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Wichtiges IS-Einfallstor verriegelt

Nach tagelangen heftigen Kämpfen haben kurdische Kämpfer die nordsyrische Stadt Tal Abjad am Dienstag komplett zurückerobert und der Dschihadistenenmiliz IS damit ihre bisher schwerste Niederlage zugefügt. Die Stadt an der Grenze zur Türkei galt bisher als wichtiges Einfallstor für ausländische Dschihadisten.

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Ein Vertreter der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) bestätigte die Einnahme von Tal Abjad: Der IS habe sich letztlich „ohne großen Widerstand“ zurückgezogen, sagte Ahmed Seyxo der Nachrichtenagentur AFP. Es sei „ein einfacher Sieg“ gewesen. Die YPG-Kämpfer wurden von syrischen Rebellengruppen und durch Luftangriffe der US-geführten Militärallianz gegen den IS unterstützt.

Schwerer Schlag für IS

„Seit der Morgendämmerung war kein einziger Schuss zu hören“, sagte der Chef der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahmane, der Nachrichtenagentur AFP. „Das ist die größte Niederlage des IS, seit er im Juni 2014 ein Kalifat ausgerufen hat.“ Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle bezieht ihre Erkenntnisse aus einem Informantennetzwerk, die Informationen sind unabhängig kaum überprüfbar.

Kurdische Kämpfer in Tal Abjad entfernen ein IS-Sticker auf einer Wand in Tal Abjad

Reuters/Rodi Said

Kurdische Kämpfer kratzen das Emblem des IS von der Wand

Tal Abjad liegt an der Grenze zur Türkei und etwa 85 Kilometer nördlich der IS-Hochburg Rakka. Sie galt bisher als wichtiges Einfallstor für ausländische Dschihadisten, die sich dem IS in Syrien anschließen wollten. Die Beobachtungsstelle gab an, die Kurden kontrollierten zwischen der im Jänner zurückeroberten Stadt Kobane und dem Irak nun rund 400 Kilometer der syrischen Grenze zur Türkei. Der IS kann demnach nur auf Grenzübergänge in der Provinz Aleppo zurückgreifen und muss somit um mehrere hundert Kilometer längere Nachschubwege in Kauf nehmen.

Erste Rückkehrer

Am Dienstag durchkämmten die Kurdenkämpfer die Stadt nach vom IS hinterlassenen Sprengfallen. „Es gibt überall Minen und Autobomben“, sagte Sherfan Darwisch, Sprecher der an der Seite der YPG kämpfenden Rebellengruppe Burkan al-Furat. Zudem lägen überall Leichen von IS-Kämpfern.

Bereits am Mittwoch setzte eine Rückkehrbewegung von Flüchtlingen aus der Türkei Richtung Syrien ein. Eine Reporterin der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, wie rund 200 Männer, Frauen und Kinder an einem Grenzposten in der türkischen Stadt Akcakale eintrafen, um sich in das nahe gelegene Tal Abjad zu begeben. Vor den Kämpfen um Tal Abjad hatten seit Anfang Juni rund 23.000 Menschen in der Türkei Zuflucht gesucht.

Vorwurf der ethnischen Säuberung

Die türkische Regierung warf den Kurden unterdessen laut Medienberichten vor, in Nordsyrien „ethnische Säuberungen“ gegen die nichtkurdische Bevölkerung zu verüben. Vizeministerpräsident Bülent Arinc sagte am Montagabend, die Kurden strebten die Zusammenlegung dreier syrischer Regionen zu einer autonomen kurdischen Region an. Im Vergleich zum Westen steht die Türkei dem Vormarsch der YPG in Syrien kritisch gegenüber. Sie sieht in den Truppen einen Ableger der verbotenen türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die seit Jahrzehnten gewaltsam um eine Loslösung von Ankara ringt.

Die Kämpfe um Tal Abjad hatten Tausende Zivilisten zur Flucht in Richtung Türkei getrieben, welche die Grenze bei Akcakale mehrere Tage lang geschlossen gehalten und erst am Sonntagabend wieder geöffnet hatte. Allein seit Anfang Juni seien laut Angaben der Türkei bisher rund 23.000 Menschen über die Grenze gekommen, sagte der Sprecher des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), William Spindler.

Unter den Geflohenen von Tal Abjad sind laut türkischen Behörden vor allem Araber und syrische Türken, jedoch kaum Kurden. Vizeregierungschef Arinc sagte, das lasse auf eine geplante „Exilierung“ nichtkurdischer Bewohner der Region schließen, um den Norden Syriens für die Errichtung eines unabhängigen Kurdengebiets vorzubereiten.

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