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Amokfahrt dauerte fünf Minuten

Bei der Amokfahrt eines Mannes mit einem Geländewagen in der Grazer Innenstadt sind am Samstag drei Menschen getötet und 34 weitere verletzt worden, davon ringen einige mit dem Tod, wie Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) ein einer ersten Pressekonferenz mitteilte.

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Unter den drei Toten bei der Amokfahrt in Graz ist ein vierjähriger Bub, der in der Herrengasse angefahren wurde, teilte die Polizei am Abend mit. Bei den beiden erwachsenen Toten handelt es sich um einen 28-Jährigen - er wurde nahe der Synagoge angefahren - sowie eine 25-jährige Frau, die wie der Bub in der Herrengasse gerammt wurde.

Das Alter der 34 Verletzten liegt im Bereich von vier bis 75 Jahren. Am späten Nachmittag waren noch sechs Erwachsene in Lebensgefahr, sie wurden zum Teil noch operiert. Unter den Verletzten seien laut den Einsatzkräften drei Kinder, wobei eines bereits das Spital wieder verlassen konnte, die beiden anderen seien schwer verletzt.

Täter stellte sich der Polizei

Bei dem Fahrer handelt es sich um einen 26-jährigen Österreicher aus dem Süden des Bezirks Graz-Umgebung. Nach der Bluttat stellte er sich der Polizei. Er parkte sein Auto vor der Polizeistation Schmiedgasse und erzählte den Beamten - offenbar geistig verwirrt - von einer Tat. Er erzählte von einer „Auseinandersetzung mit einem Messer“ - mehr dazu in steiermark.ORF.at. Die Amokfahrt habe etwa fünf Minuten gedauert, hieß es von der Polizei später. Während der Fahrt war der Mann aus dem Auto gesprungen und hatte Passanten mit einem Messer attackiert.

Amokfahrt durch die Fußgängerzone

Nach der Amokfahrt des jungen Mannes durch die Grazer Innenstadt sitzt der Schock in der steirischen Landeshauptstadt tief. Zahlreiche Fußgänger und Radfahrer wurden niedergefahren.

Der Mann ist verheiratet und hat zwei Kinder, er war als Kraftfahrer tätig. Der Täter war bereits zuvor „als gewaltbereit in Erscheinung getreten“, sagte Landespolizeidirektor Josef Klamminger bei einer Pressekonferenz am späten Nachmittag. Er wurde nach häuslicher Gewalt am 28. Mai von seinem Wohnsitz weggewiesen.

„Psychose mit Ausgang im Familienleben“

Laut dem steirischen Landessicherheitsdirektor besteht „kein Zusammenhang mit Fanatismen“, also auch kein terroristischer Hintergrund. „Es handelt sich um eine Psychose mit Ausgang im Familienleben“, sagte Josef Klamminger in einer Pressekonferenz. Der Mann sei offenbar „nach einer Wegweisung durchgedreht“, aber auch das müsse erst gesichert werden. „Es handelt sich hier nicht um eine politische Aktion, es ist die Tat eines Einzeltäters“, hieß es vonseiten der Polizei. Nun werde ein psychologisches Gutachten eingeholt.

Karte zur Amokfahrt in Graz

APA/ORF.at

Mit 100 km/h durch die Stadt gerast

Der Täter ist laut Augenzeugen mit rund 100 km/h durch die Herrengasse auf der Höhe des Hauptplatzes gerast, wo sich mehrere Cafes befinden. „Wir dachten zuerst an eine Schießerei, da der Wagen auch mehrere Sessel erfasst hat“, berichtete eine Augenzeugin. Unter den Passanten herrschte Panik, die Menschen versuchten, sich in die Gebäude zu retten.

Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), der zum Zeitpunkt der Tat unterwegs war, wurde selbst zum Augenzeugen. „Der Lenker ist bewusst gegen Passanten gefahren, ich habe selber gesehen, wie eine Frau niedergefahren wurde“, zitierte ihn die „Kleine Zeitung“. „Dieser Täter, der Mörder, hat erst ein Paar niedergemäht, der Mann war offenbar sofort tot, dann dachte ich erst, er bleibt stehen, aber er hat mich und einen anderen Passanten anvisiert“, sagte der Bürgermeister auf der Pressekonferenz - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

„Wir konnten uns in Sicherheit bringen, der Passant hinter einer Säule“, so Nagl, der mit den Emotionen kämpfte: „Ich habe so etwas noch nie erlebt“, so Nagl. Ein anderer Augenzeuge erzählte: „Ich habe am Hauptplatz Cappuccino getrunken, als Menschen zu schreien begonnen haben, dann war ein heulender Motor zu hören. Ich habe mich mit einem Sprung in die Arkaden gerettet.“

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Grazer Innenstadt nach der Tat gesperrt

Nach der Amokfahrt wurden weite Teile der Grazer Innenstadt abgesperrt, Augenzeugen hatte sich ein Bild des Schreckens geboten.

„Massenanfall“ an Patienten

Die Rettungskräfte aus der gesamten Region wurden in Graz zusammengezogen. Rund 50 Kranken- und Notarztautos und 16 Notärzte waren in der Herrengasse und auf dem Hauptplatz, der ÖAMTC hatte vier Rettungshubschrauber im Einsatz. Es sei ein richtiggehender „Massenanfall“ an Patienten gewesen, die binnen kurzer Zeit versorgt werden mussten, hieß es. Dutzende Menschen werden von einem Kriseninterventionsteam betreut.

Krisenstab eingerichtet

In einer ersten Stellungnahme verurteilte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) das Geschehene als „abscheuliche Tat“, für Derartiges gebe es „weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung“. Ein Krisenstab wurde eingerichtet. In einer Pressekonferenz zeigte sich Schützenhöfer „geschockt, betroffen und bestürzt“. Seine Gedanken seien bei den Angehörigen der Opfer und bei den Verletzten, so der Landeshauptmann.

Einsatzkräfte am Ort der Amokfahrt

APA/Elmar Gubisch

Die Polizei sperrte den Tatort weiträumig ab

„Nicht zu fassen, was passiert ist“

"Wir sind alle gefordert, das Miteinander zu suchen und Gräben nicht aufzubauen, so Schützenhöfer. Sein Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ) sagte: „Es tut unendlich weh, für mich als Familienvater nicht zu fassen, was hier passiert ist. Es wurde alles getan, um die Verletzten sofort zu versorgen“, so Schickhofer. Der Täter sei gefasst, die Hintergründe seien von der Polizei zu ermitteln, „die im Bedarfsfall auch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen hat“.

Die Fassungslosigkeit über die Amokfahrt stand vielen Menschen rund um die Herrengasse ins Gesicht geschrieben. An der Absperrung der Polizei in der Herrengasse haben Menschen Blumen in improvisierten Vasen sowie brennende Kerzen abgelegt. In der Stadtpfarrkirche fand am Abend ein Gedenkgottesdienst statt.

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