Filmdebüt gab Lohner 1955 in „Hotel Adlon“ von Josef von Baky und spielte daraufhin häufig in Unterhaltungsfilmen („Das Wirtshaus im Spessart“, „Die schöne Lügnerin“ mit Romy Schneider u. v. a.). 1963 begann er seine Arbeit beim Fernsehen, wo er sich in den 90er Jahren bei „Mein Opa ist der Beste“ und „Mein Opa und die 13 Stühle“ (beides mit Schenk) auch als Regisseur betätigte. Bekannt wurde Lohner auch durch Fernsehverfilmungen von Romanen von Joseph Roth wie „Radetzkymarsch“, „Tarabas“ und „Hiob“.

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