Spielzeug wurde Buben zum Verhängnis
Nach den tödlichen Schüssen auf einen mit einer Spielzeugpistole herumfuchtelnden schwarzen Teenager in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio hat die Staatsanwalt am Samstag die Ergebnisse einer Polizeiuntersuchung zu dem Fall veröffentlicht. Der Polizeischütze handelte demnach aus Notwehr. Er habe „Angst um sein Leben“ gehabt und nach den tödlichen Schüssen „verstört“ gewirkt.
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Der zwölfjährige Tamir Rice war Ende November in einer Parkanlage in Cleveland erschossen worden. Die Polizisten hielten eine Waffenattrappe, die der Bub in den Händen hielt, nach eigenen Angaben für echt. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigten, dass die Beamten unmittelbar nach der Ankunft am Ort des Geschehens Schüsse auf den Teenager abgaben. Aussagen eines Anrainers, der beim Anruf bei der Polizei von einer wohl unechten Waffe sprach, wurden den Beamten offenbar nicht weitergegeben.
Polizist nach Einsatz „verstört“
Der nun veröffentlichte Polizeibericht stützt sich unter anderem auf die Aussage eines FBI-Ermittlers, der nach den tödlichen Schüssen mit dem Schützen gesprochen hatte. „Er wirkte wie ein Mann, der in eine sehr schwierige Situation geraten war und eine sehr schnelle Entscheidung treffen musste“, berichtete er den Ermittlern. Der Polizist habe den Buben mit der Waffe gesehen und geglaubt, dass er getötet oder schwer verletzt werden könne. Darauf habe er „reagiert“.
Nach den tödlichen Schüssen habe der Schütze „verstört“ gewirkt, heißt es in dem Bericht. Der FBI-Ermittler musste den Polizisten laut den Angaben nicht zum Reden bringen, weil er von sich aus Auskunft gab. Die tödlichen Schüsse auf Rice waren einer von vielen Vorfällen, bei denen weiße US-Polizisten in den vergangenen Monaten unbewaffnete Afroamerikaner erschossen. Sie lösten damit landesweit immer wieder Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus.
Gericht sieht Grund genug für Anklage
Der Fall habe einige „wichtige Frage“ aufgeworfen, sagte der Staatsanwalt von Cuyahoga County, Timothy McGinty, bei der Veröffentlichung des Berichts. Für eine „intelligente Debatte“ über diese Fragen sei Transparenz unbedingt notwendig. Der Bericht wird nun einer Grand Jury vorgelegt, die darüber entscheiden muss, ob gegen die beiden beteiligten Polizisten Anklage erhoben wird.
Zwei Tage vor Veröffentlichung des Untersuchungsberichts hatte ein Gericht die Einleitung eines Strafverfahrens gegen die beiden Polizisten empfohlen. Er sehe die Grundlage für eine Anklage, so Richter Ronald Adrine. Für den Todesschützen zog er unter anderem eine Anklage wegen Totschlags in Betracht. Für eine Anklageerhebung ist laut Gesetz aber letztlich nicht das Gericht zuständig, sondern die Staatsanwaltschaft. Bis zu einer endgültigen Entscheidung über eine Anklageerhebung können noch Monate vergehen.
Überwachungskamera hielt Einsatz fest
Die Eltern des getöteten Buben hatten bereits unmittelbar nach der Tat die Veröffentlichung eines Überwachungsvideos aus dem Park verlangt. „Das Video zeigt eine Sache sehr klar: Die Polizisten hatten sehr schnell gehandelt“, hieß es in einer Erklärung gegenüber Medien. Sie seien überzeugt, dass der Tod ihres Sohnes hätte verhindert werden können: „Tamir sollte noch unter uns sein.“ Der Vorfall hatte in Cleveland Proteste ausgelöst. Die Familie Rice forderte ebenso „friedliche und verantwortungsbewusste“ Proteste. Allerdings sah sich auch die Polizei durch das Video bestätigt.
Die Bilder der Überwachungskamera zeigten, dass der Polizist nach der Ankunft am Ort des Geschehens sofort nach dem Vorfahren des Streifenwagens auf Rice geschossen hatte. Auf den körnigen Schwarz-Weiß-Bildern ist zu sehen, wie Rice auf einem Gehweg läuft, mit der unechten Pistole herumfuchtelt und auf jemanden zielt. Dann setzt er sich in einen Pavillon. Wenig später kommt der Polizeiwagen angerast. Zwei Beamte steigen aus, während sich Rice dem Fahrzeug nähert und in Richtung der Spielzeugwaffe greift. Der Polizist eröffnet daraufhin das Feuer.
Fotos von Softairwaffe gleich veröffentlicht
Schon unmittelbar nach dem Vorfall hatte die Polizei Fotos von der Softair-Spielzeugwaffe des Buben veröffentlicht. Sie ist wie viele dieser Produkte kaum von einer echten Waffe zu unterscheiden. Im konkreten Fall handelte es sich um eine exakte Imitation einer halbautomatischen Pistole. Die orangefarbene Kennzeichnung auf dem Lauf der Waffe, die sie als Imitat ausweist, war entfernt worden.
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