Enorme Zunahme binnen eines Jahres
59,5 Millionen Menschen waren Ende 2014 weltweit auf der Flucht. Im Vergleich dazu waren es ein Jahr davor 51,2 Millionen, vor zehn Jahren 37,5 Millionen Menschen, wie das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in seinem Jahresbericht 2014 dokumentiert. Die Steigerung von 2013 auf 2014 war die höchste, die jemals im Lauf eines Jahres vom UNHCR festgestellt wurde.
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Diese Entwicklung begann laut UNHCR im Jahr 2011 mit dem Ausbruch des Krieges in Syrien, der mittlerweile weltweit die größten Fluchtbewegungen verursacht hat. Im Jahr 2014 wurden täglich durchschnittlich 42.500 Menschen zu Flüchtlingen, Asylsuchenden oder Binnenvertriebenen. Das entspricht einer Vervierfachung über die letzten vier Jahre.
UNHCR: Riesige Nation der Flüchtlinge
Statistisch betrachtet ist von 122 Menschen weltweit aktuell eine Person entweder ein Flüchtling, binnenvertrieben oder asylsuchend. Wären alle Menschen auf der Flucht Bürgerinnen und Bürger eines einzigen Landes, wäre es laut UNHCR die 24.-größte Nation der Welt. „Wir werden aktuell Zeugen eines Paradigmenwechsels. Wir geraten in eine Epoche, in der das Ausmaß der globalen Flucht und Vertreibung sowie die zu deren Bewältigung notwendigen Reaktionen alles davor Gewesene in den Schatten stellen“, so UNO-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres.

Osman Orsal
Der Krieg in Syrien zwang weltweit die meisten Menschen zur Flucht
„Es ist erschreckend zu beobachten, dass jene straflos bleiben, die Konflikte auslösen. Gleichzeitig scheint die internationale Gemeinschaft unfähig zur Zusammenarbeit, um Kriege zu beenden sowie Frieden zu schaffen und zu sichern“, so Guterres.
In letzten fünf Jahren etwa 15 Konflikte aufgeflammt
Der UNHCR-Bericht zeigt auf, dass in allen Regionen sowohl die Zahl der Flüchtlinge als auch jene der Binnenvertriebenen steigt. In den letzten fünf Jahren sind mindestens 15 neue Konflikte ausgebrochen oder wiederaufgeflammt: acht davon in Afrika (Elfenbeinküste, Zentralafrikanische Republik, Libyen, Mali, Nordostnigeria, Südsudan und Burundi); drei im Nahen Osten (Syrien, Irak und Jemen); einer in Europa (Ukraine) und drei in Asien (Kirgistan und einige Gebiete von Burma und Pakistan).

