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Nagl sieht Parallele zu Germanwings-Crash

Nach der schockierenden Amokfahrt eines 26-Jährigen in der Grazer Innenstadt war die steirische Hauptstadt am Samstagabend von stiller Trauer dominiert. Hunderte Menschen trafen sich an jenen Orten, wo der Täter Stunden zuvor drei Menschen getötet und 34 weitere teils lebensbedrohlich verletzt hatte. Sechs Menschen rangen am Abend weiterhin mit dem Tod.

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Die großräumigen Absperrungen der Innenstadt waren bis zum Abend aufgehoben und das Großaufgebot der Exekutive abgerückt. In der Grazer Herrengasse, wo die Raserei des Täters zu Mittag einen vierjährigen Buben und einen weiteren Menschen das Leben kostete, standen am Abend Trauernde in Gruppen vor Blumen und Kerzen. Ähnlich war das Bild am Grazer Hauptplatz, wo Menschen Kerzen, Stofftiere und Blumen niederlegten - „als Symbol des Lebens“, wie eine Frau meinte.

„So endet das junge Glück“

Mehrere Tausend Menschen waren dem spontanen Aufruf für ein „Kerzenmeer“ gefolgt. Mit unzähligen Lichtern drückten die Teilnehmer Trauer und Beileid aus. Auch Angehörige von Opfern nahmen teil. Eine Frau zeigte das zwei Wochen alte Hochzeitsbild ihres 28-jährigen Verwandten, der am Samstag beim Spaziergang mit seiner Frau getötet wurde. Seine junge Frau ist unter den lebensgefährlich Verletzten. „So endet das junge Glück“, sagte die trauernde Angehörige.

Schaltung nach Graz

ORF-Reporter Gernot Frischenschlager berichtete in der ZiB20, was man bis jetzt über den 26jährigen Täter und sein Motiv weiß.

Die meisten Teilnehmer stellten sich schweigend um die Kerzen auf, bis die Herrengasse zu einem Gutteil gefüllt war. Die Straßenbahnen mussten zum zweiten Mal an diesem Tag ihre Fahrten unterbrechen. Die Stadt Graz richtete ein digitales Kondolenzbuch auf ihrer Website ein. In der Spät-ZiB am Samstagabend rief Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) über die Stadt hinaus zum Zusammenhalt auf. Er zog Parallelen zum Germanwings-Absturz und meinte, es brauche besseres Zuhören der Menschen untereinander, um derartigen Tragödien vorzubeugen.

Eine grüne Markierung für jedes Opfer

In der Schmiedgasse vor der Polizeiinspektion, wo sich der Täter schließlich gestellt hatte, wurde dessen grüner Geländewagen bereits weggebracht. Neongrüne Markierungen der Polizei an jenen Stellen in der Herrengasse, am Hauptplatz und in der Schmiedgasse, wo Menschen verletzt und getötet wurden, kündeten von den Erhebungen der Kriminalisten und der Spurensicherer. Rund fünf Minuten lang war der Täter zu Mittag durch die Innenstadt gerast und hatte dabei immer wieder Personen angefahren.

Trauerkerzen in Graz

ORF

Graz trauert

Bei dem 26-Jährigen, der sich nach seiner Tat in einer Polizeistation stellte, handelt es sich um einen Berufskraftfahrer aus dem Bezirk Graz-Umgebung, der bereits zuvor „als gewaltbereit in Erscheinung getreten“ sei, wie Landespolizeidirektor Josef Klamminger bei einer Pressekonferenz am späten Nachmittag sagte. Der Mann ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er wurde nach häuslicher Gewalt am 28. Mai von seinem Wohnsitz weggewiesen.

Frau verließ mit Kindern das Land

Die Motive für die Tat dürften damit im Privaten liegen. Die Opfer dürfte der Mann alle nicht gekannt haben. Laut Polizei wurden bisher politische, religiöse oder extremistische Motive aufgrund seiner Vorgeschichte ausgeschlossen. Es handelte sich um einen Einzeltäter, wobei nun ein psychologisches Gutachten eingeholt werde, sagte Klamminger. Es wurde vermutet, dass die familiären Konflikte eine akute Psychose bei dem Mann auslösten. Seine Frau verließ nach der Wegweisung mit den Kindern das Land.

Unter den drei Todesopfern der Amokfahrt ist ein vierjähriger Bub, der in der Herrengasse angefahren worden war, teilte die Polizei am Abend mit. Bei den beiden erwachsenen Toten handelt es sich um einen 28-Jährigen, der bei der Synagoge vom Tatfahrzeug gerammt wurde sowie eine 25-jährige Frau, die wie der Bub in der Herrengasse niedergefahren worden war. Das Alter der 34 Verletzten liegt im Bereich von vier bis 75 Jahren. Eine von ihnen hatte am Samstag ihren 21. Geburtstag.

Amokfahrt dauerte fünf Minuten

Laut Stadtpolizeikommandant Kurt Kemeter begann die Amokfahrt gegen 12.15 Uhr in der Zweiglgasse: „Er beschleunigte bis zur Kreuzung mit der Lagergasse, fuhr auf den Gehsteig und rammte zwei Personen, wobei eine davon getötet wurde.“ Anschließend fuhr der Täter Richtung Augartenbrücke und wollte auf Höhe der dortigen Synagoge einen weiteren Fußgänger anfahren. Er konnte sich hinter einer Säule in Sicherheit bringen und wurde nur leicht verletzt.

Karte zur Amokfahrt in Graz

APA/ORF.at

In der Zweiglgasse begann die Amokfahrt des 26-Jährigen.

Danach raste der Lenker weiter in die Grazbachgasse, wo ein Paar aus einem Geschäft bei einer Grünanlage kam. Er sprang aus dem Auto und attackierte beide mit einem Messer. Dabei wurde der Mann schwer, seine Freundin leicht verletzt. Nach weiteren Attacken lenkte er in die Herrengasse ein, fuhr diese „mit hohem Tempo“ hindurch und erfasste dabei mehrere Personen, wobei zwei getötet wurden. Zudem krachte der Lenker in einen Schanigarten, wo er acht Menschen verletzte. Die Amokfahrt habe etwa fünf Minuten gedauert, hieß es von der Polizei später.

Mit 100 km/h auf Passanten losgefahren

Der Täter war laut Augenzeugen mit rund 100 km/h durch die Herrengasse auf der Höhe des Hauptplatzes gerast, wo sich mehrere Cafes befinden. Unter den Passanten herrschte Panik, die Menschen versuchten, sich in die Gebäude zu retten. Schließlich hielt der Täter nahe der Polizeiinspektion an und erklärte den Beamten dort, er wolle sich wegen einer „Auseinandersetzung mit einem Messer“ stellen. Nach der Tat wurden Rettungskräfte aus der gesamten Region in Graz zusammengezogen. 83 Rettungswägen, 110 Sanitäter und vier Rettungshubschrauber waren im Einsatz.

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Grazer Innenstadt nach der Tat gesperrt

Nach der Amokfahrt wurden weite Teile der Grazer Innenstadt abgesperrt, Augenzeugen hatte sich ein Bild des Schreckens geboten.

Nagl wurde selbst zum Augenzeugen der Tat. Nur, weil er auf einem Motorroller unterwegs und damit selbst motorisiert gewesen sei, habe er flüchten kommen, sagte er später auf einer Pressekonferenz. „Dieser Täter, der Mörder, hat erst ein Paar niedergemäht, der Mann war offenbar sofort tot, dann dachte ich erst, er bleibt stehen, aber er hat mich und einen anderen Passanten anvisiert“, sagte der Bürgermeister auf der Pressekonferenz - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) zeigte sich auf der Pressekonferenz an Nagls Seite „geschockt, betroffen und bestürzt“. Seine Gedanken seien bei den Angehörigen der Opfer und bei den Verletzten. Sein Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ) sagte: „Es tut unendlich weh, für mich als Familienvater nicht zu fassen, was hier passiert ist.“ Die gesamte Staatsspitze sowie andere Vertreter der Spitzenpolitik wandten sich mit Beileidsbekundungen an die Adresse der Hinterbliebenen.

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