APA/Irish Defence Forces via AP
Überfüllte Boote mit Geretteten im Mittelmeer
Nur wenige Krisen konnten beigelegt werden, die Mehrzahl verursacht weiterhin Flucht und Vertreibung. So konnten vergangenes Jahr nur 126.800 Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren - die niedrigste Anzahl seit 31 Jahren. Jahrzehntelange Instabilität und Konflikte in Afghanistan, Somalia und anderswo bedeuteten, dass Millionen von Menschen weiterhin nicht zurückkehren können und immer häufiger als Flüchtlinge und Binnenvertriebene mit ungewisser Zukunft an den Rändern der Gesellschaft leben müssen, konstatiert das UNHCR.
Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder
Aktuelle, weithin sichtbare Auswirkung der weltweiten Konflikte und des damit einhergehenden unfassbaren Leides sei die dramatisch steigende und besonders gefährliche Flucht über das Meer, sei es über das Mittelmeer, über den Golf von Aden und das Rote Meer oder in südostasiatischen Gewässern. Laut dem „Global Trends Report“ wurden allein im Jahr 2014 insgesamt 13,9 Millionen Menschen zu Flüchtlingen oder Binnenvertriebenen - viermal so viele wie noch 2010.
Weltweit gab es im letzten Jahr insgesamt 19,5 Millionen Flüchtlinge (2013: 16,7 Millionen), 38,2 Millionen Binnenvertriebene (2013: 33,3 Millionen) und 1,8 Millionen Asylsuchende, die noch auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warteten (2013: 1,2 Millionen). Besonders alarmierend: Die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder.
Arme Länder nehmen mehr Flüchtlinge auf
Der Krieg in Syrien hat weltweit die meisten Menschen zur Flucht gezwungen, sowohl innerhalb (7,6 Millionen Binnenvertriebene) als auch außerhalb des eigenen Landes (3,88 Millionen Flüchtlinge). Es folgen Afghanistan (2,59 Millionen Flüchtlinge) und Somalia (1,1 Millionen Flüchtlinge). Selbst in Zeiten stark steigender Zahlen sind Flüchtlinge global sehr ungleich verteilt, so das UNHCR.
Reichere Länder nehmen weit weniger Flüchtlinge auf als weniger reiche. Knapp neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent) befanden sich 2014 laut UNHCR in Ländern, die als wirtschaftlich weniger entwickelt gelten. Ein Viertel aller Flüchtlinge befanden sich laut Bericht in Staaten, die auf der UNO-Liste der am wenigsten entwickelten Länder zu finden sind.
Meiste Asylanträge in Schweden und Deutschland
Der Konflikt in der Ukraine, 219.000 Mittelmeer-Überquerungen sowie die sehr große Zahl von 1,59 Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei (Ende 2014) - die somit auch zum größten Flüchtlingsaufnahmeland weltweit wurde - lenkten verstärkt die Aufmerksamkeit auf Flüchtlingsfragen.
In der EU wurden die meisten Asylanträge in Deutschland und Schweden gestellt. Insgesamt wurden in Europa mit Ende des Jahres 6,7 Millionen Menschen gezählt, die zwangsweise ihre eigentliche Heimat bzw. Heimatregion verlassen mussten: Ein Viertel davon waren syrische Flüchtlinge in der Türkei. Zum Vergleich: 2013 waren es in Europa insgesamt 4,4 Millionen.
Naher Osten größte Herkunftsregion
Allein das Leid des Krieges in Syrien mit 7,6 Millionen Binnenvertriebenen und 3,88 Millionen Flüchtlingen in der benachbarten Region machten den Nahen Osten zur größten Herkunftsregion. Neben den alarmierenden Zahlen zu Syrien wurde auch der Irak erneut zum Brennpunkt: 2,6 Millionen Menschen mussten im letzten Jahr aus ihren Heimatorten fliehen. Insgesamt waren damit im Irak 3,6 Millionen Menschen Binnenvertriebene. Auch innerhalb Libyens mussten 309.000 Menschen fliehen.
Die zahlreichen Konflikte in Afrika - wie zum Beispiel in der Zentralafrikanischen Republik, dem Südsudan, in Somalia, Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und anderswo - haben insgesamt eine immense Zahl an Fluchtbewegungen ausgelöst, die kaum niedriger ist als im Nahen Osten. Insgesamt gab es in den Ländern südlich der Sahara 3,7 Millionen Flüchtlinge und 11,4 Millionen Binnenvertriebene, von ihnen waren 4,5 Millionen Menschen 2014 zur Flucht gezwungen.

Reuters/Soe Zeya Tun
In Burma wird die Minderheit der Rohingya systematisch vertrieben
Viel mehr Flüchtlinge auch in Asien
Die aktuellen Zahlen weisen keine Daten für Nigeria auf, weil dort 2014 die statistischen Erhebungsmethoden für Binnenvertriebene geändert wurden. Äthiopien löste Kenia an der Spitze der Aufnahmeländer in Afrika ab und befindet sich nun global auf Rang fünf.
In Asien stieg die Zahl der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge im letzten Jahr um 31 Prozent. Afghanistan, das weltweit die Liste der Herkunftsländer von Flüchtlingen anführte, gab diesen Spitzenplatz an Syrien ab. Fortdauernde Fluchtbewegungen wurden in und aus Burma registriert, darunter Rohingya aus dem westlichen Rakhine und aus den Kachin- und nördlichen Shan-Regionen. Der Iran und Pakistan blieben unter den führenden vier Aufnahmeländern von Flüchtlingen.
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